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Sonntag, 18. Januar 2015

Return to Peeze: Großes Comeback im kleinen Saal

Die hallesche Band Return to Peeze wird im ausverkauften Objekt 5 begeistert gefeiert.

Sie sind die großen Unbekannten unter Halles Rockbands, die vier Jungs von Return to Peeze. Eine einzige Studio-EP haben sie in 16 Jahren Bandexistenz veröffentlicht, Konzerte gibt es nur aller Jubeljahre, auch die vier Musiker treten abseits der Bühne allenfalls mal als Mitmusikanten einer Hardcore-Combo auf. 18 Monate ließ die Band, deren Mitglieder sich in der Öffentlichkeit nur Kretze (git, voc), Nose (git), Rappsen (dr) und Pademmer (bg) nennen, diesmal verstreichen, ehe sie wieder eine Bünhe betraten. Das langerwartete erste Studioalbum hatten sie dann beim Comeback-Auftritt im Objekt 5 zwar immer noch nicht im Gepäck. Aber der Klub in der Seebener Straße war dennoch binnen kürzester Zeit ausverkauft.

Was beim Vorprogramm des halleschen Singer/Songwriters Kahler noch wie ein Klassentreffen der einheimischen Szene wirkt, weil mit Cornelius Ochs von Baby Universal, Christian Sorge und Felix Hecklau von Cocoon Fire alles angetreten ist, was in Halles Rock Rang und Namen hat, wird mit dem ersten Ton von Return to Peeze zu einer echten Rock-Messe. Schwermetallische Gitarrenriffs treffen auf Kretzes Filigrangesang, der an Gruppen wie Muse, Placebo oder auch an Jeff Buckley erinnert. Return to Peeze sind keine Hymnenband, die nach dem einfachsten Weg zu einer einprägsamen Melodie suchen. Stattdessen stricken sie komplexe Soundgebilde zusammen, rhythmisch ist vieles im Fluss, Strukturen verändern sich, ein Song kann als Ballade beginnen und als tobendes Klangmonster endet.

Begleitet von einer beeindruckenden Lichtshow spielen sich die vier Musiker im Objekt in einen Rausch. Sänger Kretze verzichtet durchweg auf Ansagen, ein Song ergibt sich automatisch aus dem vorigen. Zwischen eigenen Dampfhammerstücken wie "Somebody somewhere" und dem Rolling-Stones-Cover "Gimme Shelter" entwickelt sich so ein hochemotionaler Konzertabend mit verschüttetem Bier, verschwitzten Tänzern vor der Bühne und begeistertem Applaus am Ende. Sänger Kretze kommt schließlich noch einmal ganz allein zurück und singt solo zur Gitarre das leise, langsame Lied "Take back the rainy days". Ein perfekter Abschluss.

Zur Seite der Band

Mittwoch, 7. Januar 2015

Neil Young präsentiert den Pono-Player

Über Jahre hat Altrocker Neil Young davon geträumt, davon geschwärmt und daran getüftelt. Jetzt wird sein über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter finanzierter Pono-Player wirklich gebaut - und ab kommender Woche auch verkauft. Das Gerät soll die nach Ansicht von Young miserable Klangqualität von herkömmlichen mobilen Musikabspielgeräten in die Mottenkiste der Musikgeschichte verbannen und echten Fans wieder Gelegenheit geben, Musik so zu hören, wie sie früher klang.

Anfangs hatte Neil Young noch auf Einsicht bei Apple und Co. gehofft. Doch als die Hightech-Konzerne begannen, lieber mit Hilfe teurer Kopfhörer nachträglich am Klang zu bauen als die Ausgangsdateien so aufzubohren, dass Klanggenießer nicht weinen davonlaufen, griff Young zur Selbsthilfe. Im März startete er eine Geldsammel-Kampagne, um ein Abspielgerät mit hoher Audio-Qualität zu entwickeln.

Zusammen mit einem eigenen Download-Dienst will er damit die Musikbranche revolutionieren. Der Prototyp des Pono-Players ist dreieckig, er hat nur drei Tasten, aber 64 GB Speicherplatz, die mit Musik im reduktionsfreien flac-Format gefüllt werden können. Die Nachfrage scheint riesig, denn Young erreichte das Finanzierungsziel binnen eines einzigen Tages. Mit den inzwischen gesammelten sechs Millionen soll der kleine Klanggigant in die Serienproduktion gehen.

