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Mittwoch, 20. September 2017

Bundestagswahlkampf: Parolen am Rande der Wählerbeleidigung

Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird Karamba Diaby am Ende sein Mandat verloren haben. Der Hallenser, der vor vier Jahren als erster schwarzer Bundestagsabgeordneter deutschlandweit Schlagzeilen machte, zahlt damit die Rechnung für einen SPD-Wahlkampf, der vom ersten Tag an unter keinem guten Stern stand. Katrin Budde, die Verliererin der Landtagswahl von 2016, bekam den zweiten Platz auf der Landesliste der SPD zugewiesen, augenscheinlich aus Dankbarkeit dafür, dass sie nach dem Wahldesaster vom März relativ schnell und still Platz für einen unvorbelasteten Nachfolger gemacht hatte.

Karamba Diaby aber kämpfte nicht einmal um Platz 2, der angesichts der Wahlergebnisse auch nur halbe Sicherheit für einen Wiedereinzug ins Parlament versprach. Stattdessen Parteidisziplin, weiter so, einfach mal hoffen.

Eine Strategie, mit der alle Bundestagsparteien am kommenden Sonntag noch einmal durchs Ziel gehen zu können hoffen. Als hätten sie alle vergessen, welchen fürchterlichen Denkzettel ihnen Sachsen-Anhalts Wähler vor anderthalb Jahren ausgestellt hatten, setzen sie durchweg erneut auf eine fast schon beleidigende Arroganz, für die ihre Wahlplakate exemplarisch stehen. "Erfolgreich", "sozial", "gerecht", "links, was sonst", "Kinder", "Zukunft, Fortschritt", "Kohle oder Klima", "es ist Zeit" und "Karamba", so und ähnlich steht es überall zu lesen.

Parolen am Rande der Wählerbeleidigung, nicht nur inhaltsleer, sondern peinlich bemüht, so etwas wie Inhalte gar nicht erst anzudeuten. Die Linke etwa plakatiert "Kinder vor Armut schützen", sagt aber nicht wie. Die FDP beklagt "Nichtstun ist kein Wirtschaftskonzept", verrät ihres aber auch nicht. Die Grünen ahnen: "Integration muss man umsetzen, nicht aussitzen". Die CDU in Halle schickt einen Christoph Bernstiel "für Sie in den Bundestag". Nicht, um dort irgendeine bestimmte Politik zu machen. Bei der SPD prangt Martin Schulz auf den Plakaten, die Zeile dazu lautet einfach nur "Martin Schulz". Die MLPD behauptet "Widerstand ist links". Und bildet dazu eine rechte Faust ab.


Es wirkt, als würden alle gerade so noch das tun, was sie tun, weil sie es eben tun müssen. Es gibt keine Leidenschaft, keinen Esprit, keine Überraschungen auf den Pappträgern, die für die meisten Wähler das einzig sichtbare Vorzeichen der Bundestagswahl sind. Was sie sehen, sind zwei-, drei- oder höchstens vierfarbige Plattitüden, ganze Straßenzüge tapeziert mit erdrückender Gedankenarmut und gestalterischer Einfalt. Überall prangen Schlagworte wie "Respekt", "Nähe", "Klima",  "Frieden" und Kinder", dazu gesellen sich austauschbare Slogans wie "der Treibstoff der Zukunft ist Mut" (FDP), "die Zukunft, für die wir kämpfen" (Linke), "die Zukunft braucht Ideen und einen, der sie durchsetzt" (SPD), "die Zukunft wird aus Mut gemacht" (Bündnis 90 Grüne) und "für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben" (CDU). In der Zukunft natürlich.

Vielleicht weil es sonst keiner tut, bescheinigt sich die linke Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht einfach selbst "Glaubwürdigkeit". Der FDP-Spitzenkandidat, stylisch ins Bild gesetzt von Rammstein-Fotograf und Eagles-Videoregisseur Olaf Heine, verspricht "digital first". Die AfD zitiert den Gregor Gysi von 1994: Wähln Sie uns. Traun Sie sich. Sieht ja keiner.

Geht überhaupt mehr weniger Inhalt? Die CDU zitiert das "Respekt" von den Linken-Plakaten und plakatiert auch "Respekt". Die AfD zitiert das "Kinder" der Linken.  Die SPD hält mit "Mehr Gerechtigkeit" dagegen. Den Begriff, den die Linke nach eigenen Angaben "glaubwürdig" verkörpert. Die CDU zeigt eine kaum noch wiedererkennbare Photoshop-Bearbeitung des Gesichtes der Kanzlerin. "Erfolgreich für Deutschland" steht daneben.

Es ist wie in dem Kinderspiel mit dem Gruselgesang. "Dreh' dich nicht um, denn der Plumpsack geht um! Wer sich umdreht oder lacht, kriegt den Buckel schwarz gemacht." Nur dass hier nicht der Plumpsack umgeht, sondern der alte Elefant von der Landtagswahl, von dem immer noch nicht gesprochen und dem auf Wahlplakaten schon gar nicht widersprochen werden darf.

