Donnerstag, 28. Juli 2016

Fäuste-Abriss Halle: "Ich mach das platt, wir essen pünktlich."


Vor 13 Jahren wurde mit dem Abriss des "Fäuste"-Denkmals in Halle begonnen, das den einen als Teil des Stadtbild und Stück Geschichte, anderen aber als lästige Erinnerung an die DDR galt. 

Als die Stadtverwaltung plante, den ungeliebten Riebeckplatz zu einem modernen, schicken, ganz aus Beton gegossenen Monument des Aufschwungs Ost zu machen, fand sich ein Grund, das seit über 30 Jahren vor dem ehemaligen "Haus des Lehrer" stehen Denkmal zu schleifen. Der Versuch einer Leipziger Initiative, das 15 Meter hohe Betonmonster zurückbauen und andernorts wieder errichten, scheiterte. Angeblich ständen Urheberrechte der Überlassung, dem Abbau und der Neuerrichtung anderswo entgegen.

Der Abriss selbst war ein unspektakulärer Prozess für einen Bagger und einen Baggerfahrer. An einem sonnigen Donnerstagmorgen kurz nach sechs kam Marco Bauer, damals 33 Jahre alt, 76 Kilo vielleicht, 1,75 groß und von Beruf Baggerfahrer bei der Abbruchfirma Todte. "Bis Mittag", kündigte er an, "dann sind die Dinger Geschichte." Kein Zweifel in dem breiten Lächeln mitten im Arbeitergesicht. "Ich mach das platt, wir essen pünktlich."

Zuschauer sehen teils kritisch, teils wohlwollend zu. "Ruhig weg mit dem Quatsch", sagt Günther Schmuhl, "dann habe ich endlich eine bessere Aussicht." Die nämlich ist schon versaut gewesen, als der heute 69-Jährige vor 32 Jahren gegenüber einzog. "Da war das Ding nagelneu", erinnert sich Schmuhl, "und dann hat man sich so eingeguckt."

Man kannte es dann nicht anders all die Jahre. Da war der Platz mit dem Kreisverkehr am halleschen Bahnhof, das Hochhaus-Tor zur Neustadt und direkt davor das nur "die Fäuste" genannte "Monument der Arbeiterbewegung": Ein 15-Meter-Klotz aus 300 Tonnen Beton, aus dem sich vier geballte Hände zornig in den Himmel recken. 33 Jahre ließ das Monument, geliebt nur von den Stadttauben, keinen Zweifel an seiner Botschaft. Arbeiterfäuste, panzerhart!

All die Kämpfe um die Fäuste, sie sind an diesem Morgen geschlagen. Wellenförmig tauchte die Frage seit der Wende immer wieder auf. Soll er weg, der hässliche Klotz? Oder muss er stehenbleiben - einmalig wie er ist? Eine Diskussion, die unentschieden stand, bis die Gleise für eine neue Straßenbahnlinie näherrückten.

Nun endlich waren Argumente da, das Schandmal zu kippen: Wo der mächtige Monolith Günther Schmuhl die Sicht verdeckt, fährt nun die Bahn zum Bahnhof. Drogenhändler eröffneten ihre fliegenden Läden, Skateboarden proben hier, neugeschaffene Läden warten auf Wagemutige, die versuchen, den durchs Dämmerige des Halbtunnels hastenden Passanten irgendetwas zu verkaufen.

Ein Konzept, das den Stadtrat überzeugte, das sogar die sonst bei jedem Erkeranstrich eisenharten Denkmalschützer bewog, dem Abriss zuzustimmen. Nein, keine Protest-Demos an diesem Sommermorgen, als Marko Bauer seine Maschine anwirft. Keine Spruchbänder, keine Faust-Besetzung, wie sie der Alptraum der Stadtverwaltung gewesen sein mag. Spurlos verschwindet der Brocken. Später folgen ihm die beiden flankierenden Hochhäuser.

13 Jahre danach ist nicht einmal mehr Erinnerung übrig. Nur noch ein flacher, glatter Platz mit ein paar schütteren Bäumchen, der im Sommer in der Sonne glüht. Und in der Dämmerung von Drogenhändlern beherrscht wird.




