Freitag, 31. Mai 2013

Kind der DDR: Wie der Begriff "Starkregen" entstand


Älteren Menschen ist der Begriff aus den eigenen Kinder- und Jugendtagen keiner. Ein Wort "Starkregen" existierte nicht - jedenfalls nicht vor dem Jahr 1957. Damals tauchte die starke Vokabel zum ersten Mal in der Tageszeitung "Freiheit" auf, in einem populärwissenschaftlichen Text, der meterologische Phänomene erklärte. Darunter eben auch den "großtropfigen Starkregen" (Zitat).

So imposant das klang, durchsetzen konnte sich die Formulierung nicht. Nach der Erfindung des „Starkregens" wurde das Wort ausweislich des "Freiheit"-Archives bis 1977 nur dreimal verwendet. Zwischen 1977 und 1990   musste der originär ostdeutsche Begriff "Starkregen" sogar als Kreuzworträtselvokabel überwintern. Sei es, dass es zuwenig regnete. Sei es, dass der Regen zu schwach für starke Worte war (Foto oben: so sonnig war die DDR).

 Immerhin ein kleiner Zwischenerfolg im Jahr 1987: Erstmals wagte der renommierte "Spiegel" im Jahr des Honecker-Besuches eine Verwendung der Ost-Erfindung.  "Grober Unfug" heißt der Text, der "öffentlich Anklage gegen einen gewissen Herrn Sommer" (Zitat) erhebt, denn  der war damals - etwa wie heute der Frühling - "eine Zumutung für den Menschen" (Zitat).

Es muss dann aber besser geworden sein, denn erst 1994 wechselte der "Starkregen" regelmäßig in die Wetterberichterstattung. Seit 1998 dann macht das Wort bundesweit eine beeindruckende Karriere: Im Archiv der Mitteldeutschen Zeitung gibt es heute sagenhafte 1900 Fundstellen zu dem Wort. Dabei datieren 95 Prozent aus der Zeit nach 1998. Beim „Spiegel" spiegelt sich dieselbe Entwicklung: 80 mal taucht "Starkregen" im Archiv der Hamburger auf. 75 mal nach 2001.

Dienstag, 7. Mai 2013

Feuer unterm Blues

Als Jan Grünfeld noch Rockmusik träumte, hießen seine Bands Zoon und Remmscheckl. Für ein paar Momente sah es sogar so aus, als könnte aus dem Trio etwas ganz Großes werden. Stattdessen ist Grünfeld dann aber doch lieber abgetaucht - um jetzt wieder zurückzukommen, in einem kleinen Klub, begleitet von Joris Hering und seiner Bluesband. Als Jan Grünfeld noch Rockmusik träumte, hießen seine Bands Zoon und Remmscheckl. Die Songs des Hallensers klangen damals nach Hamburger Schule, auf einem steifgeschlagenen Beat tanzten Texte wie "Ich bin scharf auf Deine Freundin". Solche Stücke, die gut auch von Tocotronic oder Blumfeld hätten stammen können, schrieb Grünfeld im Dutzend und für ein paar Momente sah es sogar so aus, als könnte aus dem Trio etwas ganz Großes werden. Stattdessen ist Grünfeld dann aber doch lieber abgetaucht. Der Musiker, der schon in den 80er Jahren zusammen mit dem heutigen Stoa-Chef Olaf Parusel die Band "Revanche" betrieb, fing ganz von vorn wieder an. Nicht mehr nach Rock, sondern nach Ambient klingen die 13 Stücke auf seinem gerade veröffentlichten Album "A Trace", das Grünfeld mit Hilfe des in Halle, Weimar und Leipzig beheimateten Labels Headphonica zum kostenlosen Download ins Internet gestellt hat. Wirklich - keine Spur mehr von knurrenden Gitarren und hoppelnden Rhythmen. "A Trace" ist leiser als laut, bedächtiger als rhythmisch und trotz gelegentlich auch deutschsprachiger Liednamen wie "Die Insel" oder "Gute Nacht" liegen Assoziationen zu den zarten Klanghäkeleien von Ólafur Arnalds, Gravenhurst und The White Birch näher als jeder Vergleich mit aktuellen deutschen Rockgruppen. Gesungen wird wenig, getanzt wird höchstens mal bei "The Ticket", einem vergleichweise fast schon metallischen Stück inmitten der anderen Flüster-Pop-Hymnen. Meist entwickelt sich eine Soundskulptur aus einer stillen Gitarrenfigur, zu der Geräusche aus dem richtigen Leben treten. Rascheln, Knistern, Kindergeschrei - seit 2005 schon arbeitet Jan Grünfeld an solchen Kollagen aus Echtweltklängen und instrumentalen Übermalungen. Als Technik dienen dabei Kassetten- oder Minidiscrecorder, denen Stücke wie das mit Zikadengesang grundierte "In the Fields" ihr "warmes, verrauschtes und sehr persönliches Klangbild" verdanken, wie Grünfeld selbst beschreibt. Alle Kompositionen entstehen dabei durch Improvisationen an der Akustikgitarre, die übereinander geschichtet und dann mit Fieldrecordings zu mehrdimensionalen Klanglandschaften erweitert werden. "A Trace" ist bereits das dritte Album, das wie der Soundtrack zu einem nur noch nicht gedrehten Film klingt. Wie schon die früheren Werke, auf denen Grünfeld aus Depeche Modes "Enjoy the Silence" ein vorsichtig nach Liebe tastendes Akustikstück gemacht hatte, entsteht aus wenigen Akkorden großes Kino für den Kopf, gerade weil sich die meisten Songs mangels eines Textes jeder Interpretationsvorgabe enthalten. "Diesen Weg möchte ich unbedingt weiter verfolgen", sagt der Musiker selbst über seinen "experimentellen Ansatz, der aber nicht experimentell klingt". Melodien, so empfindet er es selbst, kommen und gehen hier - "wie Spuren im Sand, deshalb auch der Albumtitel ,A Trace'" - deutsch: "Eine Spur". Als nächsten Schritt sieht Jan Grünfeld nun Auftritte mit seinen Tracks. "Alles soll dann live entstehen und damit jedes Mal einzigartig bleiben."

