Mittwoch, 22. August 2018

Sie sind unter uns: Goethes Begegnung der 3. Art


Es ist nicht irgendwer, der da an einem Septembertag des Jahres 1768 aus seiner Postkutsche steigt, ein paar Schritte zur Seite tritt und plötzlich wie erstarrt stehenbleibt. "Es blinkten in einem trichterförmigen Raume unzählige Lichtlein", beschrieb er später. "Eine Art wundersam erleuchtetes Amphitheater", von dem der Zeuge noch fast 45 Jahre später wissen wird, "dass das Auge davon geblendet wurde" und "dass sie flimmerten, aber nicht stillsaßen, sondern hin und wieder hüpften, sowohl von oben nach unten als umgekehrt und nach allen Seiten".

Johann Wolfgang von Goethe, kein Geringerer war der Postkutschenpassagier, war fasziniert, berauscht, beeindruckt. Und ratlos, denn eine Erklärung für das Phänomen, das er später in seiner Autobiografie "Dichtung und Wahrheit" beschrieb, fiel ihm partout nicht ein. Goethe, obschon Universalgelehrter und einer der klügsten Köpfe seiner Zeit, wusste nichts von Außerirdischen. Er sah nur, verstand aber nicht.

In den "Atlas der außerirdischen Begegnungen" (Frederking & Thaler, 29,99 Euro), den der französische Schriftsteller Bruno Fuligni zusammengestellt hat, schaffte es der deutsche Dichterfürst nur wegen seiner blumigen Beschreibung des Unerklärlichen. Fuligni, selbsternannter "Experte für Geheimarchive" griff sie dankbar auf, als er daranging, eine Weltkarte der Welträtsel zu entwerfen. Von den prähistorischen Astronauten, die Felsritzungen aus dem Mesolithikum zeigen - samt Handfeuerwaffe und Navigationsgerät - über das Leuchtkreuz, das die französische Stadt Migné anno 1826 plötzlich erleuchtet haben soll, bis zum "Tor zur Innenwelt", über das der russische Schriftsteller Antoni Ossendowski auf seiner Flucht vor Lenins Revolutionären zufällig irgendwo in der Mongolei gestolpert sein will, bleibt keine Legende unerwähnt, so erstaunlich unmöglich sie auch klingt.

Dänikens Idee, bei den Kratzzeichnungen in der peruanischen Steinwüste könne es sich um einen "Flugplatz" handeln, wird ebenso erwähnt wie der Alien-Kirchengründer Emanuel Swedenborg und die brasilianische Ufo-Insel Trindade, auf der 48 Menschen im Jahr 1958 einer Ufo-Landung beigewohnt haben wollen.

Es fehlt keiner der bekannten spektakulären Fälle. Wohl aber einige der am besten dokumentierten Ereignisse aus Ostdeutschland - so ein angeblicher Ufo-Überflug über Halle, bei dem fünf Polizeibeamte im Februar 1985 zwischen 23.40 und 23.50 Uhr von vier Orten im Stadtgebiet aus dieselbe Beobachtung eines nach Norden fliegenden Objektes machen, das dann plötzlich zerplatzt. Obwohl die Staatssicherheit damals sofort ermittelt und Minister Erich Mielke selbst auf dem Laufenden gehalten wird, findet der diensthabende MfS-Major Herbert Jeschke keine Hinweise auf einen Absturzort des von einem der Volkspolizisten als "zigarrenähnlich" beschriebenen Flugkörpers, der von einem anderen Zeugen als eher "länglich-viereckiger Körper" wahrgenommen worden war.

Der Vorfall blieb geheim, obwohl die Uno schon 1978 ihre Resolution 33/426 verabschiedet hatte, die die Mitgliedsstaaten dazu aufforderte, "geeignete Schritte zur Untersuchung außerirdischen Lebens einschließlich unidentifizierter fliegender Objekte" zu unternehmen.

So eifrig die USA war, die allein im Air-Force-"Projekt Blue Book" 12 618 Ufo-Sichtungen anhäufte, so zurückhaltend wurde in Deutschland mit dem Thema umgegangen. So erklärte der damalige Staatssekretär Peter Altmaier am 12. Juni 2008 , dass es "keine Erkenntnisse über Sichtungen sogenannter Ufos bzw. Außerirdischer in Deutschland" gebe. Entsprechend seien auch keine Akten über Ufo-Sichtungen vorhanden.