Ganze Straßenzüge liegen so unter dem Parolengewitter einer einzigen Partei. Die will "Grenzen schützen", "keinen Familiennachzug", "keine Eurorettung um jeden Preis", "mehr Polizei", einen Stopp von Schulschließungen, Bikinis statt Burkas und zwei Dutzend anderer Sachen. Konkret. Einfach. Unmissverständlich. Unverwechselbar.

Und niemand stellt sich den Populisten, niemand widerspricht den einfachen Botschaften und versucht wenigstens, den Plumpsack zu entzaubern. Es wird schon noch mal so gehen. Ein blaues Auge lässt sich doch ertragen. Das vom letzten Jahr ist ja schon fast verheilt.




Dienstag, 12. September 2017

Wahlkampf 2017: Das große Missverständnis



Unten die SPD-Anhänger mit ihren "Jetzt-wirds-Schulz"-Pappen. Daneben die Wutbürger unter Plakaten, auf denen Thälmann zu sehen ist, von dem behauptet wird, er würde AfD wählen. Herbst 2017, Wahlkampf in Heutschland, der Außenminister im blauen Hemd und ohne Krawatte vor einem Publikum, das nicht einfach nur gespalten, sondern gedrittelt ist. Hier die Fans. Dort die Neutralen. Und ganz laut die Protestler, die keinen Auftritt eines Politikers der "Altparteien" auslassen. Aber in Halle in diesem Wahljahr im Grunde genommen nur Sigmar Gabriel bekommen.

Der ehemalige SPD-Chef, im Amt des Außenminister zu einer schlanken Ausgabe seiner selbst geschrumpft, die elder statesman-mäßige Souveränität ausstrahlt, macht es seinen Gegnern leicht, in ihm einen der verhassten abgehobenen Durchreisenden aus der Berliner Republik zu sehen. Ins Pfeifen und "Arbeiterverräter"-Rufen hinein belehrt der studierte Lehrer ersteinmal über Thälmann, den Nahverkehrsstreik in Preussen und die Kumpanei zwischen KPD und NSDAP, der seine Partei, seinerzeit "die letzte demokratische" (Gabriel) zum Opfer fiel.

Das kommt gut an, selbst bei den alten Genossen direkt vor der Bühne, die einst stolz das rote Halstuch trugen und nun erfahren, dass Thälmann nicht gewesen ist, was man ihnen zeitlebens erzählt hat. Besser kann eine Rede, die zur Wahl der SPD auffordert, gar nicht anfangen. Zumal Sigmar Gabriel auch nicht den Fehler von Angela Merkel macht und denen, die vor der Bühne schreien, seine Meinung vorenthält. Ganz im Gegenteil.

Der höchste Diplomat Deutschlands ist heute als Kämpfer hier, ein Kerl, der klare Kante zeigt, wo es nach Lage der Dinge außerhalb der Landesliste seiner Partei sowieso nichts zu gewinnen gibt. "Sie können schreien, so viel Sie wollen", teilt er nach unten mit, "das Mikro ist immer lauter als ihr Pfeiffen." Er könne auch länger reden als andere schreien. "Wenn Sie wirklich glauben, dass mich das stört, dann kennen Sie mich schlecht." Er habe "mehr Luft als Sie - Sie haben allerdings mehr Luft in dem was Sie sagen."

Ein Moment, in dem das Missverständnis offenbar wird, das in diesen Tagen zwischen Regierten und Regierenden herrscht: Keiner mag zuhören. Jeder ist der Meinung, am Ende reiche es völlig, den anderen niedergebrüllt oder per Verstärkeranlage zum Schweigen gebracht zu haben. Meinungsstreit per Lungenvolumen. "Arbeiterverräter", ruft es unten. "Ich hoffe, Sie gehen wenigstens arbeiten", sagt Gabriel.

Es gewinnt, wer länger durchhält, nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen: Am Rande der Veranstaltung pöbeln Links und Rechts einander an, dass es fast schon nach Weimar riecht. Zum Selbstschutz filmen sich dabei stets beide Seiten, was zu neuen Pflaumereien führt, weil keine der beiden Seiten von der anderen gefilmt werden will.

Oh, Deutschland. "Wir stehen ja auch hier, damit Sie da unten protestieren können", sagt Sigmar Gabriel, ehe er warnt, dass das in einer Gesellschaft, "die diese Leute wollen", nicht mehr möglich sein werde. Zaghafter Applaus und dann "kommen wir mal zu dem, was uns beschäftigt". Das ist eine Wahlkampfrede im Plauderton, weiter dauerhaft überlagert von Pfeifen und Geschrei.

Nach einer halben Stunde verwarnt die Polizei einen besonders hartnäckig brüllenden Protestierer. Eine Minute später wird er von fünf Beamten davongetragen. Sigmar Gabriel stutzt und stoppt. Er könnte jetzt einen Punkt machen, wenn er fragen würde: "Halt, wo bringen Sie den Mann hin?" Und noch mal in Erinnerung brächte: "Wir stehen ja auch hier, damit Sie da unten protestieren können".

