Dienstag, 2. August 2016

Sandow: Ein Film ohne Bilder


Sandow-Sänger Kai-Uwe Kohlschmidt kombiniert auf seinem neuen Album „Den Himmel malen“ Fiktion und Erinnerung, Musik und Vergangenheit.

Was sie taten, war in den Augen der sozialistischen Kulturbürokraten unerhört. Auf offener Bühne bemalt ein Mann nackte Frauen, eine Band spielt dazu apokalyptische Musik. Songs, die kaum als solche zu erkennen sind. Rock, der nicht nach DDR klingt, sondern nach New York, Tokio oder London.

Die Band hieß Sandow, der Maler Hans Scheuerecker. Keine gewöhnliche Band, auch wenn ihr größter Hit „Born in the GDR“ wie eine normale Rockhymne daherkam. Und kein Maler wie jeder andere, denn Scheuerecker, geboren in Thüringen, aber ansässig in Cottbus, hatte in der DDR über Jahre hinweg vergebens versucht, zum Kunststudium zugelassen zu werden.

Doch auch das war die DDR in ihren letzten Jahren: In Nischen unterhalb der staatlichen Anerkennung gelang es Künstlern, sich dem Konformitätsdruck der Zulassungskommissionen zu entziehen und zu tun, was sie tun wollten.

Der Preis dafür war, dass die Staatssicherheit nie weit weg gewesen ist. Scheuerecker fand nach dem Zusammenbruch 800 Seiten Akten über sich, zusammengetragen von 70 IM. 800 Seiten, die der 64-Jährige sich zu lesen weigerte. Stattdessen ließ Scheuerecker, 2011 mit dem Brandenburgischen Kunstpreis geehrt, das Sandow-Chef Kai-Uwe Kohlschmidt tun.

Den schüttelte zuerst der „Ekel“, wie er sagt. Dann aber faszinierte ihn der eigentümliche Stasi-Sound aus „Einfalt, Dummheit und armseliger Missgunst“. Eine Heerschar von Denunzianten umschwirrt einen jungen Bohemien, „rätseldeutet sein Tun“ (Kohlschmidt). Es geht nun nicht mehr darum, zu urteilen oder gar zu verurteilen. Sondern darum, aus dem Konvolut von Bürokratensprache, Hinterrückshetze und Plänen zur Zersetzung ein Hörspiel zu machen.

„Den Himmel malen“ hat Kohlschmidt den 79 Minuten langen und überaus aufwendig gestalteten Film ohne Bilder genannt, der fast vollständig auf einem Boot auf der Ostsee spielt - wo der größte Teil des ungewöhnlichen Werkes auch aufgenommen wurde.
„Produzieren im Raum“ nennt der Musiker und Theatermacher seine Herangehensweise. Sechs Rollen, sechs Sprecher, ein Boot, das wirklich fährt. „Die Story und ihre Figuren nehmen Besitz von uns“, beschreibt Wolfgang Wagner, der den Max Scharnegger spricht, in dem unschwer der echte Scheuerecker zu erkennen ist.

Es geht um einen schillernden Maler, um den Kreis seiner Bewunderer, um seine Liebhaberinnen und Jünger und um den dunklen Geist der Stasi, der die Beziehungen zwischen Freunden noch aus Jahrzehnten Abstand vergiften kann. Alles ist inspiriert von den Akten, hat aber mit der wahren Geschichte nichts zu tun. Hier sitzt der Stasi-Mann todkrank auf einer Insel und wartet darauf, den von ihm verehrten wie bespitzelten Maler ein letztes Mal missbrauchen zu können.

Scharnegger solle ihm den Himmel malen, fordert der Stasi-Offizier, der vom Überwacher zum Fan und vom Fan zum Mäzen geworden ist, dessen Ankäufen der Maler nach dem Aufbruch in die freie Kunstwelt alles verdankt.

Wo ist Schuld? Wo bleibt die Sühne? Hier endet die Geschichte nicht im langsamen Vergehen der Zeit, nicht im Verschwimmen der Erinnerung und dem Zuwachsen von Wunden. Sondern in einem reinigenden Abschied auf hoher See, bei dem die Opfer und der Täter im selben Tränenmeer schwimmen.

Gelöst ist nichts, denn es gibt keine Lösung.

Das Doppelalbum enthält eine DVD mit einem Film zum Making Of
und ist in einer Sonderedition mit einem limitierten Siebdruck von Hans Scheuerecker erhältlich.

www.kaiuwekohlschmidt.net
www.mangan25.de

Donnerstag, 28. Juli 2016

Fäuste-Abriss Halle: "Ich mach das platt, wir essen pünktlich."


Vor 13 Jahren wurde mit dem Abriss des "Fäuste"-Denkmals in Halle begonnen, das den einen als Teil des Stadtbild und Stück Geschichte, anderen aber als lästige Erinnerung an die DDR galt. 

