Dienstag, 22. August 2017

Google News: Aufstand gegen die neuen Neuigkeiten


Nach einer umfangreichen und undurchschaubaren Umgestaltung der News-Suche erntet der Suchriese Google massenhafte Kritik und Proteste von Nutzern.

Eigentlich gilt der kalifornische Internetriese Google als ein Unternehmen, das seine Nutzer ganz genau kennt. Kaum verwunderlich: Über mehr als ein Jahrzehnt scannt und speichert der Konzern aus Mountain View schon Trillionen Suchanfragen weltweit, er wertet das Verhalten von Milliarden Menschen beim E-Mail-Schreiben aus und erforscht ihre Vorlieben bei der Fotosuche.

Im Internetgeschäft gilt Google als allmächtig und so einflussreich, dass auch die im April vor 15 Jahren gestartete News-Sparte des Unternehmens schnell zu einem beliebten Dienst wurde. Übersichtlich fasste Google hier zusammen, was es an Neuigkeiten gab, der Nutzer konnte die Suche nach seinen Vorlieben konfigurieren, zwischen einzelnen Ländern und Sprachen hin- und herschalten und sich so mit einem kurzen Blick eine Übersicht über die aktuelle Nachrichtenlage machen, ohne auf eine einzige Quelle vertrauen zu müssen.

Obwohl Google die News-Suche nie offensiv bewarb und die Zahl der Nutzer des Angebotes verglichen mit der Zahl der normalen Google-Sucher kaum ins Gewicht fiel, sorgte Google-News für Streit. Medienhäuser beschwerten sich, weil in der Voranzeige ihrer Schlagzeilen beschreibende Texte enthalten waren, die es Lesern erlaubten, sich zu informieren, ohne die Internetseiten der Original-Anbieter zu besuchen. Die Bundesregierung reagierte und goss ein neues Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Gesetzesform, das Google zwang, seine News zu überarbeiten und die „Snippets“ zu kürzen.

Die gerade vorgenommene Neugestaltung des Angebotes aber ist eine Idee, die bei Google selbst entstand. Ziel des neuen Designs der Internetseite sei es, so der Firmenblog, Nachrichten „zugänglicher“ zu machen und die Website mit einer besseren Navigation auszustatten. Die neue, klarere Gestaltung lege den Fokus auf „Fakten, verschiedene Perspektiven und verschafft Nutzern so mehr Kontrolle“.

Ein Eindruck, den die Adressaten der vermeintlichen Verbesserung augenscheinlich nicht teilen mögen. Das Echo der Nutzer auf den Umbau fällt verheerend aus, gerade für ein Unternehmen, das von sich behauptet, bei allen Entscheidungen ausschließlich Nutzerinteressen im Blick zu haben.
„Unmöglich“, „nicht nutzbar“ und „ein schlimmer Rückschritt“ lautet der Tenor der Einträge im Google-Hilfeforum. Wie hier wird auch auf anderen Diskussionsplattformen kein gutes Haar an der Neugestaltung gelassen.

Statt „mehr Kontext und mehr Einflussmöglichkeiten“ (Google) gebe es weniger Quellen, mehr toten Weißraum und null Übersicht. „Obwohl weniger Informationen dargestellt werden, wird mehr Platz gebraucht“, urteilt der deutschsprachige Googlewatch-Blog.

Google selbst hat auf die verheerenden Kritiken bislang nicht reagiert.

Freitag, 18. August 2017

Jason Isbell: Der Letzte seiner Art


Vor zehn Jahren stand Jason Isbell aus Alabama vor den Trümmern seiner Karriere mit der Band Drive-by Truckers. Heute ist er der König des Countryrock.

Den ersten Gipfel ersteigt Jason Isbell, da ist er noch keine 25. Auf alten Videos seiner Band Drive-by Truckers sieht man einen etwas aufgeschwemmten jungen Mann, der hemdsärmlig, aber zugleich mit einer betörend durchscheinenden Stimme über den alten Süden singt, der sich niemals ändern werde. Isbell, ein Arbeitersohn ohne Allüren, ist ein Star im handfesten Southern-Rock-Gewerbe, mit all den Nebengeräuschen: Whiskey. Kokain. Frauen.

Ein Männertraum, der im Chaos endet. Als sich die Band-Bassistin von ihm trennt, wird die Sauferei hart, wie er später erzählt. Manche vertragen es. Er nicht. Der begnadete Songschreiber landet im Gefängnis, die Band feuert ihn. Er macht ein Soloalbum, aber der Erfolg ist bescheiden. Erst als die Musikerin Amanda Shires in sein Leben tritt und sein Freund, der Sänger Ryan Adams, es schafft, von den Drogen wegzukommen, geht der 33-Jährige bepackt mit einer Gitarre in eine Entzugsklinik. "Das war meine Rettung", sagt er heute.

Und ein bisschen war es auch die Rettung der Countrymusik, dieses lange verlachten, zuletzt aber so gern ausgeschlachteten Multimilliardengeschäftes. Hier, wo in Deutschland kaum bekannte Künstler wie Tim McGraw, Luke Bryan und George Strait ein Millionenpublikum zählen, findet Jason Isbell ein künstlerisches Zuhause: Ein bisschen Neil Young klingt mit, ein wenig Bruce Springsteen, dazu die jüngeren Sons of Bill und Tom Petty.


Mit dem Album "Southeastern" verarbeitet er seinen Entzug, ein Seelenstriptease, der ebenso schmerzhaft wie heilsam wirkt. Der Nachfolger "Something More Than Free" etabliert Isbell, inzwischen mit Amanda Shires verheiratet und Vater einer Tochter, als die vielleicht wichtigste Stimme im alternativen Countryrock der Gegenwart. Der neue "König der Americana" steht plötzlich auf Platz 6 der offiziellen Albumcharts und sein Song "24 Frames" gewinnt gleich zwei Grammys.

Jason Isbell, längst ein ranker, schlanker Mittdreißiger mit Undercut und strenger Stirntolle, verzaubert das erwachsene Publikum der Country-Serie "Nashville" mit gesungenen Dramen zu herzerwärmenden Melodien. Und das schafft er auch auf "The Nashville Sound", seinem sechsten Solo-Album, das zugleich das dritte ist, das ohne Dope und Koks entstand. Zehn Songs, die Hälfte der Lieder rockig, die andere akustisch, viel Countryfeeling, etwas Folk und kräftige Dosen Southern Rock etwa in "Hope the high road" und "White Man's World" - Isbell zeigt in der klassischen Laufzeit von 40 Minuten alle seine überragenden Talente.

Unterstützt von seiner Band The 400 Unit, zu der nun auch Ehefrau Amanda Shires gehört, arbeitet der Mann aus Alabama sich nicht an den amerikanischen Mythen ab, sondern an einer Gegenwart aus brummender Wirtschaft und steigenden Vermögen, in der zugleich immer mehr Menschen abgehängt vom allgemeinen Wohlstand zurückbleiben.

Jason Isbell macht Hymnen daraus. "If we were vampires" ist ein Liebeslied in Gegenwart des Gedankens an den Tod. "Last of my kind" lässt einen Mann zu Wort kommen, ohne Studium, ohne Hoffnung, die Familienfarm ein Parkplatz. "Bin ich der Letzte meiner Art?", fragt er. In "Cumberland Gap" singt ein Junge aus den Appalachen darüber, wie es sich lebt, jetzt, wo niemand mehr die Kohle haben will, die Vater noch aus dem Boden geholte. "Saufen bis zum Umfallen."

Rollensongs, in denen der erklärte Trump-Gegner Isbell sich denen nähert, die anders denken als er. Country, verrufen als Klischee-Musik, gewinnt hier eine Tiefe und Klarheit, die derzeit in der gesamten Rockmusik einzigartig ist. Zum Schluss singen Isbell und Shires dann auch noch "Something to Love", ein Liebeslied an Lieder, an Musik und das eine Ding, was dir hilft, weiterzumachen, wenn alles dunkel wird.

Ein Duett, zum Weinen schön.