Inzwischen kann der Walkman 5.0 vorbestellt werden - Kostenpunkt: stolze 399 US-Dollar.

Neil Youngs Ausritt auf E-Gitarren
Neil Youngs Flirt mit dem großen Orchester
Neil Youngs Besuch in der Telefonzelle

Mittwoch, 26. November 2014

Das späte Glück der Queen of Rock

In ihren ganz großen Jahren, als sie Stadien füllte und die Hitparaden anführte, bestand Anna Mae Bullock vor allem aus Haar. Viel Haar, langes Haar, wallendes Haar, kombiniert mit kurzen, engen Röcken und einer Stimme, für die der Begriff „Rockröhre“ erfunden worden war, so fegte die Frau aus Nutbush, Tennessee, über die Bühnen. Tina Turner, der Name, unter dem Anna Mae unterwegs war, unterschied vor allem eins von ihren Konkurrentinnen: Die Tochter eines Baptisten-Predigers und einer indianischstämmigen Mutter war bereits Mitte 40 und sie hatte bereits eine Karriere hinter sich, die anderen Künstlern für zwei Leben gereicht hätte.

Begonnen hatte alles Anfang der 60er Jahre, als die bei dem Bandleader Ike Turner angestellte Background-Sängerin für den Song „A Fool in Love“ kurzfristig am Hauptmikrophon einsprang. Das Lied wurde ein Hit, aus Anna wurde Tina und aus Tina und Ike ein Paar.

Doch kein glückliches. Ike trank und misshandelte seine Frau, beruflichen Erfolgen folgten private Fehden, in denen der drogensüchtige Pianist und Gitarrist seine Frau schlug. 1976 hatte Tina Turner genug: Noch blutend von einer Auseinandersetzung mit ihrem Mann verließ sie das gemeinsame Haus, um nie zurückzukehren. Acht Jahre lang schlug sie sich dann durch, mit mittelprächtigen Bands und nachgesungenen Hits. Erst mit dem Album „Private Dancer“ gelang ihr 1984 der ganz große Durchbruch. Mark Knopfler von den Dire Straits hatte ihr den Titelsong geschrieben, Terry Britten lieferte „What’s Love Got to Do with It“ und mit Mel Gibson stand sie im Hollywood-Reißer „Mad Max“ vor der Kamera - das Mädchen aus Nutbush war nun die „Queen of Rock“.

Ihre Erfolge hat Tina Turner danach klug verwaltet, eine neue Liebe fand sie im deutschen Musikmanager Erwin Bach, eine neue Heimat in der Schweiz. 2010 war sie sogar noch einmal Platz 1: Mit „The Best“ schaffte sie es in Schottland an die Spitze der Charts, 44 Jahre nach ihrem Hit-Debüt. Heute wird Tina Turner 75 Jahre alt.

Montag, 4. August 2014

Songwriterfestival: Finale zu dritt

Spontane Session zum Abschluss eines schönen Musikabends: Am Ende seines Auftritts beim Songwriter-Festival am Peißnitzhaus bat der Ire Gareth Dunlop seine Kollegen Matthew James White und Hans Super zum gemeinsamen Absingen von U2s "I still haven´t found what I´m looking for" auf die Bühne.

War als Finale gedacht. Zündete aber so heftig, dass Dunlop danach weitersingen musste. Eigene Songs waren alle, also lieferte er unter anderen Coverversionen von Charly Simon und Tom Waits.

Montag, 31. März 2014

Seth Lakeman: Wanderer in Klangwelten


Er fängt programmatisch an: „The Wanderer“ heißt das erste Stück auf „Word of Mouth“, dem eben erschienenen siebten Solo-Album des Briten Seth Lakeman, der hier in zwölf Liedern das Kunststück schafft, immer anders zu klingen - und immer wiedererkennbar.

Lakeman, daheim in Großbritannien seit einer Nominierung für den Mercury Prize als Retter des Folkrock gehandelt, hat lange auf Anerkennung gewartet. Schon vor 20 Jahren veröffentlichte der damals gerade 17-Jährige zusammen mit seinen Brüdern ein Album, danach arbeitete er beharrlich weiter an seiner musikalischen Vision.