Sonntag, 5. August 2018

DDR-Geschichte: Honeckers vergessener Aufstand gegen Moskau



An den 16. April 1983 erinnert sich Egon Krenz noch ganz genau. Damals wird der Chef der DDR-Jugendorganisation FDJ aus dem "Großen Haus" angerufen, wie die FDJ-Funktionäre unter sich den Sitz des SED-Zentralkomitees nennen. Am Apparat: Erich Honecker, höflich wie immer, weiß Krenz heute noch. "Komm doch bitte gleich mal rüber", habe der Generalsekretär und Staatschef gesagt.

Anfang eines geheimen Aufstandes


Es ist der Anfang eines Aufstandes, der bis heute geheim geblieben ist. Krenz, damals mit Mitte 40 der jüngste Großfunktionär der DDR und damit automatisch hochgehandelt für die Nachfolge des 25 Jahre älteren Staats- und Parteichefs Honecker, glaubt zuerst an ein Personalgespräch. Wird aber in den folgenden Stunden zum eigenen Erstaunen Honeckers geheimer China-Botschafter.

Eine Mission in den Haarrissen der Blockpolitik, wie Krenz in seinem Buch "China - wie ich es sehe" (Edition Ost, 160 Seiten 12,99 Euro)  beschreibt. Seit sich die Sowjetunion und China nach Stalins Tod überworfen haben, weil dessen Nachfolger Nikita Chruschtschow und Chinas Parteiführer Mao Zedong im Streit um die Führung der kommunistischen Weltbewegung immer härter aneinandergerieten, hält auch die DDR strikte Distanz zum Regime in Peking, obwohl das die DDR als einer der ersten Staaten anerkannt hatte. Dankbar kein aber gibt es nicht in der Weltpolitik.

Denn der große Bruder in Moskau erzwingt Gefolgschaft, China ist weit weg, der russische Rock näher als die chinesische Hose. So kommt es 1963 bei einem SED-Parteitag während der Rede des als Gast geladenen Chinesen Wu Xiuquan zu demonstrativen Tumulten. SED-Delegierte versuchen, den Gast mit Lärm und Getöse zu zwingen, seine als sowjetfeindlich begriffene Rede zu beenden. Wu antwortet danach kalt: Er habe nun ja die "Zivilisation" der deutschen Genossen kennengelernt.


Neuanfang ohne Moskau


20 Jahre danach ist Mao, der Massenmörder und selbsternannte Prophet des großen Sprungs zum Kommunismus, tot. Und Erich Honecker unzufrieden damit, dass die sowjetische Führung dennoch nie versucht hat, so Krenz, "eine große sozialistische Gemeinschaft vom chinesischen Meer im Osten bis an die Elbe und Werra im Westen zu bilden". der DDR-Staats- und Parteichef sieht in genau so einer Allianz eine Möglichkeit - vielleicht die letzte - den schwindenden Einfluss der selbsternannten sozialistischen Ländern auf die Weltpolitik zu stärken und den stagnierenden Ausbau des sozialistischen Weltsystems wieder in Fahrt zu bringen.

Aus Honeckers Sicht ergibt sich eine Gelegenheit zu einem ersten Schritt daraus, dass mit Hu Yaobang ein Mann die Führung der KP Chinas übernommen hat, den Honecker noch aus seiner Zeit an der Spitze der FDJ kennt. Yaobang sei ein Freund aus Jugendzeiten, erzählt er Krenz, den er, Honecker aber nicht direkt kontaktieren könne, ohne den Zorn Moskaus zu erregen.

Einsatz Krenz, Ball über die Bande. Der FDJ-Chef wird beauftragt, mit dem Chef einer chinesischen Zeitung, der sich in der DDR aufhält, zu sprechen, um diesem mitzuteilen, dass die DDR großes Interesse an guten Beziehungen zu Peking habe. Der Mann werde diese Botschaft dann an Hu Yaobang weitergeben, Moskau zwar schäumen, aber "wenn man dich dafür kritisiert", gibt Honecker Krenz mit, "kann ich das auf deine Unerfahrenheit schieben."


