Freitag, 31. Oktober 2014

Die Antwortmaschine: Kuhen statt googeln

Nicht Suchmaschine, sondern „Antwortmaschine“ nennt sich eine neue Alternative zu den bisherigen Torwächtern im Internet. Swisscows.de will vor allem mit knallhartem Schutz der persönlichen Daten seiner Nutzer punkten. Alle einlaufenden Daten werden verschlüsselt, nicht aufgezeichnet und nicht gesammelt.

Die Server am anderen Ende des Verschlüsselungstunnels stehen in der Schweiz, sind im Besitz des Swisscows-Betreibers und verweigern dank der in der Schweiz geltenden strengen Datenschutzregeln Datenschnüfflern aus aller Welt jeden Einblick. Daneben aber zielt Swisscows auch auf ein neues Benutzungsgefühl: Mit einer hübschen grafischen Aufbereitung der Suchergebnisse in Kachelform können Nutzer sich von ersten Ergebnissen weiterhangeln. Besonders Benutzer von Tablets und Smartphones werden das zu schätzen wissen, denn statt per Hand weitere Suchbegriffe einzugeben, präsentiert ihnen die Antwortmaschine mögliche weiterführende Begriffe auf Kacheln, aus denen per Tipp die gewählt werden können, die die eigene Anfrage präzisieren.

Das spart Zeit und macht Swisscows im Zusammenspiel mit den sehr brauchbaren Suchergebnissen zu einer echten Google-Alternative, die wirklich sinnvolle Antworten statt Millionen von Links liefert.

Zur Antwortmaschine:
Swisscows.de


Freitag, 26. September 2014

Ein "Talismann" im Alleingang

Hagen Stoll legt mit „Talismann“ eine bluesgetränkte CD vor.

Zusammen mit seinem schwergewichtigen Kumpel Sven Gillert hat Hagen Stoll Musikgeschichte geschrieben. Der Mann, der bis 2009 versuchte, als „Joe Rilla“ Rap-Karriere zu machen, ließ sich die erste Wegstrecke der mit Gillert zusammen gegründeten Rockpop-Band Haudegen als Existenzgründung von der Agentur für Arbeit finanzieren.

Keine schlechte Investition, denn das Haudegen-Debüt „Schlicht und ergreifend“ wurde ebenso ein Hit wie die nachfolgenden Tourneen der beiden volltätowierten Riesen. Ohne die übliche Gangster-Attitüde und aggressive Kampfgesänge auf dumpfen Beats entwickelten die handfesten Dickens-Gestalten so große Glaubwürdigkeit, dass ihre zweistimmig gegrollten Schmerzengesänge zur Musik für Massen wurde, die auf der Suche nach echten, handgemachten Liedern mit glaubhafter Botschaft waren.

Dennoch ist das neue Album von Haudegen kein Album der Haudegen. Sondern eines, das Hagen Stoll allein verantwortet. „Talismann“ nennt der 39-jährige Ostberliner die Sammlung von 15 Songs zwischen Rock, Country und Blues, die noch erdiger, kerniger und unzeitgemäßer klingt als die beiden Haudegen-Werke.

Stolls großes Talent ist es auch hier, glaubwürdige Texte mit angenehmen Melodien zu kombinieren. Wo aber bei Haudegen ein Teil Spannung aus dem Wechselgesang mit Sven Gillert resultierte, ist der gelernte Stuckateur hier ganz allein. Ein Chance, die er nutzt, wie etwa die erste Single „Schieb den Blues“ zeigt. Mit Steelguitar, Barpiano und Drums, die wie Fingerschnipsten klingen, entwickelt er eine Ermutigungshymne, die jedem Geschlagenen, Getretenen oder sonstwie Unglücklichen ans Herz gehen muss: „Ich gebe, nein, ich gebe noch nicht auf, ich lebe, lebe, lebe jeden Schritt, den ich lauf“.

Dann geht es mit Polka weiter. „1, 2, 3, 4 Leben“ zeigt den oft der Bedeutungshuberei überführten früheren Hooligan als selbstironischen Spaßmacher, ehe „Was ich brauch“ direkt ins Herzen des Wilden Westens galoppiert und „Im Herzen Kind“ ein Lob der Naivität singt: „Flieg mit dem Wind, bleib wie Du bist, bleib im Herzen Kind“.

Würde Stoll Englisch singen, nähme man ihm den alten Weisen ab, wie das teilweise auf englisch gesungene „Bible or Gun“ beweist. So aber muss der Mut für ihn sprechen, Themen abzuhandeln, die leicht peinlich klingen können. Tun sie hier nicht, weil der brummelige Riese es irgendwie schafft, selbst die schwersten Thesen mit leichter Hand zu präsentieren. „Das Wort Glauben“ zum Beispiel sieht den Sänger als Zweifler, ein Kopfschütteln auf vier Akkorden: „Kann mir jemand das Wort Glauben definieren / ich kann es nicht mehr spüren“.