Die wird auf „Word of Mouth“ noch deutlicher als auf dem Vorgänger „Tales From The Barrel House“, der auch schon Anklänge an mittelalterliche Weisen mit Jethro Tull- Sound und amerikanischem Folk mischte.

Lakemans Vorteil: Er spielt nicht nur Gitarre, sondern auch Geige, Bratsche und Banjo, so dass er neue Stücke wie das balladeske „Another Long Night“ oder das hoppelnde „Last Rider“ ebenso zurückhaltend wie abwechslungsreich instrumentieren kann.

Seth Lakeman setzt damit auf seine Weise fort, was schon seine großen englischen Kollegen von Mumford & Sons weltweit erfolgreich gemacht hat. Seine Lyrics sind meist dunkel, der Akzent ist Dartmoor nicht Pennsylvania, die Melodien haben hymnische Momente, ohne durchweg zum Mitsingen aufzufordern.

Ein Konzeptalbum, das seine Spannung vom ersten Ton an hält und über zahllose weitere Höhepunkte wie „The Saddest Crowd“ und „Bal Maiden“ zum finalen „Portrait of my wife“ findet. Alles in allem: Große Musik, die sich auch live zu entdecken lohnt.Am 3. April ist Seth Lakeman live im Objekt 5 in Halle zu erleben
Kartenvorbestellungen:
Objekt 5

Montag, 17. März 2014

Rio Reiser: Königshof unter dem Hammer

Es war der Ort, an den der König von Deutschland flüchtete, als er genug von der Revolution und vom Aufstand gegen die Verhältnisse hatte. In Fresenhagen, einem Dorf an der dänischen Grenze, fand Rio Reiser vor 40 Jahren Exil. Zuvor hatte seine Band Ton Steine Scherben entschieden, die Nase voll davon zu haben, als Karnevalskapelle der Hausbesetzerszene immerzu "Keine Macht für Niemand" singen zu müssen.

Bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1996 hat Rio Reiser dann hier gewohnt und sich vom flachen Friesenland inspirieren lassen zu Songs wie "Junimond" und "König von Deutschland", die mal traurig waren und mal witzig, aber nie zum Lachen. Rio Reiser war zwar auch als Landmann nicht gerade ein vor Humor berstender Herrscher. Aber zu Hause fühlte er sich hier so sehr, dass er sich auf seinem Grundstück begraben ließ, auf dass sein Geist andere Musiker inspirieren könne.

Allerdings reichte das Geld bald nicht mehr, das Rio-Reiser-Haus zu betreiben. Vor drei Jahren zogen die sterblichen Überreste des Musik-Monarchen nach Berlin. Haus und Hof wurden verkauft - aber Glück brachten sie auch dem neuen Besitzer nicht. Als "18-Zimmer-Bauernhaus" sucht der Königshof nun per Zwangsversteigerung wieder einen neuen Herren. Das Haus sei renovierungsbedürftig, aber naturnah, heißt es. Thronfolger kann werden, wer 299 000 Euro für das Mindestgebot übrig hat.

Zum Gebot

Sonntag, 2. Februar 2014

Renft: Aufrecht im Sitzen

Zwar sitzend, aber aufrecht wie immer: Renft im Café Brohmers, diesmal wieder unplugged. Es gibt immer noch alle legendären Hits, dazu jede Menge spontaner Improvisationen von Thomas "Monster" Schoppe am Mikrophon und Giesbert Piatkowski an der Gitarre. Wer heute zu Konzerten der verbotgeadelten DDR-Rocklegende geht, hat meistens graue Haare, häufig einen Bart und alle in der DDR erschienenen Original-Platten zu Haus im Schrank. Von einigen Uralt-Fans abgesehen aber ist das Durchschnittspublikum doch überraschend jung. Diese zweite Generation der Renft-Fans kennt seine Idole nur von alten Amiga-Platten, liebt die Lieder und kommt derentwegen bereitwillig in Konzerte der Kapelle, in der mit Schoppe nominell nur noch ein Originalmitglied steht.