Honeckers Manöver gegen Gorbatschow


Das Manöver glückt. Es beginnt ein "intensiver Delegationsaustausch zwischen Berlin und Peking", wie Krenz es nennt. Die erhoffte Annäherung zwischen Moskau und den chinesischen Brüdern allerdings gelingt weder unter Juri Andropow noch unter Nachfolger Michael Gorbatschow, für den DDR-Abgesandte wie Wirtschaftschef Gerhard Schürer sogar direkte Botschaften entgegennehmen. Das Verhältnis aber bleibt angespannt, Gorbatschow lässt alle Avancen unbeantwortet. Für Egon Krenz endet sein chinesisches Abenteuer im Desaster: 1989 besucht der Hoffnungsträger der SED-Reformer China und danach lobt er das Massaker vom Tian'anmenplatz als Beitrag zur "Wiederherstellung der Ordnung".

Noch vor Antritt der Nachfolge Honeckers ist der Kronprinz verbrannt.




Donnerstag, 26. Juli 2018

The Alarm: Ein neues Kapitel


Rory Macdonald und Mike Peters gingen mit ihren Bands Runrig und The Alarm stets eigene Wege. Im vierten Jahrzehnt drehen der Schotte und der Waliser noch einmal auf.

Es ist eine Stimme aus der Vergangenheit, die da zu vorsichtigen Gitarrenakkorden „Ohoho“ ruft. Rockpalast 1984, Markthalle Hamburg, auf der Bühne vier Männer mit hochtoupiertem Haar und akustischen Gitarren. Eine Band wie eine Mischung aus Robert Smith von The Cure und Bob Dylan, im Mittelpunkt ein blonder Schlacks, der vom „Blaze of glory“ singt und von einem Marsch für die Freiheit.

Der Mann heißt Mike Peters, die Band nennt sich The Alarm. Neben den irischen Kollegen von U2 und den Schotten von Big Country sind die vier Mittzwanziger aus dem Örtchen Rhyl in Wales die Spitze einer neuen Generation von Gitarrenbands inmitten eines Heeres aus Gruppen, die eher elektronische Musik machen. The Alarm zeichnet zudem aus, dass die Gruppe, zu der anfangs auch der spätere World Party-Gründer Karl Wallinger gehört, elektrisch verstärkte Akustik-Gitarren verwendet, um ihren hymnischen und immer wieder auf die walisischen Wurzeln verweisenden Folkrock zu spielen. Eine Gemeinsamkeit, die sie mit den schottischen Kollegen von Runrig verbindet, die ein paar Jahre früher als reine Folkband starteten, später Rockelemente einbauten und wenig später mit dem Album „The Cutter and the Clan“ zum ersten Mal in der Hitparade auftauchten.

Dreißig Jahre und zwei gänzlich gegensätzlich verlaufende Karrieren sind die geistesverwandten 80er-Veteranen zurückgekehrt, auch das aber wieder auf ganz verschiedenen Wegen. Während Runrig sich mit einem Doppel-Album namens „Best of Rarities“ von ihrem Anhang aus sogenannten Riggies verabschieden, schlägt Mike Peters mit dem zwölften Alarm-Album „Equals“ nach acht Jahren Studiopause ein neues Kapitel für die legendäre Band auf. Auf die ersten „Ohohos“ in „Two Rivers“, dem Opener des Werkes, folgen plötzlich elektronische Beats, beim nächsten Song „Beautiful“ klingen US-Punkbands an, ehe das Titelstück balladesk beginnt wie der Bandklassiker „Eye of a hurricane“.