Doch stattdessen sagt Sigmar Gabriel: "Die Polizei wird wissen, was er gemacht hat". Und: "Sowas kommt von sowas".

SpiegelTV über ostdeutsche Wutbürger



Dienstag, 31. Januar 2017

Katrin kandidiert: Flügelschlag einer lahmen Ende

Ende und Anfang: Die letzte Schlagzeile mit Katrin Budde - und ihr Comeback.
Als Wahlkampf war es kaum zu bezeichnen, was SPD-Landeschefin Katrin Budde vor einem Jahr ablieferte. Null Öffentlichkeitsarbeit, kein Internetwahlkampf, dazu vor allem fehlende Inhalte und falsche Schwerpunkte.

Für die SPD führte die Landtagswahl erwartungsgemäß ins komplette Desaster. Nie zuvor wurde die sozialdemokratische Partei so abgestraft. Mit unter zehn Prozent der Stimmen lag die Partei, die noch vor einigen Jahren den Ministerpräsidenten stellte, in einem Bereich, in dem der nächste Schub nach unten die Existenz bedroht.

Katrin Budde, vorher noch siegesgewisse Spitzenkandidatin, hielt trotzdem noch ein paar Tage tapfer an ihrem Posten fest. Warum, das lässt sich inzwischen vermuten: Die Diplom-Ingenieurin aus Magdeburg handelte als Abfindung das Versprechen ein, einen der mutmaßlich nur zwei sicheren Listenplätze der SPD für den nächsten Bundestag zugesprochen zu bekommen.

Den hat Katrin Budde jetzt mit Platz 2 der Landesliste überreicht bekommen. Dazu muss man wissen: Karamba Diaby aus Halle hatte es bei der letzten Bundestagswahl nur mit Ach und Krach ins Parlament geschafft, weil wegen des schlechten Wahlergebnisses nur vier Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt über die Landesliste in den Bundestag einzogen.

Schneidet die SPD im Herbst nun  so ähnlich ab wie im März letzten Jahres bei der Landtagswahl, wäre die Bundestagskarriere von Diaby, der hinter Budde Platz 3 der Landesliste belegt, nach einer Legislaturperiode schon wieder zu Ende. Im Bundestag säße dann für die Sachsen-Anhalt-SPD neben Landeschef Lischka allenfalls noch jene Katrin Budde, deren politisches Wirken seit ihrem Rücktritt vom Landesvorsitz und vom Chefposten der Landtagsfraktion an das eines Ruheständlers erinnert.

Budde lässt auf ihrer Homepage schweigen und sie schweigt bei Twitter, sie hat ihre Facebook-Seite gelöscht und auf dem verbliebenen privaten Rest nie wieder etwas geschrieben. Budde, die Magdeburgerin, die in ihrem neuen Wahlkreis Mansfelder Land - 80 Kilometer entfernt - von nicht einmal vier Dutzend SPD-Mitgliedern nominiert wurde, hat öffentlich nie mehr von sich hören gemacht. Sie ist im Landtag mit einer einzigen Kleinen Anfrage aufgefallen und auch ihr letztes Lebenszeichen auf der Landtagshomepage stammt von irgendwann vor der verlorenen Landtagswahl.

Wie kann das gehen? Wie kann eine Partei, die sich anschickt, mit Martin Schulz große Ansprüche anzumelden, jemanden zum Spitzenkandidaten machen, der offenkundig längst seinen Abschied aus der aktiven Politik genommen hat? Gibt es eine Rückkehr? Mit welcher Botschaft?

Noch hat der Wahlkampf nicht begonnen, da hat die SPD schon ein ernstes Kandidatenproblem.

Die SPD im Archiv: Das System Magdeburg




Freitag, 7. Oktober 2016

Trump: Annäherung an eine Schreckensfigur

Michael D’Antonio schreibt über den Mann, der US-Präsident werden will. Seinem Buch Die Wahrheit über Donald Trump ist allerdings deutlich die Antipathie des Autor anzumerken: Trump wird hier zum miesen, fiesen Unmenschen. Ein Konzept, das dem Erfolg des Buches helfen dürfte.

Er kam als sonderbare Witzfigur, ein komischer, greller Mann mit Helge-Schneider-Gedächtnisschopf, der große Töne spuckte. Doch in Kürze könnte Donald Trump trotzdem Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein: Letzte Meinungsumfragen sehen den Kandidaten der Republikanischen Partei fast gleichauf mit Hillary Clinton, seiner demokratischen Konkurrentin. Trump wäre die erste Witzfigur im Weißen Haus, zumindest wenn man den weitgehend übereinstimmenden Berichten in verschiedenen Medien glaubt.

Wie konnte es so weit kommen? Was ist es, das den groben, lauten 70-Jährigen zumindest bei einem Teil der Amerikaner so populär macht, dass er binnen eines Jahres vom krassen und belächelten Außenseiter zum ernsthaften Kandidaten auf das mächtigste Amt der Welt wurde?

