Samstag, 23. April 2016

Meine lange Jagd nach dem supergeheimen Geheimdienstbrief

"Manchmal ist es so, wenn bestimmte Schreiben an (zu) viele Leute geschickt werden, dass sich dann jeder auf den anderen verlässt und die Sache am Ende liegenbleibt", schreibt ein Bundestagsabgeordneter der Linken. Nein, er meint nicht den Brief, der Gegenstand der ursprünglichen Anfrage war. Sondern seine eigene Antwort, die ausblieb.

Dabei war die Frage ganz einfach: Ist das Schreiben, in dem ein Gregory J. Broecker, seines Zeichens Verteidigungsattache der US-Botschaft in Berlin, Angela Merkels Sicherheitsberater Christoph Heusgen Dank für das deutsche Engagement für eine vereinte EU in der Ukraine-Krise ausspricht und gleichzeitig weiteres Partizipieren an den "technischen Möglichkeiten spezieller US-Dienste in Deutschland" verspricht, echt oder nicht?

Der Brief kursierte im Herbst 2014 im Internet, verbunden mit gewagten Deutungen: Spezieller Service, das klingt nach Abhörpraktiken. Technische Kapazitäten in Deutschland deuten auf einen möglichen Verfassungsbruch.

Also fragen wir doch einfach mal nach, am besten dort, wo man es wissen muss. Im Bundeskanzleramt gibt es eine große Presseabteilung, schon nach der dritten Nachfrage gibt die auch eine Antwort: Zitiert werden darf „eine Regierungssprecherin“, die "dazu Folgendes mitteilen kann": „Dem Bundeskanzleramt ist ein solches Schreiben nicht bekannt.“

Eine offenkundige Lüge, denn spätestens mit dem Eingang der Frage in der Pressestelle des Bundeskanzleramtes, ob das Schreiben echt ist, war es natürlich bekannt, denn es lag bei. Bekannt ist nun, dass das Bundeskanzleramt die Frage nicht beantworten will.

Unbekannt bleibt aber, ob der Brief echt ist.

Hans-Christian Ströbele jedoch wird es wissen, denn der Grüne scheut bekanntermaßen vor keinem Konflikt zurück, wenn es um die Wahrheit und gegen mutmaßlich grenzwertige Geheimdienstpraktiken geht. Und richtig, sofort meldet sich der in Halle geborene Politiker durch einen Mitarbeiter, und lässt Dank dafür ausrichten, "dass Sie – gerade ihm – den Hinweis auf diesen Brief sandten".

Allerdings sieht Ströbele keine Smoking Gun schmauchen. Sondern lässt seinen Mitarbeiter ausrichten, dass hier "einstweilen noch skeptisch eher an einen russische Desinformations-Versuch" zu denken sei, "auch weil der Brief seine ‚Aufreger-Aussage‘ so unvermittelt direkt vermittele: "Für Ukraine-Einigkeit gibt’s NSA-Infos.". Das scheint den Grünen denn doch "etwas arg simpel".

Zwei Monate - und sechs Nachfragen bei Ströbele - später ist die Prüfung weiter gediehen. In Gesprächen mit "mehreren Menschen", die nicht näher bezeichnet werden, hätten alle die Echtheit "für höchst unwahrscheinlich und die Gefahr einer bloßen Erfindung /“Fake“ für sehr hoch" gehalten.

Aha. Schlauer ist nun niemand, aber zum Glück gibt es ja neben Christian Ströbele noch andere Parlamentarier, die ebenso kritisch zu mutmaßlich fragwürdigen Geheimdienstpraktiken stehen und der Regierung hier gar nichts durchgehen lassen. 


André Hahn etwa kümmert sich für die Linke um die Geheimdienstaufsicht. Er antwortet nach mehreren Anfragen prompt. Kann aber auch nichts zu dem ominösen Schreiben sagen. Und auch nichts machen, wie sich noch einige Nachfragen später herausstellt. "Ich bin bislang davon ausgegangen, dass es sich um ein Dokument handelt, das über kurz oder lang auch in den Unterlagen des Untersuchungsausschusses auftauchen und dann dort debattiert wird. Das ist bislang offenbar nicht geschehen", teilt Hahn mit. Gibt es denn gar keine Möglichkeit, herauszufinden, ob eine Verschwörungstheorie eine Verschwörungstheorie ist - oder doch wahr?