Mit knapp 60 hat sich Peters, Mitte des vergangenen Jahrzehnts zweimal schwer an Krebs erkrankt, noch einmal neu erfunden. Kritisch wie schon seinerzeit mit „Across the boarder“ oder „Hardland“ vermählen Peters, Gitarrist James Stevenson, Bassmann Craig Adams und Drummer Derek Forbes Springsteen-Attitüde und Folkrock-Gefühl. Schmutzig, handgemacht und immer wieder mit unwiderstehlichen Melodien versehen, ist das sechste Album der Ende der 90er Jahre neuformierten Gruppe deren vorläufiges Meisterwerk. The Alarm, einst wie Runrig Vorreiter auch beim Versuch, Rockmusik mit Texten in gälischer und walisischer Sprache zu machen, klingen geerdet, zugleich aber frisch wie eine Newcomerband, die noch Spaß daran hat, Dinge auszuprobieren und ohne Vorfestlegungen draufloszuspielen.

Runrig, seit den allerersten Anfängen in den 70er Jahren die Familiencombo der Macdonald-Brüder, die zeitweise zu dritt im Lineup vertreten waren, versucht dergleichen gar nicht erst. „Best of Rarities“ ist ein Nachruf aus eigener Feder, eine Zusammenstellung von zum Teil wieder gälisch gesungenen Live-Aufnahmen aus den Jahren 1993 bis 2016, aufgehübscht mit einer Neueinspielung des schwergewichtigen Abschiedsstückes „Somewhere“, das besonders gut passt, weil sich Runrig nach 45 Jahren auf der Bühne in diesem Sommer mit einem letzten gewaltigen Open-Air-Konzert verabschieden wollen. „The Last Dance“ überschrieben, sollte dieses finale Konzert im City Park im schottischen 36 000-Einwohner-Städtchen Stirling die Bandgeschichte mit einem letzten großen Hymnensingen beenden. Die Karten für das Konzert am 18. August waren so schnell vergriffen, dass die Macdonald-Brüder ein zweites Konzert am Vortag planen, um dem Andrang einigermaßen beikommen zu können.

Mike Peters jagt derweil noch anderen Träumen nach: Wie in den großen Tagen, als seine Band versuchte, den US-Markt zu knacken, geht der 59-Jährige diesen Sommer auf US-Tournee. Der „Mann in der Tarnjacke“, wie ihn der Filmemacher Russ Kendall in einer abendfüllenden Dokumentation über den Weg zum Ruhm, den Kampf gegen die schwere Krankheit und die Rückkehr auf die Bühne nannte, will es noch einmal wissen. Mit guten Argumenten: Seit Songs von The Alarm immer öfter als Unterlegmusik in Netflix-Serien wie „„Tote Mädchen lügen nicht“ verwendet werden, entdecken neue, junge Hörer das Schaffen der Waliser.

Die ersten Testkonzerte im Mai in New York waren ausverkauft.

Donnerstag, 19. Juli 2018

Berlin 1988: Springsteen bricht die Mauer


Im Juli 1988 spielte Bruce Springsteen in Ostberlin - Das größte Konzert der DDR-Geschichte blieb das letzte. Offiziell waren 160 000 Karten verkauft, mehr als 200 000 Menschen gekommen: Zusammen mit Bruce Springsteen sangen sie am 19. Juli 1988 "Born In The USA" - ein Abgesang auf die DDR.

Nach anderthalb Stunden ging nichts mehr. "Ich musste mich ausklinken", erinnert sich Dirk Götze an den Tag vor 20 Jahren, an dem die trübe DDR zur Deutschen Demokratischen Rockrepublik wurde. Eine Woche zuvor erst hatte die Nachrichtenagentur ADN gemeldet, dass beim "5. Berliner Rocksommer der FDJ der US-Rockstar Bruce Springsteen" auftreten werde. Eine Völkerwanderung zur Radrennbahn in Berlin Weißensee setzte ein, die für den Merseburger Springsteen-Fan Dirk Götze erst irgendwo in Reihe 15 endet, direkt vor der Bühne. "Da war so viel Alarm, dass ich den Rest von der Seite aus ansehen musste."

Es ist kein Konzert wie jedes andere - auch für den US-Musiker nicht. Sechs Jahre zuvor war der Sohn eines Taxifahrers aus New Jersey zum ersten Mal in Ostberlin gewesen. Springsteen hatte sich die Mauer angeschaut - und seinem Manager Jon Landau seitdem in den Ohren gelegen, ihm ein Konzert im Ostblock zu organisieren.