Ein bisschen hat das was vom ganz frühen Marius Müller-Westernhagen der „Loch in meiner Tasche“-Ära, ein bisschen erinnert Hagen Stoll auch an Tom Waits und Klaus Lage. Kein ganz junges, aber aktuell vielleicht das größte deutsche Songschreibertalent.

Hagen Stoll live:
14.10. Magdeburg, Feuerwache
15.11, Weißenfels, Kulturhaus



Dienstag, 23. September 2014

Kraftklub: Rap-Rock mit schwarzem Humor

Die Chemnitzer Aufsteigerband überzeugt auf ihrem zweiten Album mit hartem Raprock und kantigen Reimen voller Selbstironie.

Am Anfang war die Hymne auf die Provinz. „Ich will nicht nach Berlin“, schrie Felix Brummer der Trendstadt im Norden entgegen. Chemnitz, Karl-Marx-Stadt, Sachsen, Kleinstadt statt Weltstadt, der eigene Saft statt fremder Soßen! Kraftklub, von Brummer zwei Jahre zuvor zusammen mit seinem Bruder Till am Bass, Karl Schumann und Steffen Israel an den Gitarren und Max Marschk am Schlagzeug gegründet, hielten sich nicht an die Regeln, die von Künstlern verlangen, im Chor zu singen. Das Quintett feierte den Mief statt der Metropole. Und sie spielten dazu eine Musik, die von keiner Musikpolizei genehmigt worden wäre: Rap mit harten Gitarren, Hiphop samt Mitsing- refrains, Rammstein-Rock und Abzählreime.

Seit den Prinzen zwei Jahrzehnte zuvor und Silbermond zehn Jahre früher hat keine ernsthafte Band aus den ehemals neuen Bundesländern mehr so eingeschlagen. Kraftklub, stets in einheitlicher Uniform aus Baseballjacken und Poloshirts, platzierten ihr Debütalbum auf Platz 1 in den Charts, sie feierten ausverkaufte Tourneen und bekamen bei der Echo-Verleihung den „Kritikerpreis National“ verliehen.

Zwei Jahre danach sind sie wieder da, „In Schwarz“, wie das zweite Album heißt und von unbedingtem Stilwillen getrieben, wie schon das Albumcover zeigt. Das ist eine Negativ-Kopie des Debüts: Was dort weiß war, ist hier mit ein paar kleinen Variationen schwarz.

Das Gegenteil wird aber nicht verhandelt in den 13 Stücken der Standardedition, zu denen sich in der Luxusausgabe weitere drei Songs gesellen. Vielmehr haben die Söhne der Familie Brummer, die zu DDR-Zeiten die kategorisch kunstsinnige Underground-Kapelle AG Geige betrieben, ihren scharfkantigen Rap-Rock poliert, die Kanten geschliffen und den Sound weiter internationalisiert.
„In Schwarz“ ist so ist ein Spagat zwischen Oasis-Melodien und Cro-Flow geworden, Jungsmusik, die auch Mädchen gutfinden werden, weil hektischer Indierock wie bei „Schüsse in die Luft“ neben einer gelinden Halbballade wie „Meine Stadt ist zu laut“ steht.

Wichtig hier ist aber vor allem der Humor, ein Wesensmerkmal des Kraftklub-Schaffens von der ersten gemeinsam gespielten Note an. Es geht den fünf Sachsen nie um Botschaften wie noch der Generation der BAP, Grönemeyer oder Maffay, sondern um selbstironische Kommentare aus der Sicht ihrer Generation: „Wenn Alkohol keine Lösung ist habe ich auch kein Problem“ Geschont wird dabei niemand, wie gleich das Auftaktstück „Unsere Fans“ zeigt. Hier wagen sie es, all die Ausverkaufsvorwürfe herumzudrehen, die noch jede kleine Band zu hören bekommt, sobald sie nicht mehr im Schulklub, sondern in der Stadthalle spielt. Nicht die Band, sondern die Fans hätten sich verändert, nörgelt Felix Brummer zu klapperndem Schlagwerk: „Unsere Fans war’n mal dagegen, die wollten nicht gefallen, früher kleine Läden, heute nur noch volle Hallen“. Alle rennen denen hinterher, denen alle hinterherrennen!

Rockfan-Schicksal, das mit „In Schwarz“ nur noch tragischer werden dürfte, denn die Brummer-Brüder, Musikdirektor Schumann und der Rest der Truppe gestatten sich hier keinen Durchhänger. Riff marschiert neben Riff, eines prächtiger als das andere, das Tempo lässt kaum einmal nach, selbst die Fahrradhymne „Mein Rad“ klingt mehr nach gefährlicher Geschwindigkeitsübertretung als nach entspannter Landpartie. Zum Halbfinale tritt dann auch noch Kumpel Casper ans Mikro und unterstützt Felix Brummer bei „Schöner Tag“, ehe der beim finalen „Deine Gang“ alle Bremsen löst und den Bubble-Gum-Beat von T.Rex ins Heute holt.