André Hahn will helfen. "Deshalb werde ich das Sekretariat des Parlamentarischen Kontrollgremiums bitten, die Angelegenheit auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung, setzen zu lassen und dazu einen Bericht der Bundesregierung abzufordern."

Die nächste Sitzung war dann im September, auf der geheimen Tagesordnung stand der Brief dann doch nicht, auch über Antwort der Bundesregierung hat Hahn nie etwas verlauten lassen.

Gehen wir eben zur SPD, deren Abgeordneter Burkhard Lischka seinerzeit zwar noch nicht Landesvorsitzender der Sozialdemokraten in Sachsen-Anhalt war, aber in jedem Fall ein Mann, der interessiert daran ist, gegen falsche Gerüchte vorzugehen. Lischka ist zudem Fachmann, er sitzt im Bundestags-Innenausschusses, ist innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und außerdem gerade im Urlaub, wie sein Mitarbeiter Nicolas Geiger nach einigen Erinnerungsmails schreibt.

"Wir mussten den Sachverhalt selbst erst prüfen", heißt es weiter. Und nun tut es alles leid, denn "kurzfristig können wir Ihnen bei Ihrem Anliegen leider nicht weiterhelfen". Herrn Lischka sei das Schreiben bislang zumindest nicht bekannt gewesen. Das muss dann so stehenbleiben, weil auch langfristig nie mehr eine Antwort kommt.

Christoph Bergner von der CDU hält es übrigens ähnlich, nur dass er persönlich anruft, um mitzuteilen, dass sich da insgesamt wohl wenig machen lasse. Er werde sich aber umhören, verspricht er. Das klingt schon richtig geheimdiensthaft. Bringt aber auch nichts.

Der Brief bleibt ein Brief, der alles sein kann. Und die Abgeordneten sehen aus wie etwas, was sie nie sein sollten: Leute, die nicht einmal im Fall eines einseitigen Schriftstücks in der Lage sind, die parlamentarische Kontrolle der Regierung auszuüben, die eigentlich ihres Amtes ist.



Freitag, 22. April 2016

Conny Ochs: Ein Reisender in großem Gefühl



Das neue Album des Hallensers Conny Ochs heißt „Future Fables“. Es will mehr als die Region.

Mit seiner Band Baby Universal ist der Hallenser Cornelius Ochs seit mehr als einem Jahrzehnt eine der wichtigsten, bekanntesten und erfolgreichsten Figuren des Rocks in der Region. Zuletzt legte die Lieblingsband von Kult-Regisseur Quentin Tarantino mit „Slow Shelter“ ein Meisterwerk vor, das den Mix aus Brit-Pop und Hard-Rock um Folkelemente erweiterte.

Eine Mischung, die Conny Ochs nun auch auf seinem neuen Solo-Album „Future Fables“ pflegt. Zwölf Songs hat der Hallenser mit der unverwechselbaren Stimme im Kabumm-Studio in Golzow eingespielt, alle zwölf orientieren sich mehr an seinen gemeinsamen akustischen Alben mit der US-Doom-Legende Scott „Wino“ Weinrich (St. Vitus) als am treibenden elektrischen Sound seiner Band.

Lieder mit Herz, Lieder mit Seele sind das, vom Auftakt mit dem auf zwei Gitarren hereinschleichenden „Hole“ bis zum Finale mit der dunklen Klavierballade „Make some room“. Conny Ochs singt flehentlich, er flüstert, zeigt aber bei „Killer“ auch, dass er Nirvana ebensogut kann.
Songkunst, der Sachsen-Anhalt, der Osten und ganz Deutschland spätestens seit den gemeinsamen Tourneen mit Scott Weinreich zu klein geworden ist.

Wie ein moderner Troubadour zieht Ochs durch Europa, um die Welt, er spielt in Quedlinburg und Venedig, in der Schweiz und Tschechien. Seine zwischen Mark Lanegan, Lou Reed und Nick Drake pendelnde Musik, mit dem Debüt „Raw Love Songs“ entworfen, mit „Black Happy“ vervollkommnet und mit „Future Fables“ nun für erste vollendet, wird überall verstanden werden.