Ein utopisches Vorhaben. Immerhin gilt Bruce Springsteen, obschon Kritiker amerikanischer Zustände, den Genossen als unverbesserlicher US-Patriot. 1984 aber darf plötzlich seine Platte "Born in The USA" in der DDR erscheinen. Und als die Freie Deutsche Jugend (FDJ) 1987 beginnt, die gefürchteten Rockkonzerte im Westteil Berlins mit eigenen Pop-Festivals zu bekämpfen, ist der flugs zum Arbeiterkind umdeklarierte Rocker ein naheliegender Kandidat. Springsteen macht es der FDJ leicht. Eine Million in DDR-Mark will er als Gage, für 340 000 Mark mehr willigt seine Plattenfirma sogar ein, das Konzert in Fernsehen und Radio übertragen zu lassen.

Vom frühen Morgen des denkwürdigen Dienstag an wälzt sich ein endloser Strom von Jugendlichen nach Berlin. Ausnahmsweise gibt es die Karten zum Preis von 19,95 Mark plus fünf Pfennig "Kulturabgabe" nicht nur für ausgewählte FDJler und Bestarbeiter. So sind die Züge überfüllt, aus Trabis hängen selbstgemalte US-Fahnen, aus Kassettenrecordern dröhnen Hits wie "Hungry Heart" und "Glory Days".

Springsteen, begleitet von einem 140-köpfigen Tross, sitzt da schon in einem Zelt im Backstage, nur geschützt von einem Schild an der Tür, auf dem "Please knock and wait" steht. Kurz nach sieben springt er auf die Bühne, lässt die Gitarre zu "Badlands" bellen und badet im Jubel der Massen, die die Wiese bis zum Horizont füllen. US-Fahnen werden geschwenkt, das anwesende Stasi-Kommando beschränkt sich darauf, die Fans zu bitten, sie nicht direkt in die Kameras zu halten. "Ein Eingreifen", vermerkt ein Beamter, "war nicht nötig und nicht möglich."

Nur Springsteen, von seinen Fans "The Boss" genannt, kommandiert hier. Als er bemerkt, dass sein Konzert von der FDJ unter dem Motto "Nikaragua im Herzen" angepriesen wird, grummelt es kurz. Dann werden die Plakate abgehängt. Jetzt aber ist auch dem Musiker klar geworden, dass hier kein normales Konzert läuft. Springsteen bittet seinen Fahrer Georg Kerwinski, ihm einige Sätze auf Deutsch aufzuschreiben: "Ich bin nicht hier für oder gegen eine Regierung", will er sagen, "ich bin hier, um Rock'n'Roll zu spielen - in der Hoffnung, dass eines Tages alle Mauern umgerissen werden."

Springsteen nestelt schon nach dem Zettel, als Jon Landau draußen den Text liest und das Wort "Mauern" sieht. Mauern geht gar nicht, weiß der Ex-Journalist. Während die Band das Intro zum Dylan-Song "Chimes Of Freedom" spielt, schickt er Kerwinski eilig auf die Bühne, um dem Boss stattdessen "Barrieren" ins Ohr zu brüllen.

Diplomatisch, aber nicht diplomatisch genug: DDR-Fernsehen und Radio blenden das Grußwort des amerikanischen Gastes aus. Die Botschaft aber ist längst angekommen. Barrieren, Mauern, Ost und West? Was zählt das, wenn 200 000 ostdeutsche Kehlen "Born To Run" singen und ein Mädchen aus Thüringen bei "Dancing in the Dark" auf der Bühne mit dem Boss tanzen darf.

"Das war das größte Konzert, das wir je gemacht haben", beschreibt Springsteen später. Etwas habe in der Luft gelegen an jenem magischen Juli-Abend des Jahres 1988, glaubt Springsteen, der sich immer noch "gut an einzelne Gesichter in der Menge" erinnert und daran, dass "die Leute US-Flaggen aus Kleidungsstücken zusammengeflickt" hatten. Fahnen der Sehnsucht, Symbole dafür, dass die DDR am Ende war. 16 Monate später fällt die Mauer, alle Barrieren werden umgerissen.

Dirk Götze ist bis heute Springsteen-Fan.