Mittwoch, 6. Juli 2016

Die vergessene DDR: Aus einem Land vor unserer Zeit


Als die Mauer fiel, waren sie ein Jahr alt: Die letzten Kinder der DDR haben keine eigenen Erinnerungen mehr an ihr Vaterland, aber genaue Vorstellungen, wie es auf jeden Fall vielleicht gewesen sein könnte. Alles lange her, alles längst Geschichte. Was Jugendliche über die DDR wissen oder zu wissen glauben, hängt davon ab, was Eltern und Großeltern erzählen. Wenig ist es aber in jedem Fall.

Sie sind damals alle ein bisschen zu früh gekommen. Und ein wenig zu spät dran gewesen. "Als die Mauer fiel", erzählt Johannes, "sind mein Vater und meine Schwestern gleich am nächsten Tag in den Westen gefahren, um mal zu gucken." Er selber, am 9. November 1989 gerade ein Jahr alt, blieb mit seiner Mutter zurück. Ohne Trauer, lacht er. "Ich hätte ja sowieso nichts mitgekriegt."


Zu spät, um die DDR noch kennen lernen zu können. Zu früh, um im neuen Deutschland geboren zu sein. Wer heute 25 oder 26 ist, kommt aus einem Land vor unserer Zeit. Keiner hat eigene Erinnerungen an den untergegangenen Arbeiter- und Bauernstaat. Doch alle haben genaue Vorstellungen von dem, was damals gewesen ist.

Jeder Montagmorgen zum Beispiel begann mit einem Fahnenappell. Daniel spricht das Wort aus, als habe er sich den Magen daran verdorben. "Wer irgendwie daneben lag", glaubt er, "wurde da vor versammelter Schule runtergemacht." Schließlich habe niemand aus der Reihe tanzen sollen, und "alle sollten glauben, was der Staat wollte". Da nicken die Köpfe einhellig. "Die Leute sind ja so erzogen worden", sagt Georg, "dass sie vieles akzeptiert haben, obwohl es ihnen gegen den Strich ging."

Was ihren Eltern da geschah, ist den Jugendlichen immerhin noch vorstellbar. Nicht, dass sie sich wirklich damit beschäftigt habe, gibt Mandy zu. "Nur mit Geschichten wie Stasi und so, die spannend sind." Aber wenn die DDR ein Gefängnis gewesen sei, dann eines, in dem sich die Insassen doch einrichten konnten, irgendwie, schließt Alexander aus den Erzählungen seiner Eltern. "Die Freiheit war nicht da, aber deshalb haben die nicht alle jeden Tag nur gelitten."

Ganz im Gegenteil, glaubt Johannes. "Weil es so wenig gab, haben die Menschen mehr zusammengehalten." In den DDR-Geschichten, die in den Familien erzählt werden, ist so auch seltener von der Partei und häufiger von den Partys die Rede. Und obwohl die gelegentlichen Ostalgie-Wellen durchweg mit Abscheu verfolgt werden, lebt der triste Alltag zwischen Schlangestehen und Trabifahren am liebsten als Abenteuer wieder auf: Wie die Eltern nach Schallplatten jagten, "ohne zu wissen, was überhaupt drauf war". Martin lacht. Wie sie klitzekleine Auslandsabstecher als Weltreisen nahmen. Wie sie zusammen nicht einverstanden waren, "aber eben auch nichts machen konnten". Auch Anja hat dieses DDR-Bild im Kopf: Mehr Wärme, weniger Ellenbogen. "Jeder hat einen Job bekommen", sagt Daniel, "wenn man nichts Tolles wollte, musste man sich über sein Leben gar keinen Kopf machen."

Das klingt schrecklich. Und sehr bequem. "Die Ansprüche waren geringer", meint Alexander, "wo heute eine Villa her muss, reichte damals schon eine Jeans." Der Mensch als Passagier im großen Lebensbus, mit einem treusorgenden Staat am Steuer. "Mir würde da", sagt Sebastian, "die Freiheit fehlen." Andererseits, bemerkt Josephine, "kommt man heute nach dem Abi aus der Schule und keiner nimmt einen bei der Hand."

