Mittwoch, 3. September 2014

Phillip Boa: Besuch aus der Zukunft


Im 30. Jahr seiner Band Voodooclub kehrt Phillip Boa mit einem Album voller neuer Lieder in die Konzerthallen zurück.

Hinter der fünf ist inzwischen eine null, hinter der drei ebenso. Phillip Boa hat letztes Jahr seinen 50. Geburtstag gefeiert, seine Band Voodooclub begeht dieser Tage ihren 30. Aber wie das bei Boa ist, der immer ein Sturkopf war, der eigene Wege im eigenen Tempo ging: „Bleach House“, sein gerade erschienenes 19. Album, geht weder auf das eine noch auf das andere Jubiläum ein.

Wozu auch Vergangenheit, wenn Boa, der eigentlich Ernst Ulrich Figgen heißt, immer noch die Zukunft haben kann? „Kill the future“ fordert er gleich im Auftaktsong, der mit Stahlgeprügel anfängt, das sich aber schon nach einigen Sekunden in bestem Voodoo-Sound auflöst. Gitarren und Chöre, eiliges Getrommel und Keyboardschleifen - Phillip Boa war noch nie ein herausragender Sänger, aber er hatte stets ein Händchen für Ohrwurmmelodien und dazu passende prägnante Slogans. Die gibt es hier im Dutzend von „Kill Wiki“ über „The Fear that falls“ bis zu „Down with the Protocols“. Nach Indie, dem Etikett, das sich Boa Mitte der 80er Jahre anheften lassen musste, weil seine Art Musik einfach in keine Schublade passte, hört sich das alles nicht an.

Der Sound, gemischt von Produzent David Vella, der Mitte der 90er schon Boa-Hits wie „And The Wind Cries Mercy“ betreut hatte, ist fett und ein bisschen ungepflegt zugleich. Die Dancebeats des letzten Albums „Loyalty“ machen hier einem fast schon schwermetallenen Gitarrensolo Platz, später heult ein Saxophon los und in „Chronicles of the heartbroken“ trifft die Boa-Brummelstimme auf das helle Organ von Pris, der neuen Duettpartnerin, die die langjährige Kontrahentin Pia Lund abgelöst hat.

Nach und nach bündelt „Bleach House“ so all die Einflüsse und Ausflüge, die der „heitere Apokalyptiker“ in den letzten drei Jahrzehnten auf- und unternommen hat: Vom dilettantischen Rock auf „Philister“ über die Hits von „Boaphenia“ zum Metal mit dem Voodoocult und den Grübel-Songs auf „Faking To Blend In“.
Ein Menü, das zusammengehalten wird von den Boa-Beats, den Melodien und der eigentümlichen Stimme des Dortmunders, der auf dem Cover mit einem Kaktus posiert, der wie das pflanzliche Gegenstück zu ihm selbst wirkt.

Wurzellos, kratzbürstig, eigensinnig, so war der Mann mit der kinnlangen Rundschnittfrisur immer schon. Mit „Kill your idols“ ist er damals in die Charts aufgestiegen, dort hat er bald bemerken müssen, dass Selbstvermarktung auf „Morgenmagazin“-Niveau nicht sein größtes Talent ist. Phillip Boa, von seinen Fans wegen seiner Unerbittlichkeit liebevoll „Arschloch“ genannt, kehrte zurück in die Welt der Minifirmen, in die kleineren Konzerthallen und zu den überschaubaren Tourneen, bei denen er über sich selbst bestimmt.
Seiner Musik hat das so wenig geschadet wie seinem Erfolg. Ohne Medienkampagne, ohne Marketingetat füllt Boas Voodooclub Hallen fast wieder wie in den allerbesten Zeiten. Das letzte Album „Loyalty“ bescherte der Band den größten Hitparadenerfolg seit „Boaphenia“. „Bleach House“ verspricht, das sogar noch zu übertreffen.

In einer Zeit, in der das Album totgesagt wird und die Download-Single als Nonplusultra gilt, hätte es das Werk des Mannes verdient, der von sich selbst sagt, er sei gern uncool, wenn das bedeute, keine Songs für Werbung wegzugeben und bei Facebook nicht um Likes zu betteln. 13 Songs, drei Bonus-stücke, dazu in der „Collectors Edition“ weitere acht Songs, eine Vinyl-Platte und eine Konzert-DVD - manchmal lohnt es sich, mit einer Zukunft abgeschlossen zu haben, die schon längst Vergangenheit ist.

www.boa-digital.net
www.phillipboa.de

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen