Freitag, 12. Januar 2018

Saudi-Arabien: Ein Bayer im Reich der Ölprinzen

Toni Riethmaier lebte zehn Jahre lang im unzugänglichsten Land der Welt - er lernte eine Gesellschaft kennen, in der die Lüge zum Alltag gehört und Gesetze nur soweit respektiert werden, dass niemand ihre Verletzung bemerkt.



Das Himalaya-Königreich Mustang gilt als schwer erreichbar, Nordkorea sogar als unzugänglich. Doch den Titel als das Land der Welt, in das Touristen überhaupt nicht vordringen können, trägt ein anderer Staat. Saudi-Arabien, das 1932 gegründete Öl-Königreich, das sich im Grunde im Privatbesitz der Familie Saud befindet, kennt keinen Tourismus, keine Touristenvisa und keine Durchreisegenehmigung für westliche Ausländer. Es ist abgekapselter als die frühere Sowjetunion, abgeschiedener als Bhutan und schwerer zu erreichen als die Sperrzone um den havarierten ukrainischen Atomreaktor von Tschernobyl.

Toni Riethmaier hat es dennoch geschafft. Der gebürtige Nürnberger wurde eines Tages gefragt, ob er nicht Lust habe, in der saudi-arabischen Hafenstadt Dschidda ein italienisches Restaurant aufzubauen. Riethmaier, ein abenteuerlustiger Gastronom, dachte nach. Und sagte schließlich zu, diese einzige Möglichkeit zu nutzen, das verschlossene Königreich kennenzulernen: Als ausländischer Arbeitnehmer, ein sogenannter Expat, der von einem saudischen Sponsor ins Land geholt, betreut und ein bisschen auch überwacht wird.

Es wird ein Trip in eine andere Welt, eine Reise, die am Ende zehn Jahre dauert und den heute 34-Jährigen zum intimen Kenner einer Gesellschaft macht, die von außen betrachtet fremd und rätselhaft, intolerant und stockkonservativ wirkt. Riethmaier, der zuvor schon in Singapur, Dubai, auf den Malediven und in China gelebt und gearbeitet hatte, erfährt das Land der Scheichs allerdings ganz anders: Saudi-Arabien, lernt er, spielt nach anderen, oft schwer verständlichen Regeln. Doch hinter der streng muslimischen Fassade und unter den Verschleierungen, die dank der wahhabistischen Staatsreligion ganz besonders kleine Sichtfenster haben, finden wilde Partys statt, wird auch Alkohol getrunken und selbst des strenge Sex-Verbot für Unverheiratete wird von jüngeren Saudis allenfalls symbolisch ernstgenommen.

Die wildesten Feten seines Lebens habe er in Saudi-Arabien erlebt, schreibt Riethmaier in seinem Buch "Inside <>", das einen pragmatischen Blick in eine fremde Kultur wirft, die zwischen Tradition und Zukunftssehnsucht schwankt. Die Macht der Sauds, ausgeübt von einem Königshaus, das seine Basis in rund 7 000 Prinzen hat, ruht auf der strengen Koranauslegung, die westliche Einflüsse strikt draußen hält. Doch im Land, das aus westlicher Sicht ununterbrochen Menschenrechte verletzt, hinrichtet, steinigt und auspeitscht, gärt es. Junge Leute wollen mehr Freiheit, Frauen wollen Autofahren, die Bevölkerung möchte ein Wort mitreden über die grundlegende Politik des Landes.

Ein wenig werden die Zügel gelockert, zumal manche Regel nach Riethmaiers Beobachtungen ohnehin nur formal eingehalten wird. Frauen dürfen nicht etwa nicht Autofahren, weil sie das nicht können, sondern weil sie eine Panne haben könnten. Dann ständen sie allein auf der Straße und ein fremder Mann könnte sich ihnen nähern - eine Katastrophe. Allerdings wohl vermeidbar, denn von fremden Autofahrern mitgenommen zuwerden - selbst von Taxen - ist im Grunde auch verboten, das Verbot aber wird umgangen, indem Fahrer und Mitfahrerin stillschweigend davon ausgehen, dass man sich kennt, weil man ja schließlich in einem Auto fährt.


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