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Donnerstag, 27. Juni 2019

Norwegen zu Fuß: Wandern unterm Nordlicht



Ein Land, das sich Zeit lässt: Norwegen fängt gerade an, wenn man glaubt, es ist zu Ende. Und dunkel wird es auch erst, wenn alle Wanderer müde sind.


Die Nummer mit dem Kaffeekessel lässt Tare Steiro schon grinsen, ehe das Wasser kocht. Dann gibt es Zirkuszauberei in der norwegischen Wildnis: Steiro, von Haus aus Naturmensch und von Berufung Wanderführer, nimmt den brodelnden Kessel vom offenen Feuer und stellt ihn sich auf die ausgestreckte Hand. Ohne eine Miene zu verziehen. Die Wandererrunde staunt nun mit offenen Mündern - bis Tare Steiro bescheiden darauf verweist, dass der urtümlich aussehende Kessel ja einen Carbonboden habe. "Wird kein bisschen heiß."

So sind sie, die Norweger hier im Städtchen Mo i Rana, weit oben am Polarkreis. Knurrige Spaßvögel, die mit kleinen Faltbechern aus Wasserfällen trinken, auch im strömenden Regen nur ein Streichholz und etwas Birkenrinde für ein Feuer brauchen und selbst im tiefsten Dickicht gelegentlich das Handy herausholen, um knarzend irgendetwas Wichtiges zu besprechen.
Die Landschaft scheint es den Menschen gleichtun zu wollen. Norwegen ist um einiges größer als die Bundesrepublik, hat aber nur 4,5 Millionen Einwohner. Die meisten von ihnen leben unten im Süden. Nach Norden zu verliert sich das Land in Einsamkeit und rings um den Polarkreis bei magischen 66 Grad und 33 Minuten erstreckt sich nur noch eine felsigen Einöde aus Steinen und Moos unter einem tiefhängenden Himmel.

Das Saltfjell, eine Hochebene auf 700 Meter, ist Anziehungspunkt für Wanderer, die das Besondere suchen, sagt Bjørnar Brændmo, Chef des Polarsirkelcenter und Herr der verlassenen Landschaft. Entlang von farbigen Markierungen an Felsen und Steinhaufen kann man stundenlang gehen, ohne auch nur aus der Ferne andere Menschen zu sehen. Mittendurch zieht sich ein spiegelglattes Asphaltband, das, führe man es immer, immer weiter, erst am Eismeer enden würde.


So weit aber muss niemand gehen, der weit weg will von Geruch und Geräusch der Zivilisation. Gleich hinter Mo i Rana, einer Kleinstadt mit fernbeheizten Gehwegen, die ihre Existenz den reichen Eisenerzvorkommen in der Gegend verdankt, beginnt der mehr als 2 000 Quadratkilometer umfassende Nationalpark. Ein Traumland für Wanderer und Weltflüchtlinge, im Sommer zu Fuß, im schneesicheren Winter auf Skiern. Wie ein feines Netz aus Spinnfäden durchziehen Pfade die Provinz Helgeland -mal sind es schmale Trampelpfade, die über kahle Hochebenen und schaukelnde Brücken führen, mal sind es zweispurige Wege, die an die Zeit erinnern, als Waren und Menschen mühevoll mit Pferd und Wagen Richtung Norden zogen.

Immer aber taucht irgendwann eine Hütte auf, einfach gezimmert aus rot oder grau bemalten Brettern, aber sauber und aufgeräumt. Wer unterwegs nicht zelten will, obwohl das nach dem in Norwegen immer noch geltenden Jedermannsrecht aus dem Mittelalter jedem jederzeit und überall erlaubt ist, holt sich vor dem Abmarsch in die Natur im Touristenbüro die Schlüssel. Und übernachtet zum Preis eines Hotelfrühstücks bequem hier, im Schatten schneebedeckter Berggipfel.


Norweger tun das dauernd. "Fast jeder hier hat eine eigene Hütte irgendwo in den Bergen oder am Meer", beschreibt Tare Steiro. Am Wochenende ziehen ganze Familien und Freundeskreise los, im Gepäck die bräunliche Karamell-Käsespezialität Geitost, Brot und ein -wegen der exorbitant hohen Preise im Land am liebsten selbstgebranntes -Fläschchen mit Hochprozentigem. Dann werden ein paar Fische aus einem Fjord oder einem Bach gezogen, Pilze und Beeren gesammelt, das Lagerfeuer wird angezündet und gemeinsam begangen, was Steiro schlicht "Zusammensein" nennt - zu gut deutsch eine Party ohne Geburtstagskind, Kassettenrecorder und erboste Nachbarschaft.

Am nächsten Morgen wartet Kapitän Albert auf seiner "Sibilla" im Mjelfjord, um die Wanderer an den Fuß des gewaltigen Svartisen-Gletschers zu fahren. Wie auf einen Gemälde von Edvard Munch ragen die Berge schroff in einen düsteren Nordseehimmel, eine fahle Sonne spiegelt sich im eisgrauen Wasser. Ein putziges Rudel Robben rutscht spritzend hinein. Über ihm kreisen drei, vier riesige Seeadler.