Michael D’Antonio, erfahrener Autor historischer Sachbücher etwa zu den Skandalen der katholischen Kirche oder zur US-Atomrüstung, wollte es anfangs gemeinsam mit Donald Trump herausbekommen. Damals, als noch niemand glaubte, dass es Trump so weit bringen könnte.

Der frühere Journalist traf sich mit dem Milliardär, man beschnupperte sich, rieb sich aneinander. Und Trump sagte ihm korrekt voraus: Ehe wir fertig sind, werde ich sie verklagen. So kam es, denn Trump gefiel nicht, was D’Antonio schrieb. Und so kommt es nun, dass D’Antonios Buch - im Original „Nie genug“ überschrieben - in der deutschen Übersetzung nun „Die ganze Wahrheit über Donald Trump“ heißen kann.

Es ist ein Fleißwerk, das der Amerikaner, der auf Long Island lebt, da geschrieben hat. Detailverliebt bohrt er sich in die Trumpsche Familiengeschichte, er beleuchtet die Geschäfte von Opa und Vater und zeigt, wie und wo Junior Donald seine Grundeinstellungen erworben hat, die Kritiker mal „menschenfeindlich“, mal „erzkonservativ“ oder der Einfachheit halber gleich „irre“ und „wahnsinnig“ nennen. Welche Absichten und Ansichten das genau sind, bleibt meist verborgen. Ein paar Stichworte, knappe Zitate, fertig ist der Alptraumkandidat.

Was steckt aber nun tatsächlich hinter dem überraschenden Erfolg des zweifellos egozentrischen Milliardärs? D'Antonio zufolge sind es Wettbewerb und Ehrgeiz, die Trump antreiben. Der Mann will gewinnen, immer und überall und er sagt das laut. Eine Strategie, die im traditionell erfolgsneidischen Deutschland eher auf Ablehnung, in den mit Tellerwäscher-Stories großgewordenen USA aber für Achtung sorgt.

Trump ist ein Sonderfall. Der Sohn eines Baulöwen gilt dem Biografen als „extremes Beispiel für Obsession, Aggression und Unsicherheit“. Die überspiele er durch Schamlosigkeit, sei im Gespräch aber auch „schlagfertig, charmant und witzig“. Dass der „begnadete Provokateur“ mit seiner Kandidatur erfolgreich sein würde, verdanke sich weniger der Persönlichkeit Trumps als vielmehr seinem Gespür dafür, dass es gelingen könne, „Sorgen und Zorn verunsicherter Menschen auszunutzen, denen ein politisches System suspekt war, das von Menschen dominiert wurde, die den Parteien riesige Wahlkampfspenden zukommen ließen“.

Donald Trump gehört zweifellos selbst zu diesen System. Doch das auch von seinen Gegnern gepflegte Bild des Milliardärs mit der Moppfrisur als rücksichtslosem Querschläger hilft ihm bei der Selbstinszenierung als Rebell gegen das Establishment.

In Wirklichkeit, glaubt Michael D’Antonio, sei Trump nur eines: ein Narzisst, der es liebt, sich selbst im Spiegel der Öffentlichkeit zu bewundern. Ein Urteil, das einer Verurteilung nahekommt.

Freitag, 11. März 2016

Wahlserie: Das wird das Endergebnis


Den letzten Alarm schlägt gerade das ZDF-Politbarometer: In Sachsen-Anhalt führt die CDU die finale Umfrage vor der Landtagswahl mit 32 Prozent an, die Linke kommt auf 21 Prozent, die SPD nur noch auf 14 Prozent und die AfD wird mit 18 Prozent der Stimmen sofort drittstärkste Kraft im Magdeburger Landtag.

Allerdings: In der Vergangenheit lagen die Demoskopen mit ihren Voraussagen stets mehr daneben als richtig. Die Abweichungen der Vorhersagen von Infratest Dimap und der Forschungsgruppe Wahlen summierten sich bei der letzten Landtagswahl über alle sechs größeren Parteien auf 7,2 (Infratest) beziehungsweise 8,2 Prozent. Während die beiden für ARD und ZDf tätigen Institute bei der CDU mit nur einem halben Prozent Abweichung noch nahe am Endergebnis lagen, schafften sie bei der SPD übereinstimmend eine Differenz von 2,5 Prozent. Bei einer Vorhersage von 24 Prozent kam die SPD letztlich nur auf 21,5, sie war vorher offenbar weit überschätzt worden.

Fast so groß war die Differenz auch bei der Linke. Die sahen beide Institute zu vor bei 25 (Infratest) und 24 Prozent. Es waren dann 23,7 .

Ein Muster, das nicht neu ist. Schon 2006 stimmten Vorhersagen und Endergebnis bei der CDU nahezu überein: 36 und 37 Prozent waren vorgesagt, 36,2 Prozent wurden es. Bei der SPD dagegen dasselbe Problem wie 2011: Vorhergesagt waren 25 und 23 Prozent. Es wurden nur 21,4. Bei der Linken damals andersherum: Vorgesagt 22 und 23 Prozent, am Ende aber entfielen 24,1 Prozent auf die damalige PDS.