Als die Stadtverwaltung plante, den ungeliebten Riebeckplatz zu einem modernen, schicken, ganz aus Beton gegossenen Monument des Aufschwungs Ost zu machen, fand sich ein Grund, das seit über 30 Jahren vor dem ehemaligen "Haus des Lehrer" stehen Denkmal zu schleifen. Der Versuch einer Leipziger Initiative, das 15 Meter hohe Betonmonster zurückbauen und andernorts wieder errichten, scheiterte. Angeblich ständen Urheberrechte der Überlassung, dem Abbau und der Neuerrichtung anderswo entgegen.

Der Abriss selbst war ein unspektakulärer Prozess für einen Bagger und einen Baggerfahrer. An einem sonnigen Donnerstagmorgen kurz nach sechs kam Marco Bauer, damals 33 Jahre alt, 76 Kilo vielleicht, 1,75 groß und von Beruf Baggerfahrer bei der Abbruchfirma Todte. "Bis Mittag", kündigte er an, "dann sind die Dinger Geschichte." Kein Zweifel in dem breiten Lächeln mitten im Arbeitergesicht. "Ich mach das platt, wir essen pünktlich."

Zuschauer sehen teils kritisch, teils wohlwollend zu. "Ruhig weg mit dem Quatsch", sagt Günther Schmuhl, "dann habe ich endlich eine bessere Aussicht." Die nämlich ist schon versaut gewesen, als der heute 69-Jährige vor 32 Jahren gegenüber einzog. "Da war das Ding nagelneu", erinnert sich Schmuhl, "und dann hat man sich so eingeguckt."

Man kannte es dann nicht anders all die Jahre. Da war der Platz mit dem Kreisverkehr am halleschen Bahnhof, das Hochhaus-Tor zur Neustadt und direkt davor das nur "die Fäuste" genannte "Monument der Arbeiterbewegung": Ein 15-Meter-Klotz aus 300 Tonnen Beton, aus dem sich vier geballte Hände zornig in den Himmel recken. 33 Jahre ließ das Monument, geliebt nur von den Stadttauben, keinen Zweifel an seiner Botschaft. Arbeiterfäuste, panzerhart!

All die Kämpfe um die Fäuste, sie sind an diesem Morgen geschlagen. Wellenförmig tauchte die Frage seit der Wende immer wieder auf. Soll er weg, der hässliche Klotz? Oder muss er stehenbleiben - einmalig wie er ist? Eine Diskussion, die unentschieden stand, bis die Gleise für eine neue Straßenbahnlinie näherrückten.

Nun endlich waren Argumente da, das Schandmal zu kippen: Wo der mächtige Monolith Günther Schmuhl die Sicht verdeckt, fährt nun die Bahn zum Bahnhof. Drogenhändler eröffneten ihre fliegenden Läden, Skateboarden proben hier, neugeschaffene Läden warten auf Wagemutige, die versuchen, den durchs Dämmerige des Halbtunnels hastenden Passanten irgendetwas zu verkaufen.

Ein Konzept, das den Stadtrat überzeugte, das sogar die sonst bei jedem Erkeranstrich eisenharten Denkmalschützer bewog, dem Abriss zuzustimmen. Nein, keine Protest-Demos an diesem Sommermorgen, als Marko Bauer seine Maschine anwirft. Keine Spruchbänder, keine Faust-Besetzung, wie sie der Alptraum der Stadtverwaltung gewesen sein mag. Spurlos verschwindet der Brocken. Später folgen ihm die beiden flankierenden Hochhäuser.

13 Jahre danach ist nicht einmal mehr Erinnerung übrig. Nur noch ein flacher, glatter Platz mit ein paar schütteren Bäumchen, der im Sommer in der Sonne glüht. Und in der Dämmerung von Drogenhändlern beherrscht wird.




Mittwoch, 6. Juli 2016

Die vergessene DDR: Aus einem Land vor unserer Zeit


Als die Mauer fiel, waren sie ein Jahr alt: Die letzten Kinder der DDR haben keine eigenen Erinnerungen mehr an ihr Vaterland, aber genaue Vorstellungen, wie es auf jeden Fall vielleicht gewesen sein könnte. Alles lange her, alles längst Geschichte. Was Jugendliche über die DDR wissen oder zu wissen glauben, hängt davon ab, was Eltern und Großeltern erzählen. Wenig ist es aber in jedem Fall.

Sie sind damals alle ein bisschen zu früh gekommen. Und ein wenig zu spät dran gewesen. "Als die Mauer fiel", erzählt Johannes, "sind mein Vater und meine Schwestern gleich am nächsten Tag in den Westen gefahren, um mal zu gucken." Er selber, am 9. November 1989 gerade ein Jahr alt, blieb mit seiner Mutter zurück. Ohne Trauer, lacht er. "Ich hätte ja sowieso nichts mitgekriegt."


Zu spät, um die DDR noch kennen lernen zu können. Zu früh, um im neuen Deutschland geboren zu sein. Wer heute 25 oder 26 ist, kommt aus einem Land vor unserer Zeit. Keiner hat eigene Erinnerungen an den untergegangenen Arbeiter- und Bauernstaat. Doch alle haben genaue Vorstellungen von dem, was damals gewesen ist.