Direkt zum Künstler:
connyochs.com

Donnerstag, 21. April 2016

Suddenly Human: Große Fragen in großen Hymnen



Kleine Stadt, großer Wurf - die hallesche Band Suddenly Human und ihr Debüt-Album „Elements on changing ways“

Kein Album in der Tasche, aber auf England-Tournee gehen, so etwa funktioniert die hallesche Band Suddenly Human. Über ihr Tour-Abenteuer auf der Insel haben Sänger Philipp Saaler, Gitarrist Hannes Kiesewetter, Basser Konstantin Brandt und Trommler Kurt Thomas Noack einen Film gedreht, den sie nach einem Motiv von Georg-Friedrich Händel „The trumpet shall sound“ genannt haben. Ein Road-Movie mit Musik und Stromausfall und Erbsen vom Notkocher, das nach Wurzeln sucht, von Abenteuern berichtet und von einer Band erzählt, die es ernst meint.

Das ist auch die Botschaft von „Elements on changing ways“, dem Debütalbum der Hallenser, das nun ein Jahr nach der Tour-Doku erscheint. Mit dem Anspruch, „etwas Bleibendes zu kreieren und dabei sehnsuchtsvolle Wirklichkeit mit pittoresker Alltäglichkeit zu vereinen“, wie die Band selbst sagt. Ehe sie daran geht, ihn in zwölf Stücken zwischen klassischem Rock, himmelsstürmender U2-Hymne und Britpop einzulösen.

Vom Opener „I’ve seen the lanterns“ drehen die vier Hallenser das ganz große Rad. Chöre, Rhythmuswechsel, Echo, übereinandergeschichtete Tonspuren - Produzent Jürgen Block, der schon mit Keimzeit und City gearbeitet hat, lässt die Newcomer von der Saale mal klingen wie die Strokes, mal winken Interpol aus der Kulisse, mal grüßen Muse und Placebo von fern. Klein und bescheiden können andere, in Songs wie „Horus“ und „Artefacts“ geht es in assoziativen Texten um den Menschen und die Welt, den Sinn des Lebens und die Angst vor dem Tod.

„Suddenly Human“ heißt „plötzlich menschlich“, ist aber keine Parole, sondern der Titel einer Star-Trek-Episode, in der die Enterprise-Besatzung einem von Aliens aufgezogenen Menschenjungen sanft klarmachen muss, dass er in Wirklichkeit kein Talarianer ist.

Das passt. Wenn Philipp Saaler in „Ink-World“ die Stimme kippen lässt, während die Musik immer schneller zu werden scheint, entwickelt „Elements“ einen Sog, wie ihn Alben der Isländer Sigur Rós in der Regel erzeugen: Die Akkorde drehen sich, es wird laut und leise, der Sänger flüstert und dann schreit er. Die Gitarren tosen und es ist nicht mehr das einzelne Wort, das beim Hörer ankommt. Sondern eine Atmosphäre und ein Gesamtgefühl, das keinen Gegenstand mehr hat, sondern nur noch die Töne, den Sound, die Musik.

Die wird später zuweilen zickig, das Hymnenhafte geht ihr in „Welcome to the sanatorium“ ganz ab. Dafür aber entpuppt sich der Song über die „Vita 31“ als perfekter Gegenentwurf zum idyllischen „Hotel California“ der Eagles. Keine Akustik-Gitarren, dafür Police-Riffs. Keine falsche Hoffnung, für niemanden. Aber zum Glück ist das kalte Buffet eröffnet.

Ein frappierendes Album, das vor Ideen sprüht und dem Hörer trotzdem Platz für Fantasie lässt. Wer das irgendwann in seiner Karriere hinbekommt, hat alles richtig gemacht. Wer es auf seinem Debütalbum vollbringt, könnte wie weiland Händel nach England gehen.

www.suddenlyhuman.com
facebook.com/suddenlyhuman

Mittwoch, 6. April 2016

Iggy Pop: Tanz die De­pres­sion


Mit einem kühlen Album voller karger Rocksongs meldet sich der 68-jährige Rock 'n' Roll-Wüterich Iggy Pop zurück - begleitet von Wüstenrocker Josh Homme.

Jetzt, wo sein Freund David Bowie tot ist, ist es irgendwie an Iggy Pop zu klingen wie David Bowie. Kann er, immer noch! Die ganzen kleinen Soundfitzelchen sind da auf "Post Pop Depression", dem 19. Soloalbum des "Godfather of Punk" seit 1977. Die wackelnde Stimme, die zickigen Gitarren, das Umsichkreisen der Melodie, Bowie hätte es nicht besser hinbekommen können.

Pop, dessen bürgerlichen Namen James Osterberg niemand mehr erinnert, hat aber auch lange auf dieses Album gespart. Vier Jahre kam nichts Neues aus der Werkstatt des einstigen Rock-Berserkers, den die Branche für abgeschrieben hielt.