Der Svartisen, zu deutsch Schwarzeis-Gletscher, ist mit einer Fläche von der Größe der Städte Halle und Leipzig der zweitgrößte Gletscher Norwegens. An einigen Stellen reichen seine Eisnasen bis beinahe hinunter ans Wasser. In einer Stunde wandert man vom Ufer hinauf, über Geröll und spärliches Gras. Auch vom Inland lässt sich der Svartisen-Gletscher besteigen -nördlich von Mo i Rana führt eine Straße zum Gletschersee Svartisvannet, nach einer schnellen Überfahrt und kurzem Fußmarsch steht man am Rand des Eisgebirges und erlebt, wie sich gewaltige Eisblöcke lösen, in den See stürzen und Flutwellen erzeugen.

Überall ist die Natur hier ohne die gebügelte Freundlichkeit deutscher Laubwälder. Der Wind ist scharf, die Sonne bleich am Saltstraumen, dem größten und mächtigsten Malstrom der Welt. Seine Urgewalt kann man auch beim Blick von der schmalen Brücke erahnen, die ihn wie ein Hochseil überspannt. Hier, etwa 30 Kilometer vom Hafenstädtchen Bodø, quetschen sich zum Gezeitenwechsel 400 Millionen Kubikmeter Wasser durch eine zwei Kilometer lange Felskanüle zwischen den Inseln Straumen und Straumøy.

Viel zu viel für den nur 150 Meter schmalen Sund, der deshalb viermal am Tag Schauplatz atemberaubender Kämpfe ist. Grünes Wasser verschlingt tosend blaues, Strudel brausen wie Düsenjäger auf, Gischt zischt und wird in die Tiefe gesogen. Nebenan am Ufer steht regungslos ein Angler. "Wir haben jede Menge fabelhafte Lachse hier", nickt Tare Steiro.

www.arctic-circle.no
www.visitnorway.de

Samstag, 27. Oktober 2018

Paddeltour durch Schweden: Blauer wird es nicht


Die Wolken hängen niedrig über dem Lelang-See, das Wasser ist spiegelglatt und ruhig und der Wind endlich eingeschlafen. Das Kanu läuft wie von selbst über den ersten einer ganzen Kette von kleinen und größeren Seen, die sich südlich von Lennartsfors zur schönsten Paddellandschaft Schwedens verbinden. Etwas Geschick erfordert es, den Rufknopf an der Schleuse zu finden, über die es vom Foxen, an dem das Scandtrack-Camp Höglund liegt, hinüber zum nächsten See geht. Doch die Fahrt durch das stellenweise kaum zwei Meter breite Schleusenwasser lässt die mühsame Suche vergessen. Drei Staustufen hat die Schleuse, ein erstes Abendteuer.

Durchs blaueste Blau unter blauem Himmel ziehen die Boote danach weiter über den See, das Wasser ist tief, die Ufer sind grün, die Möwen kreischen. Dann öffnet sich der Blick durch einen Engpass auf zwei kleine Inseln: Die Sonne strahlt über blauem Wasser, Enten umkreisen die Kanus, Fische springen und ein paar Paddelschläge entfernt wartet ein Biwakplatz.


Das Stückchen Wiese gehört ganz der Gruppe. Bauen Paddler ihre Zelte auf, fahren die meisten anderen Paddler vorüber. Es gibt genug Biwakplätze für alle. Wie weit weg die Welt ist, von hier aus gesehen, zeigt die Reaktion von einem vorüberpaddelnden Paar aus Schweden: Halle? Nein, nie gehört. Leipzig? Nein, kenne er nicht. Berlin? Tut ihm auch leid, unbekannt. Noch ein paar Tipps zur besten Angelstelle am Ufer und nein, der Brukshandel im Dorf hat leider zugemacht. Zum Glück ist in den Verpflegungstonnen von Scantrack Essen für eine Armee.


Es ist die große Entschleunigung, die sich beim Wasserwandern auf dem schwedischen Lelang wie von selbst einstellt. Selbst in der Hochsaison sind die Seen leer, kaum ein Mensch begegnet den Paddlern, dafür aber Wildvögel im Dutzend. Das riesige Gebiet in Mittelschweden präsentiert sich in üppigem Grün, wie ein letzter Urwald, wie aus der Zeit gefallen unter malerischen Sonneuntergängen, die jeden Abend neu und immer anders daherkommen.

Die Fahrt mit dem Bus hat 17 Stunden gedauert. Doch dafür entschädigen die Tage auf dem glasklaren Wasser und die Nächte an aufgeräumten Biwakplätzen, auf denen sich immer genug Holz für ein Lagerfeuer findet. Rund 90 Kilometer lang ist die Paddelroute, die wir zurücklegen, einmal von Lennartsfors über Gustavsfors bis nach Värwik und zurück. Wir sehen Kirchen und Lachsfarmen, schmale Känale und breite Seen, trotzen Gegenwind und Sonne und lassen uns treiben, als gäbe es nichts anderes mehr.