Aber was heißt schon original. Monster spielt seit 44 Jahren in dieser Band, Schlagzeuger Delle Kriese seit 23, Marcus Schloussen auch schon seit 15 und "Pitti" Piatkowski seit immerhin fünf. Für eine Kapelle, die es ihrer klassischen Besetzung nur kurze fünf Jahre gab, ist das eine ganze Menge, zumal Piatkowski mit den Klosterbrüdern damals genauso verboten wurde wie Monster mit Renft, sogar im selben Jahr und aus denselben Gründen.

Das Gemurre ist trotzdem immer da. Delle Kriese, der inzwischen fast fünfmal länger dabei ist als Ur-Trommler Jochen Hohl und zudem schon 1984 mit dem Ex-Renft-Gitarristen Peter "Cäsar" Gläser in dessen Band gespielt hat, ist wie Brian Johnson bei AC/DC bis heute einer der Neuen.

Aber wie bei den Australiern stört das nicht, weil die aktuelle Besetzung die alten Songs mit Seele und Groove spielt. Die leisere Form tut den Liedern gut, sie lässt "Als ich wie ein Vogel" strahlen und das bluesige "Ich und der Rock" mit dem Hintern wackeln. Zwei Platten nur hat diese Band damals gemacht, aber heute macht sie dank der Zusatztracks aus der Verbotsphase locker drei Stunden Konzert draus. Am Ende singt das komplette Publikum Klassiker wie "Gänselieschen" und "Wer die Rose ehrt" wieder begeistert mit - 40 Jahre haben Texten und Kompositionen nichts antun können.

Gelungene Premiere 2012: Renft erstmals unplugged

Freitag, 31. Januar 2014

"Böhse Menschen, Böhse Lieder"

Finstere Kerle sind das, die aus schmalen Augen schauen. Tätowiert, kahlrasiert. Mädchen in Militärhosen, Männer mit Stiernacken. Hunderte. Tausende. Zehntausende. Und alle in schwarzen T-Shirts, auf denen vor Gefahr knirschende Sprüche stehen wie "Ach, du willst Streit?" Nein, Türen zu und Fensterläden runter! Das Auto in die Garage und die Kinder von der Straße. Die Böhsen Onkelz sind in der Stadt!

So geht das, wenn Deutschlands gefürchtetste Rockband die Provinz bereist. Zweimal standen die Hessen mit dem patentiert schlechten Ruf am Wochenende auf der Bühne in der Baggerstadt Ferropolis, erschreckte die Invasion von 25 000 Fans aus ganz Deutschland das barocke Oranienbaum und das benachbarte Gräfenhainichen.

"Dabei sind die die Jungs eigentlich alle sehr nett", sagt Verena Felgner, die an einem fliegenden Stand Würstchen verkauft. Ein paar Betrunkene dazwischen, jaja. "Mehr als bei Grönemeyer." Aber das Schwarze, das Schwere, das Harte -eine Macho-Maske. Wie beim Anhang so auch bei der Band, die seit ihrem vor 20 Jahren erschienenen Album "Der nette Mann" als latent rechtsradikal und gewissermaßen gesellschaftsgefährdend gilt. Platten wurden verboten, im Radio laufen Onkelz-Lieder nie, das Fernsehen hält die Türen zu. Trotzdem hat es das Ex-Skinhead-Quartett um Bassist und Bandsprecher Stephan Weidner geschafft, einen Massenmarkt zu erobern, von dessen Existenz zuvor niemand wusste.

Kraftprotzenden Rock versehen die Onkelz mit Texten zwischen philosophierender Weltverachtung und muskulösem Eigensinn. Die Plattenbranche wird verachtet, die Presse ignoriert und die Öffentlichkeit genau so erschreckt, wie die das erwartet: "Böhse Menschen, Böhse Lieder" heißen dann CDs, "Gehasst, verdammt, vergöttert" steht auf Fan-Hemden wie ein religiöses Bekenntnis.
"Hier sind die Onkelz", röhrt Kevin Russell, nachdem die New Yorker Hardcore-Combo Biohazard kurz vor 22 Uhr Platz gemacht hat für die Helden der Heerscharen in Schwarz. "Fahr mit uns in den Himmel / wir ebnen dir den Weg / wir öffnen dir die Augen / zeigen dir wie es geht." Da fliegen die Arme schonmal vorab nach oben, da wird kollektive Inbrunst zum riesigen Chor: "Warum willst du laufen / wenn du fliegen kannst?" Den gebürtigen Iren, der statt Skinhead-Glatze längst Metaller-Mähne trägt, hört man fast nicht mehr. Aber Onkelz-Fans müssen nicht hören, sie können fühlen. Und kennen jede Zeile. Wenn die Band mit Vorurteilen spielt und sich selbstironisch das "Feindbild Nummer Eins" nennt, dann möchten sie auch Feind sein. Randgruppenstolz liegt auf glänzenden Gesichtern, wenn die Band große Vokabeln wie "Lüge" und "Ewigkeit" gegen eine nur diffus beschriebene kalte Karriere-Gesellschaft bemüht. Die draußen werden nie verstehen, gerade darum ist es ja so schön.