Dafür biete die Welt ungleich mehr Chancen, argumentiert Philipp. "Man kann alles machen, keiner redet einem rein." Vorausgesetzt, man hat die Kraft, nach den unbegrenzten Möglichkeiten zu greifen, schränkt Georg ein: "Wer das nicht drauf hat, fällt auf die Nase."

Aber nein, sie könnten sich nicht vorstellen, anders zu leben. "Der ganze Gruppenzwang damals, das passt nicht zu uns", vermutet Georg. Alle seien heute viel individualistischer, viel egoistischer auch. "Damals konnte keiner als Punk rumlaufen, weil er halt in der FDJ war", stellt er sich vor.

Dass einer beides zugleich war? Blauhemd und Irokesenschnitt? Undenkbar. Er könne doch verstehen, dass es Gleichaltrigen in der DDR auch Spaß gemacht habe, "als Pioniere rumzurennen, wenn ihre Freunde auch Pioniere waren", meint Johannes. "Aber wir sind gewohnt, dass wir wählen können, zu welcher Szene wir gehören."

Wie sie da sitzen, in Kapuzenjacke und Baggy-Hosen, bauchfreiem T-Shirt und Karohemd, ist das zu glauben. Die heute jung sind, sind keine Kinder mehr und doch noch keine Erwachsenen. Sie sind so selbstbewusst, weltgewandt und eigensinnig, wie sie im Schatten der Mauer wohl nie geworden wären. Doch Kinderland ist abgebrannt, und auch der Rauch hat sich verzogen: Der letzte DDR-Staatsratsvorsitzende wird für die finale Generation seiner Untertanen auf immer Erich Honecker heißen, nicht Egon Krenz. Auch der Ostrock ist zusammengeschrumpelt zu einem Triumvirat aus Puhdys, City und Karat. Silly, nein, die sind von später. Die Frage, ob zu Hause immer noch Ost- oder eher doch West-Zigarettensorten geraucht würden, beantwortet ein kollektives Staunen. Dann fragt es von ganz hinten ganz leise: "Ähm, wie hießen denn die Ostmarken?"

Sonntag, 3. Juli 2016

Der Iran schützt seine Daten

Die EU macht es vor, der Iran macht es nach. Nach dem Platzen der Safe-Harbour-Regelungen zwischen EU und USA droht amerikanischen Internetfirmen künftig eine Zwangsspeicherung aller Kundendaten in Europa - aus Datenschutzgründen. Eine ähnliche Begründung bringt jetzt auch die Regierung des Iran vor, um Anbieter von Kommunikationsapps zu zwingen, die Daten von iranischen Nutzern nur noch im Iran zu speichern.

Ein Jahr sollen ausländische Anbieter von Messaging-Apps Zeit bekommen, um in der Islamischen Republik eine Infrastruktur aufzubauen, die es ihnen erlaubt, Daten von und über iranische Staatsbürger auf Server innerhalb des Iran zu speichern.

Gegen eine Speicherung im Ausland sprächen Datenschutz- und Sicherheitsbedenken, behauptet die Regierung in Teheran. Alle Dienste, die dem nicht Folge leisten, könnten nicht weiter im Land arbeiten, erläuterte der sogenannte Oberste Rat für den Cyberspace. In der Bevölkerung des Landes, das auf Platz 14 der Staaten mit den meisten Handyanschlüssen liegt, sind Whatsapp und Telegram ebenso wie Twitter, Facebook und andere Netzwerke äußerst beliebt, wenn sie auch gelegentlich von der Regierung blockiert werden.

Die neuen Maßnahmen rufen Befürchtungen hervor, der Staat wolle sich auf diese Weise einen Zugriff auf die Netzwerke sichern. Die Pflicht zur inländischen Datenspeicherung könnte dann auch genutzt werden, um unliebsame Einträge zu entfernen und Nutzer unter Druck zu setzen. So ist das wohl geplant.

Der Iran macht es vor. Deutschland macht es nach.

