Dienstag, 22. April 2014

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Eigentlich hat Gareth Hudson eine recht kurze Anreise nach Halle. Seit einigen Jahren schon lebt der gebürtige Australier mit seiner Frau Tadijana Ilicic in Berlin, einem idealen Ausgangspunkt, „um ein Land wirklich kennenzulernen, weil man schnell dorthin fährt, wo die Menschen leben“, wie er sagt. Hudson, Gründer und Sänger der Band Hudson Arc, ist von daheim anderes gewohnt: „Man fährt ewig, ehe man wieder wo ist, wo man ein Konzert spielen kann.“ In Deutschland dagegen „alles ist kürzer als bei uns daheim - du fährst anderthalb Stunden und bist da“.

Wenn man nicht gerade beinahe direkt die 16000 Kilometer vom anderen Ende der Welt anreist wie das Ehepaar Hudson, das gerade erst daheim auf dem fünften Kontinent war, um ein neues Album einzuspielen. Die Rückreise in die wahlHeimat Deutschland lief nicht ganz nach Plan, wie Gareth Hudson klagt: Obwohl er einen großen „Vorsicht, zerbrechlich“-Aufkleber auf seine geliebte Cole-Clark-Gitarre geklebt hatte, war das von einem australischen Gitarrenbauer hergestellte Instrument nach der Landung in Deutschland zerbrochen.

Allerdings lässt sich Hudson dadurch nicht bremsen, nicht umsonst heißt die neue Platte ja „The Motive of Hope“. Zur Feier der Veröffentlichung wird der Mann aus New South Wales diesmal nicht nur von der studierten Violinistin Tadijana, sondern auch von Jamie Pollock an der Viola und Rachel Pogson am Cello begleitet. In Halle ist Hudson Arc am kommenden Montag in der Goldenen Rose zu erleben - Eintritt ist frei, aber eine Spende für eine neue Gitarre nimmt Hudson sicher gern an.

Video von Hudson Arc: Hudson Arc im Video

Donnerstag, 10. April 2014

Mit dem Clown kommen die Tränen

Auch wer nichts zu sagen hat, darf das inzwischen ja alles aufschreiben. So gesehen ist die Autobiografie des früheren Trio-Trommlers Peter Behrens nur folgerichtig: Ein Mann, der von den höchsten Höhen des Popruhms hinunter in die tiefen Leidenstäler von Sozialhilfe und Hartz IV gestürzt ist, hat immerhin seine eigene Lebenstragödie zu erzählen.

Behrens, bei Trio neben Sänger Stephan Remmler und dem kürzlich verstorbenen Gitarristen Kralle Krawinkel der Komiker mit den roten Hosenträgern, der mit unbewegtem Gesicht an einem Spielzeugschlagzeug stand, enttäuscht allerdings alle, die erwarten, dass er in „Der Clown mit der Trommel“ mehr anzubieten hat als ein geschwätziges Nichts. Denn die 274 Seiten, zusammen mit dem hauptberuflich als Lehrer tätigen Klaus Marschall ausgearbeitet, ähneln dem musikalischen Schaffen seiner Ex-Band in hohem Maße: Minimalistisch ist der Inhalt, trocken die Form und schlau wird meist auch niemand daraus.

Ist es Behrens norddeutscher Humor? Ist es das - wie er selbst mehrfach eingesteht - eigene Desinteresse an jeder weitergehenden Reflexion des Erlebten? Hier schreibt, das wird sehr schnell klar, niemand, den es an die Bühnenkante drängt, und hier steht auch keiner auf, weil er in sich etwas hat, was schon lange mal raus gemusst hätte.

So wie Peter Behrens in den guten Jahren von „Dadada - ich lieb Dich nicht, Du liebst mich nicht“ und „Sabine, Sabine, Sabine“ die Trommelstöcke rührte, das Gesicht zur Faust geballt, so beichtet er hier ein Leben im Schatten von bestimmenden Figuren wie Remmler und Krawinkel. Das Problem dabei: Der Clown mit der Trommel war zwar immer da, wo etwas geschah, aber richtig zugegen war er nie. Und wenn doch mal, dann waren es die anderen, die Entscheidungen trafen, Lieder schrieben oder auf den Putz hauten.

Nur im Musikalischen hat der Rhythmuslibero der Minimal-Kapelle seine Rolle je über das hinaus verinnerlicht, was er auf der Bühne vorspielte. Ja, Peter Behrens prägte den Trio-Stil mit seinem im ersten Moment so monoton wirkenden Stil, er schuf die Basis für Remmlers Exaltiertheit, für Krawinkels akzentuiertes Spiel. Der Lohn aber, und daran scheint der inzwischen 68-jährige Peter Behrens bis heute zu leiden, war das kürzeste Streichholz, dessen Licht nicht zum Leben reichte. Eine Tragödie, verpackt als Farce. Mit dem Clown kommen die Tränen.

Montag, 31. März 2014

Seth Lakeman: Wanderer in Klangwelten


Er fängt programmatisch an: „The Wanderer“ heißt das erste Stück auf „Word of Mouth“, dem eben erschienenen siebten Solo-Album des Briten Seth Lakeman, der hier in zwölf Liedern das Kunststück schafft, immer anders zu klingen - und immer wiedererkennbar.

Lakeman, daheim in Großbritannien seit einer Nominierung für den Mercury Prize als Retter des Folkrock gehandelt, hat lange auf Anerkennung gewartet. Schon vor 20 Jahren veröffentlichte der damals gerade 17-Jährige zusammen mit seinen Brüdern ein Album, danach arbeitete er beharrlich weiter an seiner musikalischen Vision.

Die wird auf „Word of Mouth“ noch deutlicher als auf dem Vorgänger „Tales From The Barrel House“, der auch schon Anklänge an mittelalterliche Weisen mit Jethro Tull- Sound und amerikanischem Folk mischte.

Lakemans Vorteil: Er spielt nicht nur Gitarre, sondern auch Geige, Bratsche und Banjo, so dass er neue Stücke wie das balladeske „Another Long Night“ oder das hoppelnde „Last Rider“ ebenso zurückhaltend wie abwechslungsreich instrumentieren kann.

Seth Lakeman setzt damit auf seine Weise fort, was schon seine großen englischen Kollegen von Mumford & Sons weltweit erfolgreich gemacht hat. Seine Lyrics sind meist dunkel, der Akzent ist Dartmoor nicht Pennsylvania, die Melodien haben hymnische Momente, ohne durchweg zum Mitsingen aufzufordern.

Ein Konzeptalbum, das seine Spannung vom ersten Ton an hält und über zahllose weitere Höhepunkte wie „The Saddest Crowd“ und „Bal Maiden“ zum finalen „Portrait of my wife“ findet. Alles in allem: Große Musik, die sich auch live zu entdecken lohnt.Am 3. April ist Seth Lakeman live im Objekt 5 in Halle zu erleben
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Objekt 5