Sonntag, 17. Mai 2020

Mount St. Helens: Besuch einer Zeitbombe


Morgen jährt sich der 40. Jahrestag des Ausbruchs des Vulkans St. Helena, doch auf dem Berg ist heute nichts mehr von der Katastrophe von 1980 übrig. Nur das Grün um ihn herum verdankt die Landschaft dem Monster, das immer noch rumpelt. Man muss dort nicht hinaufgehen, so sind sie niocht, in den USA. Es gibt eine wunderschöne Straße, die durch eine der schönsten Landschaften der Erde führt. Schwarzer Asphalt glänzt in der morgendlichen Feuchtigkeit zwischen grünen Böschungen - der Mount St. Helens fasziniert seine Besucher, auch wenn sie ihn noch nicht erreicht haben.


Der Highway 504 führt als kurvenreiche und gut ausgebaute Bergstraße zum Johnson Ridge Observatory, dem Ort, zu dem alle Besucher kommen. Von hier aus haben Besucher einen perfekten Blick auf den Vulkan, der immer noch aktiv und deshalb eine tickende Zeitbombe ist. Unterwegs sollte man unbedingt einen Stopp im Lewis & Clark State Park einlegen, wo sich noch Reste der sehr alten Bäume befinden, die große Flächen bedeckten, bevor die Lava kam und alles wegbrannte. Wenn ein bisschen mehr Zeit ist, ist auch noch ein Ausflug in das Naturschutzgebiet Nisqually National Wildlife Refuge drin. Hier warten Feuchtgebiete, in denen Vögel fast symphonisch singen.


Aber das Hauptziel für Millionen von Menschen von nah und fern ist natürlich der Vulkan, ein 2.539 Meter hoher Gipfel, der die umliegenden Bergrücken um ganze 1.100 Meter überragt. Der Vulkankegel hat einen Durchmesser von 10 Kilometern, er ist mehr als 40.000 Jahre alt. Damals suchte erstmals Magma aus dem Erdinneren unter großem Druck nach einem Ausgang. Seitdem hat der Mt. St. Helens insgesamt neun große Eruptionsphasen erlebt, die zwischen 5.000 und weniger als 100 Jahren dauern, mit Schlafperioden zwischen 15.000 und etwa 200 Jahren.


Der Aufstieg ist also relativ sicher, da der Vulkan für die nächsten 150 Jahre still bleiben dürfte. Wenn man am Johnston Ridge Observatory angekommen ist, führt der beste Weg weiter zu einer Wanderung auf dem berühmten Eruption Trail. Dieser Pfad bietet eine fantastische Aussicht auf die Eruptionszone und den Krater und wimmelt im Sommer von rosa Lupinen und anderen Blumen. Zu anderen Jahreszeiten wird die Umgebung von der kargen Schönheit einer vulkanischen Landschaft beherrscht, die ausgebrannt und mit Bimsstein bedeckt ist.

Seit 1980 ruht der Vulkan - aber er schläft nur. Seit St. Helens am 18. Mai vor 40 Jahren um genau 8.32 Uhr explodierte, scheint der Berg nur noch wenig Dampf zu haben. Genau wie die mehr als 100 Jahre vor dem Mai 1980 - doch genau dann kam der schlimmste Vulkanausbruch in der jüngeren Geschichte der USA: Die oberen 400 Meter des damals noch 2.949 Meter hohen St. Helens flogen in die Luft und die größte Lawine aller Zeiten raste ins Tal, so dass selbst in elf Kilometer Entfernung Hügel von 400 Metern Höhe kein Hindernis für die wuchtig heranrollenden Gesteinsmassen darstellten.

600 Quadratkilometer Wald wurden damals zerstört, Schlammlawinen rissen 23 Brücken weg, 300 Kilometer Straße verschwanden. Eine Aschewolke stieg auf, wie sie der Kontinent noch nie zuvor gesehen hatte: Nur 30 Minuten nach dem Ausbruch maß sie 64 mal 48 Kilometer und bewegte sich mit 100 Stundenkilometern nach Osten, um den Tag in eine Nacht zu verwandeln.


57 Menschen starben an diesem Tag auf St. Helens - trotz der isolierten Lage im dünn besiedelten Südosten des Bundesstaates Washington, trotz aller Warnungen von Experten, die den Berg nach dem ersten Grollen drei Monate zuvor rund um die Uhr beobachtet hatten. Seitdem sieht der Berg nicht mehr so aus wie damals, als sie ihn "Amerikas Fujijama" nannten. Der verheerende Ausbruch hat auch viele Spuren menschlicher Besiedlung weggerissen, die im 5. Jahrtausend v. Chr. begonnen hatte. Völker wie die Klickitat und die Binnen-Salish ließen sich damals hier nieder, obwohl sie wussten, wie gefährlich das war. In ihren Sprachen nannten sie den Berg Loo-Wit Lat-kla oder Louwala-Clough (Feuerberg oder rauchender Berg) und sie erwarteten immer, dass er wütend sein würde. Aber sie wussten auch: Das Leben würde danach stets weitergehen.