Nicht mehr Sekretärin, Bauarbeiter, Anwalt sein. Sondern "leben ohne Konventionen", wie Kevin Russell singt, ein Mann mit tätowierten Armen und einem Gesicht, das so wenig nach Rockstar aussieht wie die Ferropolis-Bagger nach Schichtbeginn. Alles echt! "Finde die Wahrheit", empfiehlt der Sänger, "hab keine Angst / finde die Wahrheit / so lange du noch kannst". Eingebettet ist die Suche in eine perfekte Live-Show aus Haley-Gitarren, Großleinwänden und Ohoho-Gesang, mit der die Onkelz sich in der Baggerstadt als letztes Identifikations-Angebot für einsame Individualisten inszenieren. Rechts? Links? Dort die, hier wir! Das große Gruppengefühl, es lebt unten im Gewühl, wo Männerkörper schwitzen und Mädchen für die Großbildschirme bereitwillig ihre Leibchen lüften. So warm kann's werden in karrierekalter Zeit.

Donnerstag, 14. November 2013

Der Lindividualist in Leipzig



Eine qualmende Zigarre in der Hand, den Hut tief ins Gesicht gezogen, fit und in aufgeräumter Stimmung, so hat Deutschrock-Idol Udo Lindenberg in Leipzig Werbung für seine im kommenden Jahr anstehenden Open-Air-Konzerte in der Red-Bull-Arena gemacht. Werbung, die der 67-Jährige eigentlich gar nicht nötig hätte: Der erste der beiden Auftritte, die Lindenberg zum ersten Mal in seiner mehr als 40-jährigen Karriere überhaupt in große Stadien führen, war bereits drei Stunden nach Vorverkaufsstart ausverkauft. Insgesamt wird Lindenberg vor rund 100.000 Fans spielen. "Ein großes Treffen der Lindianer", sagte der Star, der 2008 mit seinem Album "Stark wie zwei" ein überaus erfolgreiches Comeback gefeiert hatte...

Der ganze Text hier

Freitag, 1. November 2013

Great Elk: Große kleine Band


Paul Basile leidet wie ein Hund, wenn er von "Beverly" singt. Aber es klingt gut! Zum dritten Mal war der Mann aus New York jetzt in der Mojo-Bluesbar, nach zwei Soloauftritten hatte er diesmal seine Band Great Elk mit. Aus den verhuschten Balladen wurde so zum Teil deftiger Rock - und aus dem Songwriter ein Frontmann, der manchmal sogar die Kurzhaarfrisur schüttelte. Als Zugabe lieferte Basile allerdings einen seiner Klassiker, vorgetragen allein zur Gitarre: "Grab your Guns" hatte er vor Jahren geschrieben, um seiner Wut auf George W. Bush Ausdruck zu verleihen. Nach dem Konzert aber nickt er ernsthaft. Ja, irgendwie passt der Ruf zu den Waffen auch heute noch.