Sonntag, 19. Juni 2016

Die ausgefallene Rückkehr der Eiskerze


Früher war Harald Sch. umtriebig und erfolgreich - Jetzt sitzt er zu Hause und will nicht aufgeben


Stapeln hat er müssen. Stapeln! Vier Lagen hoch die Wagen und ganz eng nebeneinander. "Es kam dermaßen viel Zeug rein", sagt Harald Sch., "ich bin kaum noch hinterhergekommen." Schrott hatte goldenen Boden. 30 000 Mark Umsatz sind die Regel. Nebenher hat der Mann aus Schortewitz drei Bagger laufen, "und meine Raupen habe ich mit dem eigenen Tieflader umgesetzt".


Sch.s Augen, die normalerweise matt schimmern wie feuchtes Laub, leuchten auf. Tiefstrahler in die Vergangenheit. 2 000 komplette Räder hatte er abgeschraubt und gelagert. Trabi-Motorblöcke zu Dutzenden gebunkert, ganze LPG-Lager ausgeräumt und nie still gesessen. Tausende alte Waschmaschinen lieferte ein großes Versandhaus ins Haus. "Die musste man gar nicht verschrotten, die konnte man verkaufen."


So war das. Harald Sch., der in seinem Leben schon Mechaniker war und Bauunternehmer, Schrotthändler und Eisfabrikant, und heute nicht einmal mehr Sozialhilfe beziehen kann, hat immer die Chancen gesehen. Schon in der DDR, als er in der Magnetbandfabrik Wolfen arbeitete und sich jeden Morgen wunderte, "dass wir erstmal die Leute von der Nachtschicht wecken mussten". Und dann die Arbeit! "Nur Gepfusche und Geflicke, das konnte nicht gut gehen."


Unfreiwilliger Abschied


Es kommt der Tag, an dem Sch.s Ärger explodiert: "Ein paar Wahrheiten ausgesprochen, und plötzlich bist du Luft", erinnert er sich an seinen nicht ganz freiwilligen Abschied aus der Produktion.
Die DDR-Volkswirtschaft aber wartete nur auf einen wie ihn. Zu Flicken und Pfuschen gibt es allenthalben im Arbeiter- und Bauernstaat, wenn man nur die Chuzpe hat, sich in die Grauzone der Tausch- und Beschaffergesellschaft zu begeben.


Hier, unterhalb der Sichthöhe der Staatsmacht, wo die freischaffenden Friemler frickeln und fummeln, funktioniert die Wirtschaft nach streng marktwirtschaftlichen Prinzipien. Wer etwas hat, das andere brauchen, darf den Preis bestimmen. "Und ich hatte Barkas-Getriebe", erzählt Harald Sch.


Für einen Moment sitzt er nicht mehr auf der Kuschelcouch im halbdunklen Zimmer, knetet nicht mehr Finger und Lebenslauf. Schöne ist dort, wo es schön ist: in den Tagen, als es "geht nicht" nicht gab und die Welt sich seiner Talente bediente.


Hinten im Schuppen schraubt der Autodidakt damals begehrte Ersatzteile aus Schrott zusammen. So eifrig, dass kaum Zeit bleibt für Frau und die beiden Kinder. "Und meine Produkte waren tipptopp."


Eine Tatsache, die sich schnell herumspricht. Von überallher kommen die Fuhrparkchefs, um alte Getriebe unter Dreingabe des einen oder anderen Scheins gegen renovierte einzutauschen. Zum Kundenkreis des Schwarzarbeiters gehört das Defa-Spielfilmstudio ebenso wie Innenministerium und Stasi. Die gilt ihm als lästiger Kunde: "Hatten nichts zu tauschen."



Es reicht auch so. Sch. bezahlt sein Haus nebst 15 000 Quadratmetern Land in bar. Er gibt 7 000 Mark für einen der ersten DDR-Farbfernseher aus. Und kauft für 36 000 Mark einen Wartburg, mit dem er auf Wolke sieben durchs Dorf schwebt.


Sch. schnuppert den Boom

Dann kommt die Wende. Harald Sch. ist 37, und er schnuppert den Boom. "Dass Ersatzteile nicht mehr laufen, war mir klar." Er macht in Autoverwertung und Maschinenverleih, der Fuhrpark besteht aus Russen-Raupen und polnischen Baggern, ein alter Sowjet-Lkw zieht den Anhänger. 