Dann aber kam Josh Homme, der Erfinder des Stoner Rock und Begründer wie Chef der Queens of the Stone Age, den Pop per SMS kontaktiert hatte. "Hey, es wäre toll, wenn wir irgendwann mal zusammen was schreiben könnten", schrieb der legendäre Sänger dem legendären Hardrock-Gitarristen. Und irgendwie passierte es dann wirklich - ohne Plan und Plattenfirma spielten die beiden gemeinsam mit Dean Fertita (Queens of the Stone Age) und Matt Helders, dem Schlagzeuger der Arctic Monkeys, neun Songs ein, mit denen sich Iggy Pop auf der großen Rock-Bühne zurückmeldet.

Das liegt vor allem daran, dass ihm hier weder Selbstironie noch Selbstmitleid in die Quere kommen. "I'm gonna break into your heart", singt er gleich am Anfang, und auch noch dass er unter ihre Haut kriechen möchte. Iggy Pop, zu Beginn seiner Karriere mit den Stooges eine Naturgewalt, später aber immer mehr und immer häufiger zu einer Art Abziehbild seiner selbst geschrumpft, will ernstgenommen werden - und wie es Johnny Cash mit Hilfe von Rick Rubin gelang, glückt es ihm hier mit Unterstützung von Josh Homme.

Der zieht die Fäden im Hintergrund und bestimmt den Sound. Der aber ist keineswegs derselbe wie bei seinen Queens oder dem Supergroup-Nebenprojekt Them Crooked Vultures. Für den um ein Vierteljahrhundert älteren Iggy Pop schneidert Homme ein karges, rockiges Grundgerüst aus Klängen, die immer wieder Pops Freund, Partner und Idol Bowie belehnen. Kein Salongesäusel mehr wie auf "Préliminaires", dem letzten richtigen Solo-Album vor fast sieben Jahren. Aber auch keine ausgestellte Wurzelpflege mit nachgebautem Ur-Punk im Stooges-Stil.

Stücke wie die bettelnde Liebesgeschichte "Gardenia" oder das voller Fragen steckende "American Valhalla" klingen ähnlich sehnig und muskulös wie Pop immer noch aussieht. Keine Ruhe, nirgends. "I've shot my gun / I've used my knife / this hasn't been an easy life", knarzt der Sänger, dessen Stimme noch nie eine der schönsten war, der sich dafür aber immer mit voller Wucht in seine Lieder geworfen hat.

In seiner "Post Pop Depression", der Titel darf durchaus vieldeutig interpretiert werden, ist kein Geschrei, hier sind auch die berühmten Glasscherben weit weg, es wird nicht gespuckt und kaum geflucht. Iggy Pop schaut zurück und sieht ein Scheitern, nicht nur bei sich selbst, sondern im Grunde bei allem, was seine Generation sich einst gewünscht hat. "Where is American Valhalla / death is the pill that's hard to swallow", singt er und "ich habe nichts / außer meinem Namen".

Da kokettiert der Barde natürlich nicht zu knapp, ebenso bei "German Days", das die gemeinsame Zeit mit Bowie in West-Berlin heraufzubeschwören scheint, dann aber in Wirklichkeit eher nicht nach Bahnhof Zoo der 1970er, sondern nach der 1920er Jahre-Wehmut klingt. Kein Grund, traurig zu sein, alles wird gut. "I'm gonna go heal myself now", singt Pop ganz zum Schluss und schiebt ein "Yeah" hinterher.

Donnerstag, 31. März 2016

Ohne Moos nix los

Es grünt so grün im Unterholz, vor allem auf der Ostseite des Naturschutzgebietes Peißnitz Nordspitze. Ohne Moos wäre hier gar nichts los.

Sonntag, 27. März 2016

Zweiter Weltkrieg: Bomben auf Halle

Es ist der 501. Fliegeralarm im Süden Sachsen-Anhalts seit Kriegsbeginn - und diesmal greifen 369 Fliegende Festungen wirklich an. Halle zu Ostern 1945, eine Stadt im beginnenden Frühling, eine Stadt im endenden Krieg: Das alte Rathaus wird teilweise zerstört, die Ratswaage beschädigt, am Hotel Goldene Kugel, den Hotels Europa, Weltkugel und Hohenzollernhof, dem Riebeck-Bräu und in der Beesener Straße explodieren Bomben. Auch das Kaufhaus Ritter in der Leipziger Straße wird schwer getroffen, während das eigentlich Ziel, der Bahnhof, auf dem immer noch Truppen und Material für die beiden Fronten umgeschlagen werden, keine Treffer erhält.