Und auch bei der Landtagswahl 2002 sieht es so ähnlich aus, erweitert allerdings um die CDU, die seinerzeit ganz entschieden unterschätzt wurde. 34 und 32 Prozent sagten die Umfragen voraus. 37,3 Prozent wählten die Union. Bei der SPD genauso: 24 und 25 Prozent sollten es werden. Schmale 20 Prozent wurden es. Die Linke hingegen wurde auch damals schon unterschätzt. Ihre vorhergesagten 22 bzw. 23 Prozent kletterten am Wahlabend auf 24,1.

Für den kommenden Sonntag sind das keine guten Nachrichten für die SPD. Streuen die Vorhersagen wieder in dieselbe Richtung wie meist, landet die CDU tatsächlich bei 31 bis 33 Prozent, die einst so stolze Arbeiterpartei aber könnte statt der zumindest noch sicher geglaubten 14 bis 17 Prozent auch bei nur zwölf Prozent landen. Die Linke hat ihr Umfragepotential zuletzt immer übertroffen, hat also wohl 21 Prozent sicher, mit Tendenz Richtung 22 Prozent.

Bei den kleineren Parteien, denen die Institute derzeit fünf Prozent vorhersagen, sind die Abweichungen zwischen Umfragen und Endergebnissen traditionell nicht größer, aber prozentual bedeutsamer. Die FDP hatte 2002 10 und neun Prozent vorhergesagt bekommen, landeten aber bei 13,3 Prozent. 2006 steigerte sie ihre sechs Prozent aus den Umfragen auf 6,7 am Wahlabend. Die Grünen legten 2002 eine Punktlandung hin - aus 2 und 2 Prozent wurden 2 Prozent an der Urne. 2006 wurden aus 4 und 4 Prozent 3,6.

Geht es danach, ist die FDP mit ihren fünf vorhergesagten Prozent eher drin, die Grünen dagegen wären mit ihren fünf Prozent künftig eher draußen.

Genau weiß man das aber natürlich erst, wenn am Sonntag der 18-Uhr-Gong ertönt.

Donnerstag, 10. März 2016

Wahlserie AfD: Ein Plüschbär auf Siegeszug


Im Sommer vergangenen Jahres war das Schreckgespenst tot. Die AfD in Sachsen-Anhalt war ein tief zerstrittener Torso aus Liberalen und Rechten, Machtgierigen und Naiven, die einander bei Versammlungen gegenseitig aussperrten, sich vor Gericht zerrten, einander im Internet schmähten, Gruppen bildeten und Allianzen schmiedeten. Alle in der AfD misstrauen einander und sie sprachen über die jeweilige Gegenseite schlimmer als über das, was im Parteisprech "Altparteien" genannt wird. Eine ehemals legitim scheinende Idee stand vor dem Ende, ausgezehrt und in Kleinkriegen zerrissen.

Dann aber kam der Flüchtlingszustrom. Und allerorten das Gefühl auf, die großen Parteien seien nicht eben daran interessiert, das Thema öffentlich mit ihren Wählern zu diskutieren. Die in Talkshows vielbeschworene größte Herausforderung der letzten Jahre wurde zu einer Verwaltungsaufgabe. Und plötzlich lief es für die AfD, als hätte sie diese Krise eigens aus Wahlkampfzwecken bestellt.

Viel mehr ist seitdem nicht passiert. Alle anderen Parteien versuchen, den Elefanten im Zimmer tunlichst zu ignorieren. Die AfD reitet ihn. Die anderen Wahlkämpfer suchen den Windschatten oder sie wollen wenigstens den Schwanz zu fassen bekommen. Und in den Umfragen triumphiert das Original, seinem inneren Zustand nach eine Resterampe der Enttäuschten und Empörten, aber aufrecht im Gegenwind, weil der jeden Start erleichtert.

Alle Arten, die selbsternannte neue Kraft zu bekämpfen, sind vorerst gescheitert. Das Ignorieren hat nicht geklappt, das Denunzieren ebensowenig. In der Phase der Demaskierung der AfD – personell voller Leichtgewichte, inhaltlich voller Obrigkeitsstaat – glaubt schon kein Wähler mehr, dass es noch darauf ankommt.

Die AfD wird nicht wegen ihrer Inhalte gewählt werden, sondern trotz. Nicht wegen ihres Personals, sondern völlig unabhängig davon. Die Parteispitze hätte statt des Burgenländers André Poggenburg vermutlich einen Plüschbären als Spitzenkandidaten nominieren können, und die Umfragewerte wären nicht viel niedriger. Das Programm könnte ein Bierdeckel mit dem Wort „Nein“ sein und es schadete nicht.

Die Kraft dieser Partei liegt einzig in der komatösen Schwäche der rund um den unbekannten, zusehends scheuer werdenden Wähler herumtaktierenden anderen Parteien: Deren Sowohlalsauch treibt traditionelle Wähler der Linken genauso wie SPDler und CDU-Anhänger erst in den Zweifel. Und dann in die Versuchung, ein Signal an die Etablierten zu senden: So nicht!