Es ist wie früher: Gute Bekannte vermitteln Aufträge, Freunde schicken Freunde. Beziehungen sind alles. Der Guerilla-Unternehmer, mit buschigen Koteletten und David-Crosby-Frisur ein wandelndes Bekenntnis zu den 70ern, hat jetzt Angestellte, eine Buchhaltung und einen Investitionsplan. "Ich dachte, jetzt schlägt die Stunde für Leute, die was aufbauen wollen."

Eine Eisfabrik zum Beispiel. In Harald Sch.s Welt ist das denkbar einfach: Man kauft Maschinen, lässt sich Rezepte schicken und fummelt herum. "Geht nicht" gibt's nicht. "Schon die erste Mischung hat toll geschmeckt." Drei Wochen später sind Etiketten gedruckt, Becher abgefüllt und Kioske und Läden im Umland beliefert.


Die Nachfrage ist groß. "Ich dachte, Mensch, das ernährt die Familie." Sch. lässt sich bei der Handwerkskammer eintragen. Und träumt in kurzen Nächten häufig vom Comeback der "Eiskerze". Tagsüber interessieren sich plötzlich Umweltbehörden und Ordnungsämter für sein Schaffen. Sein Schrottplatz liegt, erfährt der Unternehmer, in einer Wasserschutzzone. Das Waschhaus, in dem die Eismaschine orgelt, genügt nicht der Hygiene-Norm.


Harald Sch. fummelt. Er fliest. Er friemelt und gibt nicht auf. Besucht Banken, bettelt um Kredite, doch "Eishersteller gibt es genug, haben sie gesagt". Die Behörden fordern Analysen, Anträge, bauliche Veränderungen, die Banken Konzepte und Ertragsrechnungen.


Eispionier vor dem Karren

Der Pionier, als den sich Harald Sch. sieht, zieht den Karren durch eine komplizierter gewordene Welt, in der die Methoden seiner Gründerzeit nicht mehr verfangen. Er investiert, was er hat. Doch es reicht nicht. Papier ist alles, Beziehungen sind nichts. Niemand mag mehr tauschen, alle wollen Geld.


"Ich habe einfach an die Eisidee geglaubt", spricht Sch. mit schmalen Lippen, "und nicht an die Verhinderungsbürokratie gedacht." Nicht fassbar ist seinem Eigensinn, dass niemand ihm Geld geben wird für die Rückkehr der Eiskerze. Selbst als er Grund und Boden als Sicherheit anbietet, winken die Banken ab. "Land in Schortewitz wolle doch niemand".


Harald Sch. hat eine ganze Weile weitergeträumt. Dann hat er die Eismaschine eingemottet, das Waschaus abgeschlossen und beim Sozialamt Unterstützung beantragt. Die Behörde hat abgelehnt: Erst müsse er sein Land verkaufen.


Das will niemand haben, und so muss gerechnet werden bei Sch.s. Stütze von der Frau, Kindergeld, eine kleine Rente - viel bleibt nicht im Monat. Doch noch schlimmer kommt Harald Sch. die große Langeweile an, "wo ich doch immer geschuftet habe". Jetzt hat er noch mal an den Verein "Alt hilft Jung" geschrieben, "na ja, ohne Erwartungen".


Meist sitzt er aber bloß vor dem Fernseher, der in der DDR mal der modernste war, und überlegt, ob er nicht vielleicht selbst einen Verein gründen sollte. Einen, der bei Supermärkten Lebensmittel für sozial Schwache sammelt etwa - "nur um irgendwas zu tun".


Arbeit? Wenn er jünger wäre, das Haus nicht hätte, hebt er die Hände. Aber so? Hier ist doch nichts. Schon gar nicht für einen, der die Schlüssel zum Glück im Waschhaus liegen hat: den Pasteurisierer, die Kübel, die Kühltruhen . . . "Es könnte sofort losgehen", schleichen die Worte tonlos aus der Sofatiefe, als würde nie wieder etwas losgehen. 


Drei Orte weiter, weiß Harald Sch., macht auch einer in Eis. "Der hat ein Haus in Miami."