Samstag, 22. Juli 2017

Linkin Park: Mit dem Brett im Bett


Auf ihrem sechsten Album "The Hunting Party" dreht die ehemalige Nu-Metal-Band die Verstärker auf wie nie zuvor.

Erst in der Rückschau sieht die Karriere dieser Band aus wie am Reißbrett entworfen. Die musikalische Vision, der Linkin-Park-Chef Mike Shinoda Mitte der 90er zu folgen beschloss, wirkt angesichts der weltweiten Erfolge des Sextetts aus Los Angeles einfach zu schlüssig und zu konsequent umgesetzt. Als hätten Shinoda, sein Sänger Chester Bennington und der Rest der Truppe stets schon lange vorher gewusst, welcher Stilwechsel ihrem Image als Überraschungsband der Metal-Szene gut tun würde.

Vielleicht aber ist es andersherum. Vielleicht sind Mike Shinoda und sein Schulfreund Brad Delson, die die Idee zu der Band, die später Linkin Park heißen würde, schon im Jahr 1991 hatten, wirklich nur ihrem Instinkt gefolgt. Haben erst Metal gemacht, der sich hörbar vom üblichen Schwermetall mit akrobatischem Anspruch an die Musiker abhob. Dann Metal und Rap versöhnt. Sind weitergeeilt zur Fusion von Metal mit Elektronik. 

Und stehen nun mit ihrem sechsten Album vor einer neuen Definition des Begriffs Härte. Zumindest für den Bereich des harten Rock, der immer zugleich auch auf die Verkaufshitparaden schielt. "The Hunting Party" ist ein dröhnender, stampfender und schreiender Bastard aus zwölf Songs, die von Gitarren dominiert werden, trotzdem aber weder an Metallica noch an Limp Bizkit erinnern. Dabei sollte ursprünglich alles ganz anders werden. "Ich habe einige Alternative-Pop-Demos gemacht, die klangen, als könnten sie in das reinpassen, was das Radio derzeit spielt", beschreibt Mike Shinoda.

Erst die Erkenntnis, dass er selbst eigentlich überhaupt keine Lust auf die so erfolgreiche Art Balladen-Indie-Songs und Rock-Pop-Hymnen hatte, brachte den 37-Jährigen zum Umdenken: Hart sollte das neue Album werden, bretthart. Und die nach über 50 Millionen verkauften Alben im Rockolymp angekommene Band zurückführen zum musikalischen Ethos der Anfangstage, als sie aufbrach, einfach ihr eigenes Ding zu machen und auf dem Weg dahin alle Konventionen zu zerschmettern.

"Keys to the Kingdom" fängt dann auch an, als sollte jeder zufällige Hörer sofort zum Verlassen des Saales veranlasst werden. Chester Benningtons Stimme wird durch die Mixhölle gejagt, ein Gitarrengewitter wie einst von Helmet bricht los. "No control" schreit Bennington, es rappt, es brummt, die musikalische Struktur fällt zwischen einer zarten Melodie und jenseitigem Brüllen auseinander. Das ist hier das Konzept. "Wir sind nicht zufrieden / wir sind hungrig" heißt es in einem kurzen Begleitpoem, "jetzt ist nicht die Zeit, nachzuschauen, ob irgendjemand folgt, jetzt ist Zeit, aufzubrechen ins Unbekannte."

Das allerdings so unbekannt natürlich auch nicht ist. Das fiese Zischen in "War" erinnert an die punkigen Zeiten von Guns'N'Roses, die Melodie von "Rebellion" an Nik Kershaws "The Riddle" und das mit Klavier verzierte Instrumental "Drawbar" mit Tom Morello von Rage Against the Machine an der Gitarre gemahnt schon fast an eine der unvergänglichen Pink-Floyd-Hymnen Marke "Atom Heart Mother". Das darauf folgende "Final Masquerade" ist dann sogar eine lupenreine Ballade.

Keyboards nebeln über ein stur stampfendes Schlagzeug, die Gitarren singen im Chor und das Heavy-Herz blutet wie ehemals bei Jon Bon Jovis "Blaze Of Glory". Erst zum großen Finale kommt die Wucht zurück, versteckt in einem Pelz aus soundtrackartigen Soundschleifen, die von Marschgitarren abgelöst werden. Das Giftige, Strenge und Laute weicht hier einem Wechselspiel von elegischen und energischen Momenten. 

Ein bisschen klingt das, ja, wie am Reißbrett entworfen.

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