Jeder Montagmorgen zum Beispiel begann mit einem Fahnenappell. Daniel spricht das Wort aus, als habe er sich den Magen daran verdorben. "Wer irgendwie daneben lag", glaubt er, "wurde da vor versammelter Schule runtergemacht." Schließlich habe niemand aus der Reihe tanzen sollen, und "alle sollten glauben, was der Staat wollte". Da nicken die Köpfe einhellig. "Die Leute sind ja so erzogen worden", sagt Georg, "dass sie vieles akzeptiert haben, obwohl es ihnen gegen den Strich ging."

Was ihren Eltern da geschah, ist den Jugendlichen immerhin noch vorstellbar. Nicht, dass sie sich wirklich damit beschäftigt habe, gibt Mandy zu. "Nur mit Geschichten wie Stasi und so, die spannend sind." Aber wenn die DDR ein Gefängnis gewesen sei, dann eines, in dem sich die Insassen doch einrichten konnten, irgendwie, schließt Alexander aus den Erzählungen seiner Eltern. "Die Freiheit war nicht da, aber deshalb haben die nicht alle jeden Tag nur gelitten."

Ganz im Gegenteil, glaubt Johannes. "Weil es so wenig gab, haben die Menschen mehr zusammengehalten." In den DDR-Geschichten, die in den Familien erzählt werden, ist so auch seltener von der Partei und häufiger von den Partys die Rede. Und obwohl die gelegentlichen Ostalgie-Wellen durchweg mit Abscheu verfolgt werden, lebt der triste Alltag zwischen Schlangestehen und Trabifahren am liebsten als Abenteuer wieder auf: Wie die Eltern nach Schallplatten jagten, "ohne zu wissen, was überhaupt drauf war". Martin lacht. Wie sie klitzekleine Auslandsabstecher als Weltreisen nahmen. Wie sie zusammen nicht einverstanden waren, "aber eben auch nichts machen konnten". Auch Anja hat dieses DDR-Bild im Kopf: Mehr Wärme, weniger Ellenbogen. "Jeder hat einen Job bekommen", sagt Daniel, "wenn man nichts Tolles wollte, musste man sich über sein Leben gar keinen Kopf machen."

Das klingt schrecklich. Und sehr bequem. "Die Ansprüche waren geringer", meint Alexander, "wo heute eine Villa her muss, reichte damals schon eine Jeans." Der Mensch als Passagier im großen Lebensbus, mit einem treusorgenden Staat am Steuer. "Mir würde da", sagt Sebastian, "die Freiheit fehlen." Andererseits, bemerkt Josephine, "kommt man heute nach dem Abi aus der Schule und keiner nimmt einen bei der Hand."

Dafür biete die Welt ungleich mehr Chancen, argumentiert Philipp. "Man kann alles machen, keiner redet einem rein." Vorausgesetzt, man hat die Kraft, nach den unbegrenzten Möglichkeiten zu greifen, schränkt Georg ein: "Wer das nicht drauf hat, fällt auf die Nase."

Aber nein, sie könnten sich nicht vorstellen, anders zu leben. "Der ganze Gruppenzwang damals, das passt nicht zu uns", vermutet Georg. Alle seien heute viel individualistischer, viel egoistischer auch. "Damals konnte keiner als Punk rumlaufen, weil er halt in der FDJ war", stellt er sich vor.

Dass einer beides zugleich war? Blauhemd und Irokesenschnitt? Undenkbar. Er könne doch verstehen, dass es Gleichaltrigen in der DDR auch Spaß gemacht habe, "als Pioniere rumzurennen, wenn ihre Freunde auch Pioniere waren", meint Johannes. "Aber wir sind gewohnt, dass wir wählen können, zu welcher Szene wir gehören."

Wie sie da sitzen, in Kapuzenjacke und Baggy-Hosen, bauchfreiem T-Shirt und Karohemd, ist das zu glauben. Die heute jung sind, sind keine Kinder mehr und doch noch keine Erwachsenen. Sie sind so selbstbewusst, weltgewandt und eigensinnig, wie sie im Schatten der Mauer wohl nie geworden wären. Doch Kinderland ist abgebrannt, und auch der Rauch hat sich verzogen: Der letzte DDR-Staatsratsvorsitzende wird für die finale Generation seiner Untertanen auf immer Erich Honecker heißen, nicht Egon Krenz. Auch der Ostrock ist zusammengeschrumpelt zu einem Triumvirat aus Puhdys, City und Karat. Silly, nein, die sind von später. Die Frage, ob zu Hause immer noch Ost- oder eher doch West-Zigarettensorten geraucht würden, beantwortet ein kollektives Staunen. Dann fragt es von ganz hinten ganz leise: "Ähm, wie hießen denn die Ostmarken?"