Dienstag, 7. Mai 2013

Feuer unterm Blues

Als Jan Grünfeld noch Rockmusik träumte, hießen seine Bands Zoon und Remmscheckl. Für ein paar Momente sah es sogar so aus, als könnte aus dem Trio etwas ganz Großes werden. Stattdessen ist Grünfeld dann aber doch lieber abgetaucht - um jetzt wieder zurückzukommen, in einem kleinen Klub, begleitet von Joris Hering und seiner Bluesband. Als Jan Grünfeld noch Rockmusik träumte, hießen seine Bands Zoon und Remmscheckl. Die Songs des Hallensers klangen damals nach Hamburger Schule, auf einem steifgeschlagenen Beat tanzten Texte wie "Ich bin scharf auf Deine Freundin". Solche Stücke, die gut auch von Tocotronic oder Blumfeld hätten stammen können, schrieb Grünfeld im Dutzend und für ein paar Momente sah es sogar so aus, als könnte aus dem Trio etwas ganz Großes werden. Stattdessen ist Grünfeld dann aber doch lieber abgetaucht. Der Musiker, der schon in den 80er Jahren zusammen mit dem heutigen Stoa-Chef Olaf Parusel die Band "Revanche" betrieb, fing ganz von vorn wieder an. Nicht mehr nach Rock, sondern nach Ambient klingen die 13 Stücke auf seinem gerade veröffentlichten Album "A Trace", das Grünfeld mit Hilfe des in Halle, Weimar und Leipzig beheimateten Labels Headphonica zum kostenlosen Download ins Internet gestellt hat. Wirklich - keine Spur mehr von knurrenden Gitarren und hoppelnden Rhythmen. "A Trace" ist leiser als laut, bedächtiger als rhythmisch und trotz gelegentlich auch deutschsprachiger Liednamen wie "Die Insel" oder "Gute Nacht" liegen Assoziationen zu den zarten Klanghäkeleien von Ólafur Arnalds, Gravenhurst und The White Birch näher als jeder Vergleich mit aktuellen deutschen Rockgruppen. Gesungen wird wenig, getanzt wird höchstens mal bei "The Ticket", einem vergleichweise fast schon metallischen Stück inmitten der anderen Flüster-Pop-Hymnen. Meist entwickelt sich eine Soundskulptur aus einer stillen Gitarrenfigur, zu der Geräusche aus dem richtigen Leben treten. Rascheln, Knistern, Kindergeschrei - seit 2005 schon arbeitet Jan Grünfeld an solchen Kollagen aus Echtweltklängen und instrumentalen Übermalungen. Als Technik dienen dabei Kassetten- oder Minidiscrecorder, denen Stücke wie das mit Zikadengesang grundierte "In the Fields" ihr "warmes, verrauschtes und sehr persönliches Klangbild" verdanken, wie Grünfeld selbst beschreibt. Alle Kompositionen entstehen dabei durch Improvisationen an der Akustikgitarre, die übereinander geschichtet und dann mit Fieldrecordings zu mehrdimensionalen Klanglandschaften erweitert werden. "A Trace" ist bereits das dritte Album, das wie der Soundtrack zu einem nur noch nicht gedrehten Film klingt. Wie schon die früheren Werke, auf denen Grünfeld aus Depeche Modes "Enjoy the Silence" ein vorsichtig nach Liebe tastendes Akustikstück gemacht hatte, entsteht aus wenigen Akkorden großes Kino für den Kopf, gerade weil sich die meisten Songs mangels eines Textes jeder Interpretationsvorgabe enthalten. "Diesen Weg möchte ich unbedingt weiter verfolgen", sagt der Musiker selbst über seinen "experimentellen Ansatz, der aber nicht experimentell klingt". Melodien, so empfindet er es selbst, kommen und gehen hier - "wie Spuren im Sand, deshalb auch der Albumtitel ,A Trace'" - deutsch: "Eine Spur". Als nächsten Schritt sieht Jan Grünfeld nun Auftritte mit seinen Tracks. "Alles soll dann live entstehen und damit jedes Mal einzigartig bleiben."

Dienstag, 16. April 2013

Kurt Vonnegut lässt grüßen

Paul Basile spielt eigentlich bei der New Yorker Band Great Elk, manchmal ist er aber auch allein unterwegs. Dann ersetzt die Gitarre die klassische Rockbegleitung und Basile spielt nicht nur großartige Song wie "In Our Tunnel Underwarter" und "Give Up", die auf dem aktuellen Great-Elk-Album "Autogeography" zu hören sind. Sondern auch das Springsteen-Cover "Dancing in the Dark" und das eigene, unveröffentliche "Bulletproof Bibles", das von Kurt Vonneguts Dresden-Roman "Schlachthof 5" inspiriert wurde. Klare Botschaft: "It´s not safe to go outside". Gerade heute passt das ja leider.