Die Stadt, über Jahre hinweg vor allem wegen der Siebel-Flugzeug-Werk ein Ziel alliierter Bomber, hoffte schon auf den Frieden. Und wird in jener Osternacht schwerer getroffen als je zuvor. Da hatten Briten und Amerikaner meist die Industriegebiete um Leuna, Buna, aber auch Bitterfeld und Zeitz als „first target“ anvisiert, wie es in den Mission-Protokollen etwa der 303rd Bomber Group heißt. Halle ist - wie auch Leipzig - meist „zweites Ziel“ und wird nur angeflogen, wenn die Wetterbedingungen oder starke Luftabwehr einen Angriff auf das primäre Ziel nicht zulassen.

Ziel Hauptbahnhof, vermerkt First Lieutenant Oliver Lee Bashor im Mission-Book seiner B-17, die die Mannschaft „Sweet LaRhonda“ nennt. Bashor stammt aus Loveland, einer Kleinstadt in Colorado, er fliegt seine 13. Mission, bisher hat er Glück gehabt: Obwohl die Besatzungen der B17-Bomber die höchste Verlustrate in allen Waffengattungen haben, sind bashor und seine Männer bisher davongekommen. „Abgesehen von zahlreichen Löchern durch Flakbeschuss keine größeren Beschädigungen“, heißt es in den Aufzeichnungen der Besatzung, „auch alle Crewmitglieder blieben unbeschadet“.

Verglichen mit früheren Einsätzen ist dieser Flug mit der Nummer 349 fast ein Spazierflug für die 359th Bomb Squadron, die Teile einer Operation ist, bei der insgesamt 1 348 Bombers und 889 Geleitschutzjäger der 8. Air Force die Raffinerie in Zeitz, Stendal. Salzwedel, Erfurt, Weimar und Aschersleben angreifen.

Sweet LaRhonda, Teil einer Einheit, die sich die „Hells Angels“ nennt, fliegt die Position „high Squadron, right side“ in der sogenannten Combat Box, einer eng zusammengezogenen Flugformation aus jeweils drei nebeneinander fliegenden Maschinen, die in je drei Schichten über anderen Dreiergruppen fliegen. Der Himmel ist klar mit hochliegenden weißen Wolken. „No enemy aircraft or flak“ schreibt Bashor.

Zeitzeugen aus Halle erinnern sich genau, wie das von unten aussah. Bereits Ende Februar hatten 314 amerikanische Bomber mit Hauptziel Bahnhof den Süden der Saalestadt angegriffen. Die Siebel-Werke, die bis in den letzten Monaten des Krieges am Überschall-Flugzeug DFS 346 arbeiten, um dem Führer womöglich doch noch eine Wunderwaffe zur Verfügung zu stellen, werden bei diesen Angriff bereits schwer getroffen. Die 8. Air Force verliert zwei B24-Bomber, ein Pilot wird getötet, 18 Männer gelten als nach der Heimkehr von Mission Nummer 851 auf den Stützpunkt im englischen Molesworth als „MIA“ - missed in action.

Am Boden bringen nahezu 200 schwere 500-Kilo-Bomben den bis dahin meist so fernen Krieg in die Wohnzimmer. In der Zwingerstraße Nummer 25 fällt eine Brandbombe mitten in eine Wohnung, erinnert sich eine 89-Jährige Hallenserin später. „Eine Freundin wohnte nebenan in der 26, die Familie hatte großes Glück.“ Oft seien Sprengkörper nicht explodiert. „Dann kamen Spezialisten, die sie entschärften“, beschreibt die Frau.

Das war aber nicht immer so in diesen letzten Kriegstagen, als die Verwaltung bereits eine Notverwaltung ist. In vielen Fällen werden Blindgänger einfach nicht entdeckt, weil überhaupt niemand nach ihnen sucht. „Überall waren viele Krater, lag Schutt. Da hat doch kein Mensch nach Bomben geguckt“, sagt die alteingesessene Hallenserin, die bei den Angriffen einen Onkel verlor.

Damals (links) und heute: Noch immer sind Bomben in der Erde.
Weil die Straßen weiter befahren werden müssen, werden Bombentrichter einfach zugeschüttet, ohne dass kontrolliert wird, was noch unter Schutt und Trümmern liegt. „Die Menschen hatten andere Probleme, man hat sich zuerst um die Menschen gekümmert, nicht um die Bomben.“ Ein Blindgänger von Ostern 1945 wird erst 66 Jahre später bei Bauarbeiten entdeckt werden - 2011 muss die gesamte südliche Innenstadt wegen des Fundes der 250-Kilo-Bombe in der Nähe des Elisabeth-Krankenhauses evakuiert werden.