Freitag, 24. Januar 2020

Richfield Gas Station: Der letzte Rest von "Easy Rider"

Inside Movie legend urbex
Die legendäre Tankstelle aus dem Easy-Rider-Film: Innen ist die Zeit stehengegeblieben.


Es ist länger als ein halbes Jahrhundert her, dass Peter Fonda und Dennis Hopper als "Easy Rider" in die Kinogeschichte fuhren. Sie beiden freiheitssuchenden Motorradfahrer schmuggelten im gleichnamigen Kinofilm Kokain von Mexiko nach Los Angeles und der Streifen wurde zum Kultfilm. Wyatt und Billy versteckten den heißen Stoff in den Batterien ihrer Bikes, das Geld landet nach dem Verkauf im Tank einer Chopper und die Reise geht dann einmal quer durch die USA, ein Land am Ende der Nachkriegszeit, zwischen Hippiefeeling und trotzigem Konservatismus. Der Film, ein echtes Road Movie, der von Fonda produziert und inszeniert wurde Hopper, schrieb Hollywood-Geschichte.

Ein ganz klein wenig davon kann man heute noch entdecken, wenn man auf der Spur von Fonda und Hopper auf der legendären Route 66 fährt, einer Autobahn, auf der heute eigentlich nirgendwo mehr eine Spur dieser legendären Zeit findet, zu der Steppenwolf, die Byrds und Jimi Hendrix den Soundtrack lieferten.

Ein paar Kilometer weiter, auf der alten Autobahn 66, wo keine Touristen zu sehen sind, befindet sich in der Nähe des Pine Breeze Inn "Richfield", eine winzige Geisterstadt mit einer verlassenen Tankstelle, an der "Easy Rider" gedreht wurde.

Dieser Ort ist nicht leicht zu finden, er liegt abgelegen zwischen einer Depot der Nationalgarde und dem camp der Navajo Feuerwehr. Nehmen Sie einfach die Ausfahrt 285 (Bellemont) der I-40, biegen Sie ab und fahren Sie eine einsame Straße ins Nichts - am Ende finden Sie links ein paar Holzkisten, ein rostiges Auto und eine abgeschabte Baracke, in der irgendjemand die Zeit eingefroren zu haben scheint.

Hier kommt kein Benzin mehr aus dem Hahn, kein Tankwart wartet und die Gegend ist so leer wie die Brieftasche der Easy Rider. Wer genau hinschaut, sieht im Fenster einige verstaubte Plakate hängen, auf denen "Easy Rider" immer noch lebt. Hopper und Fonda, die in der schockierenden Schlussszene des Films sterben müssen, leben hier für immer und ewig weiter: Junge Männer, die niemals mehr alt werden oder sterben.

Easy Rider Filmkulisse
Die aus dem Film bekannte Tankstelle.


Ricjfield Gas Station
Irgendwer hat ein gepflegt heruntergewirtschaftetes Auto neben der Tankstelle abgestellt.



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Samstag, 11. Januar 2020

Ostgold von der Goitzsche Front: Gipfel der Generationen

Pascal Bock und Dieter "Maschine" Birr - Freunde fürs Leben.
Sie sind am selben Tag geboren, wenn auch ein paar Jahrzehnte voneinander entfernt. Als Pascal Bock geboren wurde, war Dieter Birr schon näher am ersten Bühnenabschied seiner Band Puhdys als am Anfang seiner Karriere. Und als Bock die erfolgreichste DDR-Band zum ersten Mal im Radio hörte, hatte die Berliner Musiklegende, die alle nur “Maschine” nennen, sein zweites oder sogar schon drittes Comeback erfolgreich absolviert.

Kennengelernt haben sich der Sänger der Bitterfelder Rockband Goitzsche Front und die DDR-Rocklegende schlechthin schließlich auf der Trabitour der Sachsen-Anhalter einmal längst durch die Republik: Birr, der gerade eine Krebs-OP überstanden hatte, stieg quasi zum Nachwuchs auf die Bühne, der mit "Geh zu ihr" schon vor Jahren einen Klassiker der Puhdys gecovert hatte. Gemeinsam spielten sie dass "Was bleibt", eine tränenselige Ballade, in die an jedem Abend ein bierseliger Chor einfiel. Herzen im Dreiviertel-Takt. Gefühle für Männer.