Sonntag, 3. Juli 2016

Der Iran schützt seine Daten

Die EU macht es vor, der Iran macht es nach. Nach dem Platzen der Safe-Harbour-Regelungen zwischen EU und USA droht amerikanischen Internetfirmen künftig eine Zwangsspeicherung aller Kundendaten in Europa - aus Datenschutzgründen. Eine ähnliche Begründung bringt jetzt auch die Regierung des Iran vor, um Anbieter von Kommunikationsapps zu zwingen, die Daten von iranischen Nutzern nur noch im Iran zu speichern.

Ein Jahr sollen ausländische Anbieter von Messaging-Apps Zeit bekommen, um in der Islamischen Republik eine Infrastruktur aufzubauen, die es ihnen erlaubt, Daten von und über iranische Staatsbürger auf Server innerhalb des Iran zu speichern.

Gegen eine Speicherung im Ausland sprächen Datenschutz- und Sicherheitsbedenken, behauptet die Regierung in Teheran. Alle Dienste, die dem nicht Folge leisten, könnten nicht weiter im Land arbeiten, erläuterte der sogenannte Oberste Rat für den Cyberspace. In der Bevölkerung des Landes, das auf Platz 14 der Staaten mit den meisten Handyanschlüssen liegt, sind Whatsapp und Telegram ebenso wie Twitter, Facebook und andere Netzwerke äußerst beliebt, wenn sie auch gelegentlich von der Regierung blockiert werden.

Die neuen Maßnahmen rufen Befürchtungen hervor, der Staat wolle sich auf diese Weise einen Zugriff auf die Netzwerke sichern. Die Pflicht zur inländischen Datenspeicherung könnte dann auch genutzt werden, um unliebsame Einträge zu entfernen und Nutzer unter Druck zu setzen. So ist das wohl geplant.

Der Iran macht es vor. Deutschland macht es nach.

Sonntag, 19. Juni 2016

Die ausgefallene Rückkehr der Eiskerze


Früher war Harald Sch. umtriebig und erfolgreich - Jetzt sitzt er zu Hause und will nicht aufgeben


Stapeln hat er müssen. Stapeln! Vier Lagen hoch die Wagen und ganz eng nebeneinander. "Es kam dermaßen viel Zeug rein", sagt Harald Sch., "ich bin kaum noch hinterhergekommen." Schrott hatte goldenen Boden. 30 000 Mark Umsatz sind die Regel. Nebenher hat der Mann aus Schortewitz drei Bagger laufen, "und meine Raupen habe ich mit dem eigenen Tieflader umgesetzt".


Sch.s Augen, die normalerweise matt schimmern wie feuchtes Laub, leuchten auf. Tiefstrahler in die Vergangenheit. 2 000 komplette Räder hatte er abgeschraubt und gelagert. Trabi-Motorblöcke zu Dutzenden gebunkert, ganze LPG-Lager ausgeräumt und nie still gesessen. Tausende alte Waschmaschinen lieferte ein großes Versandhaus ins Haus. "Die musste man gar nicht verschrotten, die konnte man verkaufen."


So war das. Harald Sch., der in seinem Leben schon Mechaniker war und Bauunternehmer, Schrotthändler und Eisfabrikant, und heute nicht einmal mehr Sozialhilfe beziehen kann, hat immer die Chancen gesehen. Schon in der DDR, als er in der Magnetbandfabrik Wolfen arbeitete und sich jeden Morgen wunderte, "dass wir erstmal die Leute von der Nachtschicht wecken mussten". Und dann die Arbeit! "Nur Gepfusche und Geflicke, das konnte nicht gut gehen."


Unfreiwilliger Abschied


Es kommt der Tag, an dem Sch.s Ärger explodiert: "Ein paar Wahrheiten ausgesprochen, und plötzlich bist du Luft", erinnert er sich an seinen nicht ganz freiwilligen Abschied aus der Produktion.
Die DDR-Volkswirtschaft aber wartete nur auf einen wie ihn. Zu Flicken und Pfuschen gibt es allenthalben im Arbeiter- und Bauernstaat, wenn man nur die Chuzpe hat, sich in die Grauzone der Tausch- und Beschaffergesellschaft zu begeben.


Hier, unterhalb der Sichthöhe der Staatsmacht, wo die freischaffenden Friemler frickeln und fummeln, funktioniert die Wirtschaft nach streng marktwirtschaftlichen Prinzipien. Wer etwas hat, das andere brauchen, darf den Preis bestimmen. "Und ich hatte Barkas-Getriebe", erzählt Harald Sch.


Für einen Moment sitzt er nicht mehr auf der Kuschelcouch im halbdunklen Zimmer, knetet nicht mehr Finger und Lebenslauf. Schöne ist dort, wo es schön ist: in den Tagen, als es "geht nicht" nicht gab und die Welt sich seiner Talente bediente.


Hinten im Schuppen schraubt der Autodidakt damals begehrte Ersatzteile aus Schrott zusammen. So eifrig, dass kaum Zeit bleibt für Frau und die beiden Kinder. "Und meine Produkte waren tipptopp."