Freitag, 5. April 2013

Herbst im Winter


Ich glaube, sie waren die letzte Band, die in der DDR verboten wurden. Fast ein Vierteljahrhundert danach ist Rex Joswig wieder mit Herbst in Peking unterwegs - Besetzung nunmehr Laptop und zwei Gitarren. Was bei anderen Kapellen ein fürchterlicher Abend voller Regression werden würde, gerät dem Trio, das gerade eine Art Best-Of-Album herausgebracht hat, zu einer hypnotischen Messe.

Freitag, 25. Januar 2013

Verloren im Empire

Wie viele Nackenschläge kann eine Band vertragen? Wie viele dumme Zufälle können sich zwischen den großen Erfolg und die Knochentour durch kleine Säle stellen? Tim Brownlow, Bassist Duff Battye und Drummer Bill Cartledge wären geeignete Kandidaten für eine brauchbare Antwort. Die drei Engländer, die vor elf Jahren die Band Belasco gründeten, hatten auf dem langen Weg seitdem alles, was das Rock-Leben bietet: grandiose Alben und schlechte Verträge, Auftritte in angesagten Hollywood-Filmen und Gastspiele auf verregneten Kleinstadt-Festivals. Offenbar eine Mischung, die zu gesteigerter musikalischer Überzeugungskraft führt. Denn "Transmuting", Album Nummer vier seit dem famosen Debüt "Simplicity", zeigt das Trio auf einem neuen Höhepunkt: Elf Songs spannen den Bogen vom muskulösen Alternativ-Rock bis zu fein ziselierten Balladen wie sie Coldplay oder Snow Patrol nicht schöner hinbekämen. War das Vorgängeralbum "61" noch geprägt von geraden, flotten Stücken wie "On The Wire" und ehrgeizigen Hymnen wie "The Earth", ergänzen sich die Teile im neuen Werk zu einem perfekten Bild. Gitarre, Bass und Schlagzeug spielen mit unglaublicher Dynamik zusammen, Tim Brownlow singt sich die Seele aus dem Leib und die stürmischen Melodien von Stücken wie "Moves Like Water" oder "Home" setzen sich schon mit dem ersten Hören unwiderstehlich im Ohr fest. Es ist beileibe kein fröhliches Album, das die drei Mittdreißiger da mit Richie Kayan (Oasis, Supergrass) in den Chapel-Studios in Lincolnshire eingespielt haben. Es geht um Enttäuschungen, um verlorene Liebesmüh' und um das Gefühl, verloren zu sein in einer Welt, die sich immer schneller dreht. Das sechs Minuten lange "Empire" beginnt wie vor zehn Jahren das erfolgreichste Belasco-Stück "15 Seconds" mit einem pumpenden Gitarrenriff und steigert sich ganz allmählich in einen Wirbel aus Akkorden, Rhythmen und Bassläufen, wie sie im aktuellen Rock-Geschäft nur Duff Battye spielen kann. Geht es in diesem Mammutstück fast schon in Richtung Led Zeppelin, schleicht sich das folgende "Who do you love" auf Samtpfötchen an wie ein Lied von Mumford & Sons. Nur dass Tim Brownlow besser singt als sein angesagter Landsmann Marcus Mumford. Noch besser ist das zu hören, wenn sie die Lautstärke dimmen und aus dem Tempo-Rock von "Open up" und "Home" ins Akustische schwenken. "Rosa" zeigt einen Tim Brownlow, der zu einer scheppernden E-Gitarre ironisch den Billy Bragg macht: Rosa ist die Chefin, aber das ist völlig okay. Brownlow, Battye und Cartledge, die vor einigen Jahren Geld spendeten, um die Abraumhalde von Klobikau im Saalekreis begrünen zu helfen, sind nicht mehr unterwegs, um Coldplay vom Thron zu stoßen oder Muse zu beerben. "Time is running out", stellt Brownlow in "What it is" fest, klingt aber gar nicht traurig dabei. Alle drei bei Belasco haben Frauen, Kinder und machen Musik, nicht weil die Plattenfirma auf das nächste Album drängt - sondern aus Freude daran, sie machen zu können.