Damals ist der Krieg zumindest für die Männer oben in den Flugzeugen Alltag. Der schwerste Angriff auf die größte Stadt in Sachsen-Anhalt, der zugleich auch die raffinerie in Zeitz trifft, ist für Staff Sergeant Bert M. Beals, der als Maschinengewehrschütze in einem Bomber am Angriff teilnimmt, reine Routine.

Beals, der schon 30 Flüge hinter sich hat, wird später in sein Tagebuch schreiben „nicht viel Flak am Ziel, nicht so viel, wie ich dachte“. Auch seine schwere B-24 „Liberator“ mit dem Namen „Sweat-N-Duck“ kehrt wohlbehalten zurück.


Freitag, 25. März 2016

Honecker in Halle: Der Mann, der den Kumpeln Kraft spendet

So war es damals wirklich, zumindest nach dem Bericht, den ein interessierter Betrachter des Films über Erich Honeckers Besuch in Halle im März 1980 mir zugeschickt hat. Es sind Episoden während der Fahrt des Generalsekretärs durch Städte und Dörfer des Bezirkes, die in einer Parallelwelt stattgefunden haben, von der kaum ein DDR-Bürger etwas wusste.


Günthersdorf, 9.25 Uhr: Die freudige Stimmung der zu beiden Seiten der Autobahnatafahrt in dichtem Spalier stehenden Menschen hatte in Erwartung des lieben Gastes von Minute zu Minute zugenommen. Jetzt hat sie ihren Höhepunkt erreicht.


Der Wagen, in dem Genosse Erich Honecker Platz genommen hat, nähert sich, verlangsamt seine Fahrt, hält an. Genosse Erich 
Honecker steigt aus, lacht, winkt nach allen Seiten. Ihm folgt Genosse Günter Mittag, Mitglied des Politbüros und Sekretär des Zentralkomitees.

Genosse Werner Felfe, Mitglied des Politbüros und 1. Sekretär der Bezirksleitung Halle der SED, begrüßt den Generalsekretär mit herzlichen Worten in unserem Bezirk. Jubel brandet auf, ein Sprechchor: "Unser Genosse Erich Honecker er lebe hoch! hoch! hoch!"

Kumpel, Genossenschaftsbauern, Generaldirektoren und Werkleiter berichten Erich 
Honecker in Anwesenheit von Gustav Waschkowitz, 1. Sekretär der Kreisleitung Merseburg, über neue Zielstellungen im Kampf um hohe Zuwachsraten im Sinne der 11. Tagung des Zentralkomitees. Fröhlicher Beifall, als Genossenschaftsbäuerinnen als Willkommensgruß Körbe mit landwirtschaftlichen Produkten überreichen.

Erich Honecker dankt freudig bewegt für diesen Empfang. "Wir haben alle Voraussetzungen", sagt er, "voller Optimismus unserem X. Parteitag entgegenzugehen. Glück auf! Und auf Wiedersehen!"

"Wir alle sind stolz, dabeigewesen zu sein", sagt Lothar Andrae, Arbeiter in der Brikettfabrik Beuna. "Diese Begegnung mit Genossen Erich Honecker hat uns weitere Kraft verliehen." Das haben sich die Kumpel des BKK Geiseltal für 1980 u. a. vorgenommen: 2.4 Tage Planvorsprung; 8,5 Prozent Steigerung der Arbeitsproduktivität.

Bernd Hirschelmann und Georg Böhmer, die mit ihrer Jugendbrigade "Junge Garde" aus dem Tagebau herübergekommen sind, um den Generalsekretär herzlich willkommen zu heißen.
1979 waren die jungen Bergarbeiter zum Jugendfestival in Berlin als "Hervorragendes Jugendkollektiv der DDR" ausgezeichnet worden. Diesem verpflichtenden Namen wollen sich die 19 Brigademitglieder würdig erweisen und sich mit besten Arbeitsleistungen bei der Erfüllung der großen Aufgaben des BKK Geiseltal als Prirnärenergieträger sowie bei der Versorgung der Bevölkerung, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen bewähren.