Eine Tatsache, die sich schnell herumspricht. Von überallher kommen die Fuhrparkchefs, um alte Getriebe unter Dreingabe des einen oder anderen Scheins gegen renovierte einzutauschen. Zum Kundenkreis des Schwarzarbeiters gehört das Defa-Spielfilmstudio ebenso wie Innenministerium und Stasi. Die gilt ihm als lästiger Kunde: "Hatten nichts zu tauschen."



Es reicht auch so. Sch. bezahlt sein Haus nebst 15 000 Quadratmetern Land in bar. Er gibt 7 000 Mark für einen der ersten DDR-Farbfernseher aus. Und kauft für 36 000 Mark einen Wartburg, mit dem er auf Wolke sieben durchs Dorf schwebt.


Sch. schnuppert den Boom

Dann kommt die Wende. Harald Sch. ist 37, und er schnuppert den Boom. "Dass Ersatzteile nicht mehr laufen, war mir klar." Er macht in Autoverwertung und Maschinenverleih, der Fuhrpark besteht aus Russen-Raupen und polnischen Baggern, ein alter Sowjet-Lkw zieht den Anhänger. 


Es ist wie früher: Gute Bekannte vermitteln Aufträge, Freunde schicken Freunde. Beziehungen sind alles. Der Guerilla-Unternehmer, mit buschigen Koteletten und David-Crosby-Frisur ein wandelndes Bekenntnis zu den 70ern, hat jetzt Angestellte, eine Buchhaltung und einen Investitionsplan. "Ich dachte, jetzt schlägt die Stunde für Leute, die was aufbauen wollen."

Eine Eisfabrik zum Beispiel. In Harald Sch.s Welt ist das denkbar einfach: Man kauft Maschinen, lässt sich Rezepte schicken und fummelt herum. "Geht nicht" gibt's nicht. "Schon die erste Mischung hat toll geschmeckt." Drei Wochen später sind Etiketten gedruckt, Becher abgefüllt und Kioske und Läden im Umland beliefert.


Die Nachfrage ist groß. "Ich dachte, Mensch, das ernährt die Familie." Sch. lässt sich bei der Handwerkskammer eintragen. Und träumt in kurzen Nächten häufig vom Comeback der "Eiskerze". Tagsüber interessieren sich plötzlich Umweltbehörden und Ordnungsämter für sein Schaffen. Sein Schrottplatz liegt, erfährt der Unternehmer, in einer Wasserschutzzone. Das Waschhaus, in dem die Eismaschine orgelt, genügt nicht der Hygiene-Norm.


Harald Sch. fummelt. Er fliest. Er friemelt und gibt nicht auf. Besucht Banken, bettelt um Kredite, doch "Eishersteller gibt es genug, haben sie gesagt". Die Behörden fordern Analysen, Anträge, bauliche Veränderungen, die Banken Konzepte und Ertragsrechnungen.


Eispionier vor dem Karren

Der Pionier, als den sich Harald Sch. sieht, zieht den Karren durch eine komplizierter gewordene Welt, in der die Methoden seiner Gründerzeit nicht mehr verfangen. Er investiert, was er hat. Doch es reicht nicht. Papier ist alles, Beziehungen sind nichts. Niemand mag mehr tauschen, alle wollen Geld.


"Ich habe einfach an die Eisidee geglaubt", spricht Sch. mit schmalen Lippen, "und nicht an die Verhinderungsbürokratie gedacht." Nicht fassbar ist seinem Eigensinn, dass niemand ihm Geld geben wird für die Rückkehr der Eiskerze. Selbst als er Grund und Boden als Sicherheit anbietet, winken die Banken ab. "Land in Schortewitz wolle doch niemand".


Harald Sch. hat eine ganze Weile weitergeträumt. Dann hat er die Eismaschine eingemottet, das Waschaus abgeschlossen und beim Sozialamt Unterstützung beantragt. Die Behörde hat abgelehnt: Erst müsse er sein Land verkaufen.


Das will niemand haben, und so muss gerechnet werden bei Sch.s. Stütze von der Frau, Kindergeld, eine kleine Rente - viel bleibt nicht im Monat. Doch noch schlimmer kommt Harald Sch. die große Langeweile an, "wo ich doch immer geschuftet habe". Jetzt hat er noch mal an den Verein "Alt hilft Jung" geschrieben, "na ja, ohne Erwartungen".


Meist sitzt er aber bloß vor dem Fernseher, der in der DDR mal der modernste war, und überlegt, ob er nicht vielleicht selbst einen Verein gründen sollte. Einen, der bei Supermärkten Lebensmittel für sozial Schwache sammelt etwa - "nur um irgendwas zu tun".


Arbeit? Wenn er jünger wäre, das Haus nicht hätte, hebt er die Hände. Aber so? Hier ist doch nichts. Schon gar nicht für einen, der die Schlüssel zum Glück im Waschhaus liegen hat: den Pasteurisierer, die Kübel, die Kühltruhen . . . "Es könnte sofort losgehen", schleichen die Worte tonlos aus der Sofatiefe, als würde nie wieder etwas losgehen. 


