Mittwoch, 1. Juli 2015

Pop aus dem Ein-Euro-Shop



Künstler und Technologie-Konzerne streiten um die Bezahlung im Datennetz. Das Geschäft wächst zwar, aber die Einnahmen sind immer noch gering.


Es ging Taylor Swift nicht ums Geld, oder doch jedenfalls nicht nur. Eher aus Prinzip begehrte die 24-jährige Sängerin aus Pennsylvania gegen den neuen Musikdienst des Hightech-Riesen Apple auf: Drei Monate lang, so hatte es Apple beschlossen, sollte das Angebot den Kunden kostenlos zum Ausprobieren und Testen zur Verfügung stehen. Und drei Monate würden deshalb auch die Künstler kein Geld dafür bekommen, dass ihre Songs auf Apple Music zu hören sind.

Apple, Hersteller von iPhone und iPad, ist ein großer Spieler im Markt der virtuellen Musik. Im letzten Jahr ermöglichte es der Konzern der irischen Rockgruppe U2, ein neues Album gleichzeitig einer halben Milliarde Menschen auf ihre Geräte zu spielen. U2 verdienten, weil Apple dafür bezahlte, das Album kostenlos verteilen zu dürfen. Apple verdiente, weil die Werbung durch die aufsehenerregende Aktion unbezahlbar war.

Alle waren zufrieden, nur Fans und Rock-Kollegen nicht. Die einen fühlten sich durch die Freihaus-Lieferung um den Kauf betrogen, der im Popgeschäft immer auch ein Akt der Treue und Loyalität ist. Die anderen sahen Musik ein weiteres Mal entwertet: Wenn schon die Songs einer Supergruppe kostenlos zu haben seien, wie solle dann eine junge, unbekannte Band noch versuchen, ihre Lieder für zehn Euro an den Mann zu bringen?

Ein Problem, das Taylor Swift nicht hat. Die siebenfache Grammy-Preisträgerin ist mit ihrem Country-Pop Dauergast in den Hitparaden, sie verkauft auch in Zeiten ständig sinkender CD-Verkäufe Millionen Alben. Allein die Werbeeinnahmen, die ihre Milliarden Mal angeklickten Videos beim Portal Youtube einspielten, liegen im zweistelligen Millionenbereich.

Pro Klick gibt es dort etwa einen Betrag von 0,4 Cent - nicht viel mehr also, als Apples Angebot, gar nichts zu zahlen. Das war aber doch zu wenig: Swift verweigerte die Freigabe ihres Albums „1989“. Und zwang den auf ein sympathisches Image bedachten größten Konzern der Welt zum Einlenken. Apple zahlt nun - angeblich 0,2 US-Cent pro Aufruf eines Liedes.

Ein Betrag, der etwa dem entspricht, was sogenannte Streaming-Portale wie Spotify und Deezer an die Lieferanten ihrer Inhalte ausschütten. Das Geschäftsmodell aller Anbieter ist ähnlich: Gegen einen Pauschalbetrag oder die Duldung von Werbung gestatten sie es Nutzern, endlos viele Lieder aus einem zehntausende Künstler und Millionen Lieder umfassenden Katalog anzuhören.

Eine schöne Sache für Menschen, die es leid sind, Regale voller CDs zu packen oder Musik auf der eigenen Festplatte zu sammeln. Für Musiker allerdings unbefriedigend, wie der Independentkünstler Phillip Boa ausgerechnet hat. Wenn eins seiner Lieder 200 000 Mal gestreamt wird, kann der Mann aus Düsseldorf sich dafür ein Mittagessen leisten.

In der guten alten Zeit von Schallplatte und CD blieb beim Künstler nach so vielen verkauften CDs eine niedrige fünfstellige Summe hängen. Damals zahlte das Publikum aber auch noch zehn bis 15 Euro für eine Stunde Musik. Heute dagegen gibt es für diesen Betrag 24 Stunden Musik am Tag, einen ganzen Monat lang.
In sich ist das System durchaus ähnlich gerecht wie das frühere mit Plattenfirmen und Plattenläden. Den Löwenanteil der Einnahmen kassieren heute die Hightech-Konzerne oder Plattformanbieter wie Spotify und Deezer, ein geringerer Teil geht an Künstler und Rechteinhaber. Da aber alle Songs nur für den Moment des Hörens geliehen werden, ist ihr Preis niedriger als im Schallplattenzeitalter oder auch beim Einkauf in Download-Shops.

Thom Yorke von Radiohead hat das schon „unfaire Zahlungspraktiken“ genannt und seine Musik von Spotify entfernt. „Ich denke, als Musiker müssen wir dagegen kämpfen, dass diese Leute zu Torwächtern zum Publikum werden“, sagte der Sänger, der sein letztes Solo-Album aus Protest über ein Tauschportal verkauft. 4,4 Millionen Mal ging es weg, für Yorke ein 20-Millionen-Dollar-Triumph. Das Dilemma junger Künstler: Im Gegensatz zu angesagte Stars wie Radiohead oder Oldie-Bands wie Led Zeppelin oder AC/DC, die die Teilnahme am Streaming verweigern, müssen sie mitmachen, um bekannt zu werden. Nur leben können sie nicht davon, weil die Ein-Euro-Pop-Shops das meiste Geld dorthin schichten, wo die meisten Hörer sind.

Es gibt Versuche, Abhilfe zu schaffen. Mit Altrocker Neil Young, Hiphop-Tycoon Jay Z und dem früheren deutschen Hacker und späteren Internet-Unternehmer Kim Schmitz sind sehr unterschiedliche Leute bemüht, Alternativen zu den rein kommerziellen Diensten zu starten. Doch keiner ist bislang Erfolg beschieden. Young, Fan analogen Wohlklangs, hat seinen Plan, ein eigenes Streaming-Portal zu starten, beerdigt. Jay Zs Firma Tidal wird zwar unterstützt von Beyoncé, Madonna, Jack White und Rihanna, leidet aber unter mangelnder Nachfrage der Kunden. Und von Baboom, der Streaming-Plattform, die 90 Prozent aller Einnahmen an die Künstler ausschütten wollte, war zuletzt nur zu hören, dass Erfinder Schmitz seine Anteile verkauft habe.

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