9.45 Uhr: Aus Richtung Zöschen kommend, nähert sich der Konvoi. Unter Jubelrufen und herzlichem Beifall winken die Einwohner Genossen Erich Honecker auf seiner Fahrt nach Merseburg zu.

Merseburg, 9.50 Uhr: Die Wagenkolonne hat den nördlichen Stadtrand erreicht, passiert den Marx- Engels-Platz in Richtung Thomas- Müntzer-Ring. Tausende Werktätige, Studenten der TH, Lehrlinge und Schüler säumen erwartungsvoll die Straßen, um Erich Honecker herzlich zu begrüßen.



Unter ihnen Merseburgs Bürgermeister Heinz Wagner, der stolz darauf ist, daß die fleißigen Bürger seiner Stadt mitten im ..Frühjahrsputz" stecken und dem hohen Gast ein Bild präsentieren, das erkennbar macht, wie angenehm es sich hier wohnen Und leben lässt. "Der Generalsekretär unserer Partei weiß ja, welche Anstrengungen die Merseburger in den letzten Jahren unternommen haben, zwischen den Chemiegiganten Leuna und Buna eine grüne Oase zu schaffen.

Das farbenprächtige Spalier der Menschen gerät in Bewegung. Der FDJ-Fanfärenzug der IMO Merseburg grüßt musikalisch, Sprechchöre erschallen: ...Hoch soll er leben!"

Genösse 
Honecker winkt und grüßt lachend zurück. Christa Bluhm, eine junge Frau, sagt freudestrahlend: "Ich wollte doch Erich Honecker einmal ganz persönlich sehen." Und Richard Kindervater von der AWG "Aufbau" drückt aus, was jeder empfindet: "Das war ein großer Augenblick für uns alle!"

Am Buna-Tor, 10.02 Uhr: Tausende Angehörige des größten Plaste- und Elasteproduzenten der Republik bilden ein dichtes Spalier. Die FDJler präsentieren mit Stolz die Ehrenbänner des Zentralkomitees der SED, die die besten Grundorganisationen zum 30. Jahrestag der Republik erhalten hatten. Auf Transparenten sind neue Verpflichtungen zu lesen.

Dann ist es soweit. Die Köpfe mit den blauen, gelben und weißen Helmen recken sich. Jeder möchte natürlich den Generalsekretär aus nächster Nähe sehen. Hochrufe auf das Zentralkomitee und seine kluge Politik zum Wohle des Volkes ertönen.

Im Namen der Kommunisten und der 20 000 Beschäftigten des Kombinates wird Erich 
Honecker von Walter Kitzing, 1. Sekretär der SED- Kreisleitung, und Generaldirektor Dr. Helmut Pohle, herzlich willkommen geheißen. Einen Strauß roter Nelken überreicht Astrid Witthuhn aus der Betriebsberufsschule. Die 23-jährige Lehrmeisterin kämpft wie alle 1289 Lehrlinge und FDJ-Mitglieder der Ausbildungseinrichtung um ein Mandat zum Deutsch-sowjetischen Jugendfestival im Mai in Karl- Marx-Stadt. "Dafür ist der Besuch des Generalsekretärs der richtige Ansporn", ist von ihr zu erfahren.

Inzwischen entbieten die Tausende Erich Honecker und den ihn begleitenden Persönlichkeiten ihren Willkommensgruß. Auf dem kurzen Weg zu den bereitstehenden Bussen kommt es zu ersten freundschaftlichen Gesprächen des Generalsekretärs mit Kolleginnen und Kollegen des Kombinats.
Waggonbauer brüderlich mit der Sowjetunion verbunden.

Halle-Ammendorf, 15.38 Uhr: Nach dem begeisternden Meeting im VEB Chemische Werke Buna bereiten Zehntausende Bürger der Stadt Ha21e vom Ammendorfer Rathaus an entlang der Leninallee unserem Genossen Erich 
Honecker und den ihn begleitenden Persönlichkeiten von Partei- und Staatsführung einen überaus herzlichen Empfang.

Am VEB Waggonbau Ammendorf bilden Werktätige des Betriebes, Pioniere, FDJler und viele Bürger ein dichtes Spalier; unter ihnen auch die Schweißerin Monika Förster, eine junge Kandidatin der SED. Sie sagt: "Wir freuen uns sehr über den Besuch des Genossen 
Honecker. In unserem Bereich Rohbaumontage des VEB Waggonbau wollen wir die Normzeit um ein Prozent unterbieten, um den Exportplan des Betriebes mit zu sichern."