Drei Orte weiter, weiß Harald Sch., macht auch einer in Eis. "Der hat ein Haus in Miami."

Mittwoch, 15. Juni 2016

Die Daten-Deppen des Kontinents: Warum mobiles Internet in Deutschland teurer ist als sonst irgendwo


Die Deutschen sind beim Surfen per Smartphone die Deppen des Kontinents. Das mobile Netz hierzulande ist langsam, die Anbindung ist schlecht - aber dafür lassen sich die Anbieter für kleines Datenvolumen ganz groß bezahlen.

Letztes Jahr ist es passiert. Deutschland fiel erstmals hinter Finnland zurück, das 82-Millionen-Volk unterlag den gerade mal 5,5 Millionen Finnen: Die hatten 2015 zum ersten Mal mehr Datenvolumen beim mobilen Surfen verbraucht als Deutschland. 627 000 Terabyte benutzten die Finnen per Smartphone. Nur 591 000 die Deutschen. Ein Klassenunterschied.

Zumal auch die Gesamtbilanz düster für Deutschland aussieht. 11,5 Gigabyte Datenvolumen verbrauchten die Deutschen pro Person im Durchschnitt über das gute alte Festnetz-Internet (DSL, Kabel). Die Finnen kamen auf 9,7 Gigabyte - per Mobilgerät über Mobilfunknetze.

Zwei Zeitalter, die hier aufeinandertreffen. So oft in Deutschland auch davon die Rede ist, die Gesellschaft fit machen zu wollen für die Mobil-Ära, so langsam kommt das Vorhaben voran. Liegt Europas führende Industrienation bei den Anschlüssen ans mobile Netz mit Platz 18 gerade noch unter den Top-20 der Welt - knapp hinter Marokko, Bulgarien und Russland - bummelt es bei den Anschlusskosten weit hinter den Weltbesten.

Wie das finnische Beratungsunternehmen Rewheel herausgefunden hat, kostet ein Gigabyte Netzzugang in Europa durchschnittlich 2,77 Euro - mit geradezu gigantischen Abweichungen nach oben und unten. Bei den finnischen Providern TeliaSonera und Elisa etwa erhalten Kunden für 35 Euro mindestens 50 Gigabyte Datenvolumen, in Estland bietet Elisa dafür auch noch 40 Gigabyte im Monat. Mobilfunknutzer in Frankreich, Dänemark, Lettland, Schweden und Großbritannien haben nach den Untersuchungen von Rewheel zumindest die reelle Chance, für 35 Euro etwa 20 GB Datenvolumen zu bekommen. In Österreich sind es 13 Gigabyte, in Litauen und Polen können wenigstens noch zehn Gigabyte genutzt werden.

Deutschland fällt hier aus der Reihe. Günstige Angebote werben hier mit Kosten von sieben bis elf Euro für Verträge über ein einziges Gigabyte Datenverkehr im Monat. Preise, die rund 40 mal höher liegen als die in Finnland, 20 Mal teurer sind als in Frankreich und zehnfach mehr kosten als in den Nachbarstaaten Österreich und Polen.

Deutschland ist damit in Europa Außenseiter, deutsche Mobilkunden sind die Deppen des Kontinents. Nur in den Niederlanden, Belgien, Ungarn und Griechenland wird noch weniger mobil gesurft als in Deutschland, in dem jeder Bürger mit durchschnittlich 0,59 Gigabyte Volumen auskommt. Zum Vergleich: Jeder US-Amerikaner nutzt 2,56 Gigabyte, jeder Däne drei und jeder Finne nahezu zehn.

Selbst im Vergleich zum EU-Durchschnitt sind mobile Daten in Deutschland fünfmal teurer. Und sie werden entsprechend weniger genutzt. Ein Teufelskreis, zu dem politische Entscheidungen vor mehr als 15 Jahren den Grundstein legten. Damals versteigerte die Bundesregierung die UMTS-Lizenzen an Mobilanbieter, die für den Zugang zum schnellsten Netz zweistellige Milliardenbeträge bezahlten. Die gewaltigen Kosten belasteten den Ausbau des Netzes und verhinderten, dass mobile Zugänge preisgünstig angeboten wurden.

Dabei ist es bis heute geblieben - und ändern wird auch das Kartellamt daran nichts. Trotz der auffälligen Preisunterschiede, heißt es bei dessen Pressesprecher Kay Weidner, „haben wir derzeit keine Untersuchungsergebnisse zu der kartellrechtlichen Bewertung der Mobilfunkpreise in Deutschland“. Von auffälligen Preisunterschieden zwischen nationalen Märkten könne „nicht unmittelbar auf wettbewerbliche Probleme in einem bestimmten Mitgliedsstaat geschlossen werden“, ist das Kartellamt überzeugt.