Reisebericht Paddeltour Masuren

Dienstag, 13. August 2013

Paddeln auf der Drawa

Viel schöner geht es nicht. Das Flüsschen liegt flüsternd im Sonnenlicht, die Kanus sind pünktlich, das Schilf wiegt sich in einem Hauch von Wind. Nicht zu heiß und nicht zu kalt, also ab ins Abenteuer, rauf auf die Drawa, im Gegensatz zur Krutynia, die ein paar hundert Kilometer östlich durch die Masuren fließt, ein ebenso nahe liegendes wie vielen Deutschen noch unbekanntes polnisches Paddelgewässer. Nur rund 90 Kilometer hinter der Grenze liegt der zumeist schmale Fluss, der an der Pommerschen Seenplatte entspringt, 186 Kilometer nach Süden fließt und dann bei Krzyz Wielkopolski in die Netze mündet. Papst Johannes Paul II. war ein großer Liebhaber des Wassersportgebietes - als junger Mann unternahm Karol Wojtyla mehrere ausgedehnte Touren, an die heute überall Hinweisschilder und Kreuze erinnern. In flotter Strömung Das eigentlich Sehenswerte auf der Drawa aber ist die Natur. Wird das Landschaftsbild hinter der Brücke von Prostynia, die viele Paddelgruppen zum Einsetzen nutzen, noch von weiten Schilfflächen bestimmt, verengt sich der Horizont später immer mehr. Es wird waldiger, grüner und feuchter. Dank der flotten Strömung, die der auf deutsch Drage genannte Wasserlauf seinem sportlichen Gefälle verdankt, treiben die Boote fast wie von selbst flussabwärts. In Schweiß gerät niemand, dennoch geht es flott voran. Zumindest bis nach Drawno, ehemals Dramburg, das am Großen Lübbesee dem Zugang zum Drawienski-Nationalpark liegt. Der schützt den letzten großen Urwald Mitteleuropas - und wie. Was bis hierhin Urlaubspaddeln war, nicht schwerer als am Strand zu liegen, wird hinter dem Eingangstor, das eine alte Brückenkonstruktion markiert, binnen Minuten zu Schwerstarbeit. Denn die Drawa will nicht befahren werden, schon gar nicht mit schweren Dreier-Kanus. Die Behauptung des Reiseführers, "immer wieder" lägen "einige Bäume im Wasser", stellt sich binnen kürzester Zeit als leeres Versprechen heraus. Richtig muss es natürlich heißen "immer liegen Bäume nicht nur im Wasser, sondern auch im Weg". So schnell wie möglich gilt es deshalb herauszufinden, wie das jeweilige Hindernis zu überwinden sein könnte. Manchmal geht es gerade noch unten drunter durch. Manchmal gelingt es, mit Anlauf oben darüber hinweg zu rutschen. Oft aber hilft alles nichts: Die nun zeitweise beinahe an einen Wildwasserkanal erinnernde Strömung drückt das Boot so energisch gegen einen querliegenden Stamm, dass Besatzung samt Ladung im Wasser landen. Jeder Meter ist ein Kampf Was für ein Spaß. Und es gibt kein Zurück. Die Drawa fließt in den Grenzen des Nationalparkes zumeist durch ein tiefeingeschnittenes Tal, selbst das Herausheben und Umtragen der Boote ist unmöglich. Allerdings wäre die Frage, wo am besten wieder einzusetzen ist, ohnehin nicht zu beantworten. Weil im Nationalparkgebiet jeder Baum liegenbleibt, wo er hinfällt, sieht der Paddler gelegentlich den Fluss vor lauter Bäumen nicht. Jeder Meter ist ein Kampf, zu Fuß im Fluss watend, auf Bäumen balancierend oder flach im Boot unter natürlichen Sperren durchtreibend. Karol Wojtyla wusste schon, warum er dem Oberlauf der Drawa bei seinen Touren den Vorzug gab. Denn wer Abenteuer sucht, findet hier am Unterlauf mehr davon, als er einpacken kann. Sieben Kilometer dauern fünf Stunden und kosten viel Hängen und Würgen und nasse Klamotten. Dann endlich taucht die Anlegestelle des idyllischen Biwakplatzes Barnimie auf. Erst ab Bogdanka wird der Weg einfacher, die Drawa liegt flüsternd im Sonnenlicht, als sei sie der netteste Fluss der Welt. Im Wald verstecken sich nun Teile des Pommernwalls, mit dem Hitler einst die Sowjetarmee aufhalten wollte. Hin und wieder gibt es auch wieder Einkaufsgelegenheiten am Wasser. Höchste Zeit, die fortgeschwommenen Vorräte aufzufrischen.