Es wird nicht ankommen, und das, nicht der Parlamentseinzug der AfD, ist das einzig wirklich besorgniserregende an der Situation. Wenn ein Land durchgeschüttelt wird vom Zuspruch zu einer Partei, die weder eine Idee noch einen Plan noch wenigstens charismatische, glaubwürdige Figuren an der Spitze hat, dann steht es schlecht um die gesellschaftlichen Verhältnisse.


Bisherige Teile der Wahlserie:

FDP: Waschen, ohne nass zu werden
Grüne: Sie reden wieder vom Wetter
Linke: Und immer reicht es nicht
CDU: Ich bin euer Herbergsvater
SPD: Wahl ohne Kampf

Mittwoch, 9. März 2016

Wahlserie Grüne: Sie reden wieder vom Wetter


Grünen-Chef Özdemir erinnert sich gut an den grünen Wahlkampf 1990. "Alle reden von Deutschland, wir reden vom Wetter", plakatierte seine Partei damals. Die Wähler bestraften so viel Ignoranz mit Abstinenz, die Grünen flogen aus dem Bundestag.

Zeichen an der Wand, 26 Jahre später. Alle reden von Flüchtlingen, von Obergrenzen, von Integration. Die Grünen aber plakatieren stur ein Schwein, ein Rind und eine Biene unter dem Slogan "Grün für Mutter Natur". Im Internet lobt sich die Partei dafür, im Landtag Debatten über besseren Klima- und Naturschutz" angestoßen zu haben. Zudem habe man "die quälerischen Bedingungen in der industriellen Tierhaltung zum Thema gemacht und Debatten über Qualität in der Bildung energisch vorangetrieben".

Brennende Themen, von denen nur unklar ist, ob sie die Wählerinnen und Wähler entzünden werden und die sie noch rechtzeitig als ihre entdecken, um der in Sachsen-Anhalt stets an der Fünfprozenthürde wackelnden Ökopartei eine Verlängerung im Landtag zu bewilligen. Daneben haben die Grünen nur noch im Angebot, wogegen sie sind: "Grün gegen TTIP" und "Grün gegen Nazis". Man muss die Grünen deshalb aber nicht wählen. Man sich auch für zehn Euro ein T-Shirt bestellen, auf dem ein Lego-Nazi durchgestrichen ist.

Özdemir selbst ist auch schon aufgefallen, dass die Wahlstrategie seiner Parteifreunde in Sachsen-Anhalt vielleicht nicht ganz optimal ist. Er hat aber einen Ausweg gefunden. Wenn niemand nach den alten urgrünen Themen fragt, weil Ozonloch, Klimawandel und Überfischung der Weltmeere derzeit kaum jemanden interessieren, erklärt man eben andere Themen zu urgrünen. Bildung bietet sich an, denn die grüne Spitzenkandidatin Claudia Dalbert kennt sich da aus. Dass niemand die Spitzenkandidatin kennt, "das wird sicherlich noch besser werden", sagt Cem Özdemir. Es klingt wie "und wenn wir Glück haben, reicht es noch mal".

Bei der Kommunalwahl in Hessen war seine Partei mit einem landesweiten Minus von 6,7 Prozentpunkten größter Verlierer aller Parteien. In Sachsen-Anhalt kann das zumindest nur theoretisch passieren. Die SPD ist hier als größter Wahlverlierer gesetzt. Umfragen sagen ihr Verluste um fünf Prozent voraus. Die Grünen hatten zuletzt, in ihrem besten Jahr, überhaupt nur sieben.

Viel Luft nach unten ist da nicht. Dabei böte der reine, pure Einzug in den Landtag aufgrund der allgemeinen Konstellation erstmals die Garantie, eine Regierungsbeteiligung quasi geschenkt zu bekommen. Die Grünen hätten es sich leicht machen und konsequent für grüne Grundüberzeugungen kämpfen können: Ja zu offenen Grenzen, ja zum Zuzug ohne Obergrenzen, ja zu mehr Europa, ja zu mehr Geld für Integration.

Wäre, hätte, wenn und aber. Wenn die Angst vor dem Wähler nicht wäre. Aber Cem Özdemir fragt: "Mehr Integration, wie wollen Sie das denn plakatieren".





Dienstag, 8. März 2016

Wahlserie FDP: Waschen, ohne nass zu werden


Sachsen-Anhalt war einmal eine Hochburg des Liberalismus, damals, als der noch das Gesicht von Hans-Dietrich Genscher über die Marktplätze trug. Als diese Ära endete, endete auch die Ära der FDP im Landesparlament. Das Grausame daran: Niemand vermisste die Partei, die 1990, nach der Übernahme der ehemaligen DDR-Blockparteien LDP und NDPD mehr als 24.000 Mitglieder hatte, diesen Bestand aber bis 2014 auf nurmehr fünf Prozent zurückfahren konnte..

2016 ist die Partei wieder da, angeführt von einem neuen Parteichef, der sich mit neuen Farben schmückt. Und was sind das für Farben!