Die Wettbewerbsbehörde der EU-Kommission antwortete auf eine Nachfrage zu den auffälligen Preisunterschieden für mobile Datenraten auf dem gemeinsamen europäischen Markt übrigens gar nicht.

Der Datenvergleich von Rewheel steht hier

Dienstag, 7. Juni 2016

Heimatgeschichte: Ich war doch nur der Butzemann


Über seinen Schlips stampfen Elefanten. Dicke, grüne Elefanten inmitten einer weinroten Seidenwiese. Ein Löffel Salat schwebe an den grünen Elefanten vorüber, hinauf zum Mund. Dirk Bettels isst gesund, er kaut mit viel Konzentration. Genauso trinkt er auch: gemessen, das kleine Glas in festem Griff. Nichts, so scheint es, wird den schweren Mann je aus der Ruhe bringen können. Richtige Angst hat Dirk Bettels zuletzt vor ungefähr fünf Jahren gehabt. "Als mir klar wurde, dass wir ganz allein sind." Da war es aber schon zu spät. Das große Rad rollte, und auch Dirk Bettels war "gefangen, weil ich ja nun mal Ja gesagt hatte".

Zehn Monate später hätten ihn seine Bürger beinahe aus der Stadt gejagt: Millionen habe er verschwendet, bereichern habe er sich wollen. Dabei hatte das Ost-Abenteuer des Hildesheimers so vielversprechend begonnen. "Die Mauer fiel", erzählt Dirk Bettels, "und wir von der Jungen Union haben gesagt: Wir schauen uns jetzt mal um, da in der DDR". Kaum angekommen in Halle, entdeckten die jungen Christdemokraten Handlungsbedarf. "Nichts gegen die Leute von der CDU-Ost", sinniert Dirk Bettels, "aber die waren total unfähig".

Hochmotiviert sprangen die Hildesheimer in die Bresche. "Übernachtet haben wir bei OB Renger zu Hause, am Tag ging"s auf Wahlkampftour." "Unheimlich Spaß" habe das gemacht. Dirk Bettels, damals 25 Jahre alt und gerade mitten im Betriebswirtschaftsstudium, entschließt sich, für länger zu bleiben: "Man konnte den Leuten hier so unheimlich viel geben."

Es war das Frühjahr 1990 in der DDR. Die Zeit des Aufbruchs. Als Dirk Bettels zum ersten Mal ins Rathaus kommt, funktionierten die "roten Telefone" des DDR-Ernstfallnetzes noch. Bier hatte, schüttelt es ihn heute noch, eklig schmutzige Kronkorken. Wasser kam als braune Brühe aus dem Hahn. "Eine warme Dusche gab es bloß früh um vier, nicht wahr." Hintendran hängt Dirk Bettels immer ein vergewisserndes "nicht wahr".

Nicht wahr. So war das. Was für eine Zeit. Jeder konnte alles sein. Musste manchmal sogar. "Irgendwer musste die Koalitionsvereinbarung schreiben", sagt Dirk Bettels. Niemand wusste, wie das geht. Also setzt er sich hin. Klare Sache. "Als politisch interessierter Mensch hatte man ja mal gehört, was da reingehört."

Dirk Bettels Aufstieg ist rasant. Oberbürgermeister Peter Renger macht den Tatmenschen zu seiner rechten Hand: Dirk, empfohlen durch eine lange Karriere in der Schülerunion, wird zum Multifunktionär. Chef der Kommunal-Treuhand, Gesellschafter der städtischen Dienstleistungsgesellschaft, Aufsichtsrat der Hall-Bau GmbH und Entflechter des örtlichen Handels - jung und dynamisch spannt sich das Arbeitspferd vor alle Karren.

Es sei, klagt er heute, ja keine Hilfe gekommen. Was er selbst nicht ziehen kann, zurrt Dirk Bettels also Verwandten und Bekannten auf. Sein Onkel wird eingeflogen; Freunde aus der Jungen Union helfen aus, und Anwalt Burkhardt Suden berät nun nicht mehr nur Familie Dirk Bettels, sondern gleich auch noch Sachsen-Anhalts größte Stadt.

 Eine "Seilschaft" würde Dirk Bettels das allerdings nicht nennen. Eher einen "Fehler". Aber, will er sich richtig verstanden wissen, "in einer fremden Stadt - wen bitten Sie da um Hilfe?" Im Rathaus nur der "DDR-Trott". Die Menschen grau, verstört und renitent. Bei den Ostdeutschen, teilte er der "Hildesheimer Zeitung" seinerzeit mit, "mische sich eine Portion Faulheit mit einem Quäntchen Angst und 40 Jahren verordneter Lethargie".

Wie eine Schafherde, der man den Hirten weggenommen hat. "Immer auf der Suche nach dem Fähnleinführer". "Und es musste doch was passieren", lässt er noch einmal das Zugpferd von damals aus dem Stall. Ein ungeduldiges Tier, das steigen will. "Wir waren ja im Grunde blöde."