Parteigruppenorganisator Roland Kühn fügt hinzu; "Unser Betrieb ist seit vielen. Jahren eng mit der. Sowjetunion verbunden. Mehr als 800 Weitstreckenwagen werden wir in diesem Jahr für unsere sowjetischen Freunde bauen. Von unserem Bereich F 5 ging deshalb die Initiative der persönlichen Planangebote aus, die in den nächsten Tagen in allen Bereichen diskutiert wird."
FDJler der EOS "Bertolt Brecht" hatten am Straßenrand einen kleinen Solidaritätsbasar mit Souvenirs aufgebaut.


Thälmannplatz, 15.58 Uhr: Herzliche Begrüßung des Genossen 
Honecker durch den 1. Sekretär der Stadtleitung Halle, Genossen Fritz Ewelt, und Oberbürgermeister Hans Pflüger. Mit roten Nelken heißt der FDJ-Sekretär des VEB Halloren, Cornelia Rösler, den Staatsratsvorsitzenden und Generalsekretär unserer Partei herzlich willkommen. fünfjährige Tochter Susanne auf dem Arm. 

"Sehr herzlich willkommen in Halle, das möchten Ihnen hier alle persönlich sagen", begrüßt sie Genossen Honecker, "und vielen Dank für die große Arbeit, die Sie für die Menschen in unserem Land leisten," Die junge Frau, Mutter von zwei Kindern, ist Helferin im Kindergarten Beyschlagstraße des Fernsehgerätewerkes und wohnt in einer der schönen Wohnungen am Thälmannplatz.

Immer wieder Händeschütteln und Hochrufe. Jung und alt drängt nach vorn. Kurzer Aufenthalt vor der Kaufhalle Thälmannplatz. Die stellvertretende Verkaufsstellenleiterin Erika Schröter versichert Genossen Honecker, dass ihr Kollektiv alle Anstrengungen unternimmt, die Versorgungsaufgaben stets gut zu erfüllen, "Bei so fleißigen Frauen kauft man sicher gern ein", erwidert der hohe Gast und wünscht dem Kollektiv weiterhin viel Erfolg in seiner verantwortungsvollen Arbeit.

Kaum 100 Meter weiter werden die Gäste von einem Kollektiv des Kaufhauses "Herrenausstatter" herzlich begrüßt. Fachverkäuferin Lilo Falkenstein wünscht angenehmen Aufenthalt in der Saalestadt und berichtet, wie das Kaufhauskollektiv alle Anstrengungen unternimmt, die guten Ergebnisse seiner Arbeit weiter zu verbessern. "Alles Gute für eure Arbeit und euer persönliches Leben", wünscht Genosse Honecker.

Es ist fast unmöglich, in dieser sonst schon von regem Leben beherrschten Straße vorwärts zu kommen. Am Kaufhaus "Jugendmode" begrüßt Cornelia Politz im Namen dieses "Hervorragenden Jugendkollektivs der DDR" den Generalsekretär unserer Partei. Sie schildert kurz, wie die FDJler hier die Beschlüsse der 11. Tagung des Zentralkomitees Verwirklichen helfen.

Im Zentrum der Stadt angelangt, betrachtet Genosse 
Honecker interessiert den Marktplatz der alten Saalestadt. Winkend verabschiedet er sich von den Passanten.

Moritzburg, 16.34 Uhr: Erwartungsvolle Stimmung auf dem Platz vor der Moritzburg. Nahezu 5000 Hallenser sind gekommen. Flotte Marschmusik, gespielt vom Standortmusikkorps des Mdl, erklingt, als die Delegation vorfährt. Beifall brandet auf, als Genosse Honecker winkend zum Innenhof der Moritzburg hinübergeht. Hochrufe auf das Zentralkomitee der Partei und seinen Generalsekretär ertönen auf dem Burghof.

Singegruppen der EOS "Adolf Reichwein" "und "Thomas Müntzer" entbieten Genossen Honecker einen stimmungsvollen Willkommensgruß. Mehrfach begrüßt er mit einem herzlichen Händedruck Schüler im Blauhemd,

Am Ende des Spaliers wendet sich der Generalsekretär dem Schalmeienorchester des BMK Chemie zu, das zu seiner Begrüßung aufspielt. "Wirklich eine ausgezeichnete Musik", sagt Genosse Honecker und bedankt sich mit Handschlag beim Orchesterleiter, dem Kraftfahrer Dietmar Körner. Tausende winken dem Generalsekretär zu: "Auf Wiedersehen, Genosse Honecker!"