Mittwoch, 27. Dezember 2017

Denkmal der Ostmoderne: Abschied vom Kosmonauten Sigmund Jähn



Weltweit einzigartig, denkmalgeschützt und vom Bauzustand her zweifelsfrei sanierungsfähig, das ist das Raumflugplanetarium "Sigmund Jähn" in Halle. Doch weil die Fördertöpfe locken und fragwürdige Fluthilferichtlinien hunderttausende Euro für einen Abriss des Baudenkmals versprechen, wird das Denkmal der Ostmoderne, errichtet aus sogenannten HP-Schalen, die der hallesche Bauingenieur und Architekt Herbert Müller in den 50er Jahren erfunden hatte, ausgerechnet im 40. Jahr seines Bestehens abgerissen.

Erst 2015 war dem Gebäude Denkmalschutzstatus verliehen worden. Die verbauten HP-Schalen - die Abkürzung steht für "hyperbolische Paraboloidschale" gelten als besonders leicht und stabil und als Carl Zeiss in Jena Mitte der 70er Jahre eine Stadt suchte, in der ein Beispielbau errichtet werden könnte, um ausländischen Interessenten an der firmeneigenen Planetariumstechnik zu zeigen, was Hightech made in GDR kann, fiel die Wahl auf Halle. Hier hatte sich der Mathematiker und Astronomielehrer Karl Kockel, Chef des damals bereits bestehenden Planetariums im Ortsteil Kanena, für den Bau starkgemacht. Kockel wurde Bauleiter und später Chef des Hauses, er holte mit Sigmund Jähn den ersten Deutschen im All nach Halle und setzte den Namen des DDR-Kosmonaut als Namen des einzigartigen Baus durch.

Kockel starb 2015, da war sein Planetarium schon als "Flutschaden" abgeschrieben worden. Obwohl ein Gutachten ausdrücklich bescheinigte, dass es keine schweren Flutschäden an der Bausubstanz gebe. Um den beschlossenen Abriss dennoch durchzusetzen, musste die hallesche Stadtverwaltung tricksen, täuschen und der Öffentlichkeit wie dem Stadtrat über Jahre hinweg falsche Auskünfte geben.

Letztenendes aber heiligt der Zweck die unfeinen Mittel: Mit dem Abriss des denkmalgeschützten Bauwerks verschwindet das einzige aus HP-Schalen errichtete Planetarium der Welt - ein Rundbau, der aus nur fünf verschiedenen Bauteilen errichtet worden war, wobei jedes Bauteil 28 mal benutzt wurde. An seiner Stelle wird sich künftig ein Stück Wiese befinden, für rund 300.000 Euro auf Steuerzahlerkosten angesät.

Montag, 18. Dezember 2017

Flake Lorenz von Rammstein: Auf der Rückseite des Ruhms

Er ist der ewig Unbeholfene in der Besetzung von Deutschlands erfolgreichster Rockband, ein schmaler, linkischer Riese mit schiefem Lächeln, der immer den Eindruck macht, als habe er bis heute nicht verstanden, was ausgerechnet ihn zu einem Weltstar machen konnte.

Aber Christian Lorenz, genannt Flake, ist einer, das zeigt schon die Völkerwanderung, die der kleine, recht abgelegene Ort Brachwitz erlebt, nur weil der 51-jährige Rammstein-Keyboarder dort aus seinem zweiten Buch „Heute hat die Welt Geburtstag“ liest. Aus Zwickau, Berlin und Magdeburg sind die Fans gekommen, mehr als 300 füllen den Saal des Restaurants „Saalekiez“, dessen Betreiber Christian Hager seit Jahren mit dem Namensvetter aus dem Prenzlauer Berg befreundet ist.

Auf der Bühne, anfangs stehend und später zurückgelehnt in einen riesigen Sessel, ist das Gegenmodell eines Rockstars. In seinen schwarzhumorigen Erzählungen von der Rückseite des großen Rockruhmes bleibt von Glamour und Glitzer des Showbusiness nichts übrig. „Auf Tournee sein heißt vor allem Warten“, beschreibt Flake, der seine Lesung nur gelegentlich mit vorgelesenen Buchkapiteln bestreitet. Die restliche Zeit erzählt er aus dem einsamen und aberwitzigen Leben in der Blase der Berühmtheit. Es geht um stinkende Bühnenklamotten, abenteuerliche Missgeschicke in Konzerten und um all die Erlebnisse, die nur der macht, der im innersten Kreis einer der größten Rockbands aller Zeiten lebt.

Und sich bis heute fragt, wie es soweit kommen konnte. Lorenz’ Grundhaltung ist die des Clowns, der alles hinterfragt. Die Antworten schießt er zugespitzt auf sein Publikum ab, die Gesichtszüge wie vereist. Die Fans, die dichtgedrängt bis hinter zum Tresen sitzen, kommen minutenlang nicht mehr aus dem Lachen heraus, während Flake ungerührt von seiner Verhaftung in den USA erzählt oder schildert, wie seine Band 46 000 Mark für Getränke aus der Minibar bezahlen sollte. So sieht es also aus, wenn die Scheinwerfer verloschen sind und die Band zum Bus stiefelt! Und so, wenn einer von Rammstein im kleinen Kreis Autogramme gibt!

Die Schlange im „Saalekiez“ reicht bis zur Eingangstür.