Dass das mit der deutschen Einheit funktioniert "wie ein Besuch bei der bezaubernden Jeanny, wups, und schon sind wir im Westen", habe er nie geglaubt. Aber einen Versuch war es wert. "Man muss ja auch mein Alter betrachten, damals", probiert Dirk Bettels eine "emotionslose Analyse". Ein 25-jähriger Kommunalpimpf, dem eine "Radikalkur" vorschwebte - "ja, klar, das ging über die Vorstellungskraft eines Hallensers zu der Zeit".

Und ein Hallenser zu der Zeit ging über die seine. Dirk Bettels, angetreten, "etwas zu bewegen", trainierte die falsche Mannschaft. "Sobald man nicht präsent war", erläutert er, "haben die ja gemacht, was sie wollten." Was klappen sollte, musste er selbst in die Hand nehmen. Die Investorenwerbung. Die Zukunft der Wohnungsunternehmen. Und die "Hauptstadt-Halle"-Aktion.

Als sei das alles gestern gewesen, hat Dirk Bettels Daten und Fakten parat. Kein Blick zurück im Zorn. War schon eine tolle Zeit, nicht wahr. "Wo im Westen fünf Tage diskutiert wurde, handelten wir nach zehn Minuten." Mit jeder Entscheidung steigt die Zahl der Kritiker. Nach jedem Alleingang versammeln sich mehr und mächtigere Gegner.

Das Ende des Kanzleichefs naht. "Wo man auftrat, hinterließ man verbrannte Erde", sinniert der Bauunternehmersohn. Der kleine Zirkel um Dirk Bettels und OB Renger, der die Stadt Mitte 1990 quasi im Alleingang regiert, hat sich übernommen. Zu viele Pläne, zu viele Projekte. Zu viel "alter Trott". Zu wenig Zeit. Und viel zu viele Fehler.

Aus den städtischen Wohnungsgesellschaften über Nacht eine einzige machen zu wollen, hält Dirk Bettels selbst für den größten. "In einer westdeutschen Kommune wäre das nicht möglich gewesen", gesteht er. Aber war Halle etwa eine westdeutsche Kommune? Eine rein rhetorische Frage. Er, Dirk Bettels, damals mit "lächerlichen 1 800 Mark Monatsgehalt", sei schließlich auch verunsichert gewesen. "Keiner konnte einem sagen, was nach der Einheit wird."

Und im Rathaus klingelten sie Sturm, weil der OB Windeln und Babynahrung besorgen sollte. Dirk Bettels hat nie begriffen, mit wem er es zu tun hatte in Halle. Warum packten die nicht einfach an? Warum meckerten die nur? Die Aufregung um die Gründung der Halleschen Wohnungsbau Aktiengesellschaft könne er bis heute nicht nachvollziehen.

Natürlich hätten die beteiligten Anwälte mit 1,5 Millionen Mark "einen gewaltigen Betrag" kassiert. Nur sei das rechtsstaatlich völlig in Ordnung gewesen. Was gespart worden wäre, Dirk Bettels blickt trotzig ins Wasserglas, hat keiner gefragt. "Nur ein Vorstand, ein Mahnwesen und eine Gewerberaumlenkung." Raum für Erklärungen aber war nicht mehr. "Hysterie" (Dirk Bettels) regierte Halle. "Alles wurde mir angehängt."

Das Charlottenviertel habe er gekauft, sein Vater sei im Begriff, die Hall-Bau zu übernehmen, und er wolle sich billig mit Immobilien eindecken. Halle hieß jetzt "Bettelshausen". Pah! Das gelassene Gesicht bekommt kleine rote Flecke. Dirk Bettels würgt noch immer an der Enttäuschung.

"Dankbar wurde jeder Blödsinn aufgesogen." Um ihn selber sei es dabei gar nicht gegangen, ist der Ex-Kanzleichef sicher. Es ging um mehr - und das ist ihm wohl auch ein beruhigendes Gefühl. "Ich war nur der Butzemann, mit dem die CDU Renger aushebelte, um freie Bahn für eine Hauptstadt Magdeburg zu bekommen."

In der letzten Januarwoche 1991 wirft Dirk Bettels hin. Keiner klopft ihm auf die Schulter, obwohl er "für so viele was getan" hat. Das hat ihn ein bisschen gewurmt. Undank ist der Welten Lohn.

In der Jungen Union verliert Dirk Bettels alle Ämter. Der Staatsanwalt ermittelt. Ergebnislos. Halles Stadtparlament beruft einen Untersuchungsausschuß ein. Er bleibt ohne Abschlussbericht. Dirk Bettels wird Unternehmer in Hannover. Später hat er geheiratet. Später ist er dann auch noch mal in Halle gewesen. Auf der Durchreise nach Leipzig einfach ausgestiegen und die Ulrichstraße langgelaufen. Da tue sich ganz schön was, sagte er.

Dirk Bettels ist heute Honorarkonsul der Slowakei für Sachsen-Anhalt