Alles drin, alles dran, alle Zwischentöne dabei. In Rosa, Gelb, Hellblau, Schwarz und Rot, abgetupft mit Grau und Weiß werben die wiedergeborenen Liberalen um Wähler, eher grell als geschmackvoll, eine Polit-Bonboniere, die an Baumarktwerbung erinnert. In der ist alles drin: Datenschutz und Bargelderhalt, mehr Polizisten wie bei allen Parteien. Dazu was mit Schule, was mit Wirtschaft, was mit Investitionen. Wie alle anderen kein Wort zur Flüchtlingskrise. Vermutlich war das Programm schon fertig.

Es könnte trotzdem zum Landtagseinzug reichen, wenn auch nicht, weil die FDP unter Frank Sitta so stark ist. Sondern weil die Parteien, die zuletzt im Landtag saßen, so schwach sind. "Das Ende des Stillstands beginnt mit ihrer Stimme" und "Jetzt spricht die Jugend" lockt die Partei gemäßigte Protestwähler, die der Linken nicht mehr trauen und der AfD noch nicht.

Ein Geschäftsmodell, das letzten Umfragen zufolge ganz knapp aufgehen könnte. Das "Sitta-Projekt" namens "Sachsen-Anhalt neu starten – Wir machen was draus!“ beschreibt die FDP als "positive Protestpartei". Man ist dagegen, in dem man dafür ist. Man kann sich hier waschen, ohne nass zu werden.

Bisherige Teile der Wahlserie:

Linke: Und immer reicht es nicht
CDU: Ich bin euer Herbergsvater
SPD: Wahl ohne Kampf

Montag, 7. März 2016

Wahlserie Linke: Am Ende reicht es nie


Als Wahlkämpfer ist Wulf Gallert Spitze. Der Mann, der für die Linke Ministerpräsident werden will, macht die richtigen Gesichter zur richtigen Botschaft, er kann, er will, er wird, er ist "Frauenversteher" und "Wirtschaftskenner" und auch sonst noch so allerlei. Wahlsieger aber wird er wieder nicht, nun schon zum dritten Mal. Was für eine Tragik.

Für Gallert ist immer zur falschen Zeit Wahltag. Als seine Partei noch regierte, war er Student. Als sie dann von den anderen Parteien als eine Art extremistische Fortsetzung der DDR mit demokratischem Mäntelchen bezeichnet wurde, machte er Kommunalpolitik. Mit Gallert stieg auch die SED, PDS und spätere Linke auf, ihr Stimmenanteil von ehemals zwölf Prozent verdoppelte sich binnen zweier Jahrzehnte. Die Stimmen, die die Linkspartei als ewiggestrig bezeichneten, wurden leiser. Und Wulf Gallert hatte gute Aussichten, eines Tages zusammen mit der SPD selbst regieren zu können.

Wäre nicht die Flüchtlingskrise dazwischengekommen, wäre das vielleicht passiert. So aber wendet sich ausgerechnet ein Teil der Stammwählerschaft der Linken seit Monaten den Rechten zu. Und ein anderer Teil sucht die wohlige Wärme einer bekannten und beliebten Herberge. Keine Experimente!

Ist der Wahlkampf der SPD nicht vorhanden und der der CDU darauf bedacht, einschläfernd zu wirken, poltert Wulf Gallert nun notgedrungen mit Parolen durch die Lande, die wie aus der Zeit gefallen scheinen. Frühkindliche Bildung, Wirtschaftsförderung ohne Skandale, ein "Transparenzgesetz ein Open-Data-Portal" und "gute Arbeit, unbefristet, gut bezahlt, gleich verteilt zwischen den Geschlechtern" - wo Gallert draufsteht, ist Gestern drin.

Die Linke hat es aber auch besonders schwer, beim Hauptthema des Wahlkampfes Stellung zu beziehen. Um gegen die CDU zu punkten, braucht es weit offene Arme für Geflüchtete, weiter und offener als Angela Merkels Arme sind. Doch selbst wenn das anatomisch möglich sein sollte: Es wäre auch die Garantie dafür, dass noch größere Teile der konservativen Stammwählerschaft in Richtung AfD abwandern.

Ein Dilemma, dem Wulf Gallert Wahlkampfzentrale mit einem Spagat zwischen den Standardfloskeln jedes linken Wahlkampfes ("Solidarität", "Gerechtigkeit") und einem vorsichtig angedeuteten Bezug zu Merkels Migrationspolitik ("So schaffen wir das") zu entkommen sucht.

Zum Schluss wird es so wieder nicht reichen, zum dritten Mal.



Samstag, 5. März 2016

Wahlserie CDU: Ich bin euer Herbergsvater


Läuft für Ministerpräsident Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt. Die mitregierende SPD hat alle Bemühungen um einen eigenen Wahlsieg eingestellt. Die Grünen bangen unter ferner liefen. Die AfD und die Linke besetzen die Außen und setzen sich vor allem gegenseitig unter Druck.