Dienstag, 30. April 2013

Halle singt bis zum Grundeinkommen

Erst zugehört, dann mitgesungen - und am Ende landeten wir im Gespräch mit dem Singer/Songwriter Robert Carl Blank beim bedingungslosen Grundeinkommen, der politischen Ökonomie und anderen Basisfragen des Rock'n'Roll. Wieder was gelernt: Je kleiner der Club, desto größer die Chancen, einen schönen Abend zu haben. Solltet ihr die Gelegenheit haben, Robert Carl Blank mal live zu sehen - die Wahrscheinlichkeit ist groß, weil er eigentlich immer auf Tour ist - dann unbedingt hingehen. Tolle Songs, feines Gitarrenspiel, lustige Geschichten zwischendurch. Besser geht es nicht.

Montag, 22. April 2013

Halo über Halle: Rätselhafte Naturerscheinungen


Das Wort Halo stammt vom griechischen halos ab, das eigentlich Tenne, aber eben auch Scheibe bedeutet. Auch Sonne und Mond selbst bezeichneten die Griechen als Halo, also Sonnen- oder Mondscheibe. Daraus entwickelte sich dann der spezielle Begriff für die in Regenbogenfarben leuchtenden Himmelserscheinungen. In Nordeuropa entsteht durchschnittlich einmal pro Woche ein Halo. Immer verrückter, dieser Klimawandel. Mal ist es im Sommer heiß, mal kalt, mal müssen sogar die Delegierten zur Klimakonferenz Regenschirme über sich halten, gleichzeitig stöhnen Spanienurlauber unter sengender Hitze.

Und kaum kommt die Sonne mal raus, erscheint dann auch noch dieser rätselhafte runde Ring am Himmel: Ein Kreis aus allen Regenbogenfarben, der sich um die Sonne windet wie ein warnendes Zeichen eines zornigen Gottes. Gott aber hat mit dem Phänomen so wenig zu tun wie der Klimawandel. Bei den kreisrunden Regenbögen um die Sonne, die immer mal wieder am Firmament auftauchen, handelt es sich um so genannte Halos, eine Lichterscheinung, die von Eiskristallen in der Atmosphäre hervorgerufen wird.

Damit es dazu kommt, müssen diese möglichst regelmäßig und annähernd durchsichtig sein. Reichert sich die Luft nur langsam mit Wasserdampf an, haben die Kristalle viel Zeit zum Wachsen - die Wahrscheinlichkeit, dass sie klar ausfallen, steigt dann. Schweben diese klaren Kristalle dann in einer Höhe von acht bis zehn Kilometern, kann sich ein so genannter 22-Grad-Ring bilden. Das ist der Klassiker unter den ungewöhnlichen Himmelserscheinungen, die ebenso häufig wie fast unbekannt sind, weil sie sich nur von einer ganz bestimmten Position am Boden beobachten lassen. Der 22-Grad-Ring zieht sich genau diese namensgebenden 22 Grad entfernt von der Sonne um diese herum.

Die Regenbogenfarben, die durch die Lichtbrechung entstehen, sind dabei umgekehrt zu denen in einem normalen Regenbogen angeordnet. Oft zeigt der Himmel in denselben Momenten, in denen sich ein 22-Grad-Ring bildet, auch noch eine so genannte Nebensonne. Dabei handelt es sich um eine Wolke aus Eiskristallen, die in Regenbogenfarben erstrahlt. Das Prinzip hinter der Entstehung der beeindruckenden Himmelsereignisse ist dasselbe wie das hinter dem Aufleuchten eines Regenbogens. Wo dort Licht in den annähernd kugelförmigen Wassertropfen einer Regenwolke gebrochen wird, ist es bei den verschiedenen Formen des Halo das in dünne sechseckige Plättchen und sechseckige Säulen kristallisierte Wasser, das die Lichtstrahlen brechen lässt. Und das nicht irgendwo, sondern nach Gesetzmäßigkeiten, die im Ergebnis meist zu einem 22-Grad-Halo führen: Weil Wasser sich sechseckig anordnet, wenn es fest wird, werden Lichtstrahlen, die durch ein Eiskristall brechen, im Winkel von 22 bis 46 Grad abgelenkt.

Steht nun ein Beobachter an einer Stelle auf dem Boden, an dem er genau auf diesem Winkel zur Sonne, die die Lichtstrahlen aussendet, schaut, kann er das beeindruckende Schauspiel sehen. Aber auch nur dann. Während ein Regenbogen aus vielen Winkeln zu sehen ist, bleibt das Vergnügen, eine Halo-Erscheinung wahrzunehmen, wenigen Menschen vorbehalten. Deshalb wohl sagt der Name Halo kaum jemandem etwas - dabei sind die Erscheinungen häufiger als Regenbögen.