Dienstag, 24. April 2012

Als Unplugged die Zukunft war

Plan B damals unplugged in Potsdam. Keine Ahnung, woher ich die Aufnahme habe. Lag auf einer alten C60-Kassette rum. Die optische Umsetzung ist improvisiert, aber immerhin läuft das Bandzählwerk impressionistisch etwa dreimal so schnell wie die Musik selbst.

Montag, 12. September 2011

Einer für Halle


Hier hat alles angefangen, damals, als der große Mann in der schwarzen Jacke noch ein schmaler kleiner Junge war. Ralf Schmidt, den in Halle alle "Schmatt" nannten, steht wieder hier, vorm Opernhaus, der ersten großen Bühne, auf der er gesungen hat. Eigentlich nur, weil der Bäcker in der Südstraße, in der er mit seiner Familie lebte, immer so sauer war. "Ich habe gesungen, wenn ich aus der Schule kam", erinnert sich Ralf Schmidt heute, "das hallte so schön im Treppenhaus". Doch dem Nachtarbeiter aus der Nachbarschaft fehlt jedes Verständnis für die große Kunst des Kleinen. Ultimativ forderte der Kunstverächter, Mutter Schmidt möge ihren Sohn doch gefällig irgendwo hinbringen "wo er singen kann, ohne die Leute zu stören."

Das war vor vier Jahrzehnten. Ralf Schmidt, der im halleschen Industrieviertel zwischen Karosseriefabrik und Pumpenwerk aufwuchs, marschierte von hier aus über den Stadtsingechor, die Opernbühne und lokale Rockbands zur Deutschrock-Institution Stern Meißen, der der junge Mann von der Saale binnen weniger Monate eine musikalische Frischzellenkur verordnete, die ihr das Leben rettete.

Seitdem ist viel passiert. Ralf Schmidt hat die Wanderjahre, die die DDR nicht gestattete, nachgeholt. Er spielte Heavy Metal, arbeitete als Fotograf und Fotomodel in den USA. Bis er plötzlich wieder Lieder fühlte. Seitdem ist der Sänger, Pianist und Gitarrist, der Neil Young, Leonhard Cohen und Tom Waits liebt, ruhelos unterwegs. Alben, Tournee, Alben. Das aktuelle heißt „Hautlos“ und zeigt den 50-Jährigen als einen der letzten seiner Art: Große Themen in kleinen Versen, verpackt in unwiderstehliche Melodien, akustische Gitarren, Klavier, viel Gefühl.

Seine Ankündigung aus dem Titelsong, "irgendwann kehr´ ich immer zurück" hat Falkenberg unterdessen wahrgemacht. „Ich mußte mich zwischen Hamburg und Halle entscheiden“, sagt der langjährige Wahlberliner, „aber schwer ist das nicht gefallen.“ Ein paar Runden durch die alte Stadt, ein paar Abend in neuen Kneipen, alte Freunde und Musikerkollegen treffen, mit denen er vor 30 Jahren zusammengespielt hatte. „Man sieht plötzlich, was sich verändert hat“, glaubt er, „und man merkt, was immer bleibt.“

Die kleine Stadt, die viel mehr ist als die Summe ihrer Stadtteile. Falkenberg, der inzwischen ganz in der Nähe des Opernhauses lebt, in dem alles anfing, hat sich inspirieren lassen von den altbekannten Straßen, von Plätzen, Parks und Menschen. „Die Stadt, die keiner kennt“ hat er das Lied genannt, das die schönste Hymne ist, die Halle jemals verehrt bekommen hat. Zum ersten Mal live spielen wird er das Werk, das die Eigenheiten der Hallenser und ihrer Stadt ebenso liebevoll wie zielsicher beschreibt, bei seinem Geburtstagkonzert zur Spieleröffnung im Neuen Theater.

Ein besonderer Abend für den Rückkehrer, der an derselben Stelle im vergangenen Jahr begeistert gefeiert wurde. „Es ist die Heimpremiere des neuen Albums“, sagt er, „und zum ersten Mal seit unserer Zeit bei Klink spiele ich wieder Holger "Scotti" Gottwald und Roland "James" Dietze am Bass“. Einer für Halle, einer für alle – mehr Heimkehr geht nicht.