Haseloff, ein eher farbloser Mann, der das Land Sachsen-Anhalt seit Jahren mehr verwaltet als regiert, wird in dieser Wahlkampf-Konstellation mit einem Mal zum "Landesvater". Ein Wort, das nichts verspricht außer, dass alles so bleiben kann, wenn ausreichend Kreuze an der richtigen Stelle gemacht werden. Rote Laterne? Geringste Lebenserwartung? Ganz hinten bei der Arbeitslosigkeit, ganz vorn bei der schlechten Laune. Man habe gut regiert in den letzten Jahren, sagt Haseloff, und er spricht von spürbaren Erfolgen und der Notwendigkeit, diese nun auch mal zu bewahren.

Stehenbleiben als Fortschritt, "damit alle am weiteren wirtschaftlichen Aufschwung Anteil haben können“. Zuletzt stieg das Bruttoinlandsprodukt in Sachsen-Anhalt um ein Drittel langsamer als in ganz Deutschland, so dass der Abstand zu den wachstumsstärksten Bundesländern eigentlich weiter wuchs. Aber es ging, so sehen Erfolge hier aus, immerhin langsamer als noch ein Jahr zuvor, als Sachsen-Anhalt es gerade auf 0,4 Prozent Wachstum brachte, während Deutschland insgesamt um 1,6 Prozent zulegte.

Man muss zwischen Harz und Elbe, der Börde und dem Burgenland keine Erfolge haben, man muss sie nur selbstbewusst verkaufen. Haseloffs CDU konzentriert ihre Wahlwerbung denn auch vollständig auf die Betonung des status quo. Wer in unsicheren Zeiten "stabile Verhältnisse" (CDU) will, wählt CDU. Wer rechts nicht weill, wählt CDU. Wer links nicht will, wählt CDU. Wer "keine Zeit für Experimente" (CDU) hat, wählt CDU. Wer die "Sachsen-Anhalt-Partei" mag, wählt CDU. Und wer den "Landesvater" kennt, wählt sowieso CDU. Denn Haseloff ist "unser Ministerpräsident" (Wahlplakat). Und das, ihr wollt es doch auch, soll er bleiben.

Wird er. Für Haseloffs CDU, die in Umfragen mit plusminus ein, zwei bei 30 Prozent steht, so sehr die Erde ringsum auch wackelt, gilt: Wer nicht kämpft, hat schon gewonnen. Haseloff ist der Herbergsvater der hässlichsten Baracke im Bundeslager, ein zuweilen in den eigenen Sätzen verlorengehender Garant eines verlässlichen Weiterso, von dem, das glauben ihm die Leute, nie etwas zu hören sein wird, was einen in Unruhe versetzt.

Schönes, langes, mit Du gespicktes Interview von Thilo Jung mit unserem Reiner:


Freitag, 4. März 2016

Wahlserie SPD: Wahlkampf 0.0 bei der Arbeiterpartei

Ohne Gegenwehr ergibt sich die einst so stolze SPD in das Schicksal kommender Bedeutungslosigkeit. Die Partei führt keinerlei Wahlkampf, die Homepage der Spitzenkandidatin enthält gerademal ein einminütiges Video, das automatisch startet, aber nach dem Satz "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, unser Sachsen-Anhalt steht vor großen Herausforderungen" auch automatisch stoppt. Dazu gibt es angegraute Neuigkeiten aus dem Februar und den Hinweis auf ganze sechs Termine von Frau Budde in den letzten 14 Tagen vor der Wahl, die eigentlich stets als "heiße Phase" bezeichnet werden.

Hier ist "heiß" nicht mal frühlingshaft. Die SPD scheint alle Bemühungen um Wählersympathien bereits aufgegeben zu haben. Bei Facebook werden Veranstaltungen von Anfang Februar abgekündigt, bei Twitter ist Budde gar nicht vertreten. Ihr Landesverband hat dort zuletzt vor einer Woche ein Lebenszeichen hinterlassen. Bei Youtube hat die Wahlkampfzentrale den einminütigen Werbefilm mit Katrin Budde am 2. März eingestellt - elf Tage vor der Wahl und mit großem Erfolg - nach 48 Stunden hatten ihn schon ein Dutzend Menschen gesehen.

Doch ob die alle Katrin Budde wählen werden, ist unklar. Denn inhaltlich argumentiert die unsichtbare Spitzenfrau konsequent an allen Fragen vorbei, die die Menschen derzeit beschäftigen. Der Wahlspruch "Es ist Zeit für einen neuen Aufbruch: Sachsen-Anhalt kann mehr" klingt nicht nur wie in der Assiette gebacken, er ist auch so gemeint. Irgendwie geht es um "gute Arbeit für gutes Geld", "wirtschaftlichen Aufbruch", "Bildung für alle", "Gemeinschaft und Sicherheit" und ein "weltoffenes Land" - das Übliche halt. Nichts, was einen Wähler hinter dem Ofen hervorlockt.

Das ist Wahlkampf 0.0 im festen Glauben, es werde auch so schon irgendwie reichen, wieder ein paar Ministerposten abzubekommen. Doch nach den letzten Umfragen sieht es danach im Moment überhaupt nicht aus.

So gesehen sind die 15 Prozent, die Katrin Budde wählen wollen, noch erstaunlich viel.