Gefühle, wie sie auch das neue Goitzsche-Front-Album "Ostgold" wieder und wieder formuliert. Hart, aber herzlich. Roh, aber ehrlich. Nachdenklich im Kampfanzug. Seit die Sänger Pascal Bock, Gitarrist Maximilian Beuster,  Christian „Ulze“ Schulze am Bass und Tom Neubauer hinterm Schlagzeug vor fünf Jahren mit ihrem zweiten Album "...aus Ruinen" signalisierten, dass in der Bitterfelder Pop-Provinz nicht nur  eine kleine Spaßpunkband von vier Freunden musiziert, sondern eine Band, die Hits wie "Die Axt aus der Provinz" und "Der Osten rockt" schreiben kann, hat die Karriere der anfangs wegen ihres Namens ebenso wie wegen ihrer Attitüde angefeindeten Kapelle rasant Fahrt aufgenommen.

Album 3, etwas verschroben "Mo[nu]ment" genannt, landete auf Platz 16 der offiziellen deutschen Charts. Und der Nachfolger "Deines Glückes Schmied" führte zum ersten Mal seit Tokio Hotel wieder eine Band aus Sachsen-Anhalt auf den Spitzenplatz der Hitparade. Schulze, Neubauer, Beuster und Bock gelang das zudem als ersten Sachsen-Anhaltern, die auch tatsächlich im Land wohnen.

Die Musiker, bis auf den später dazugestoßenen Maximilian Beuster allesamt Kumpels seit der gemeinsamen Kindergartenzeit, leben wirklich hier und sie spielen hier, etwa immer kurz vor Weihnachten ihr Weihnachtskonzert in Halle und stets im Sommer  ihr eigenes Goitzsche-Festival daheim am gleichnamigen See vor der Bitterfelder Haustür.

Heimat ist ein großes Wort für alle vier, auch auf "Ostgold", dem neuen Werk, das direkt nach Erscheinen in die Charts marschierte, Max Raabe und Sarah Connor überholte und nur durch die Schlagersängerin Daniela Alfinito darin gehindert wurde, erneut auf Platz 1 zu debütieren. In den neuen Songs geht es um Autoschrauber und zerbrochene Beziehungen, um verlogene Argumente und Luther, Rucksäcke voller Bier und Pfeffi, das mittlerweile auch im Westen entdeckte Kultgetränk einer Band, die sich selbst als Truppe aus "ganz normalen Irren" (Liedtext) bezeichnet. Keine Idole, keine Stars, nur ein paar Jungs auf der Bühne, die Gitarre spielen und singen.

Dieter Birr erinnerte das von Anfang an an die eigenen Ursprünge. „Wir eben auf einer Wellenlänge“, weiß der 75-Jährige, der nach der ersten Anfrage aus Bitterfeld noch meinte, „die junge Punkband und icke, das wird nicht zusammenpassen.“ Tut es aber doch. Wenn Bock und Birr, die Geburtstagszwillinge mit 44 Jahren Abstand, gemeinsam singen wie auf dem Ostgold-Bonustrack "Was bleibt", dann ergänzen sich das zwei Stimmer auf magische Weise: Hier der erfolgreichste Rockstar der DDR, der die Arme selbst beim Singen im Studio ausbreitet. Dort der Sänger der erfolgreichsten Rockband Sachsen-Anhalts, der hauptberuflich noch immer bei einem großen Autohersteller arbeitet und den gemeinsamen Vortrag mit seinem tiefen Bass erdet.

Im Unterschied zum Vorgänger "Deines Glückes Schmied" ist "Ostgold" gelassener, mit weniger Zorn und mehr Zwischentönen aufgeladen. Das Titelstück gibt die Richtung vor: "Wir sind aus Gold / geboren aus einem Guß", heißt es da, "wir sind nicht aus Fleisch und Blut / das einmal sterben muss". Ein Mittelfinger für all die, die an der Band gezweifelt haben, die ihr den Namen nehmen und sie in eine Ecke schieben wollten, in die sie nie gehört hat. "Wir sind immer noch da / auch nach dem zehnten Jahr", singt Bock in "Rucksack voller Bier", einer Hymne, die die alten Zeiten feiert, in denen "elf Leute vor der Bühne" standen und die Gage aus ein paar Bier bestand.

Seit jenem Platz 1 vor zwei Jahren ist das endgültig anders. Die Goitzsche Front hat den HFC mitgerettet, für die Weißenfelser Basketballer gespielt, sie haben Spenden für Suchtkranke und für eine Kinderklinik gesammelt und aus dem toten Goitzsche Festival auf eigene Faust ein jährliches Gipfeltreffen für alle Freunde des Deutschrock der härteren Gangart gemacht. Trotz der "Schwarzen Raben" (Liedtitel), die über der Gegenwart kreisen, ist Optimismus angesagt, ein eigenes ostdeutsches Selbstbewusstsein, das sich nicht bückt und schuldbewusst danke sagt.

Hier singt der andere Osten, wie ihn der Publizist Stefan Krabbes nennt, ein Landstrich, der sich mehr nicht um Fremdzuschreibungen scheren, sondern sich selbst definieren will. Im muskulösen Punkrock der Goitzsche Front splittern die Klischees reihenweise: Bitterfeld entsteht hier als wunderschöne Stadt neu, der verhärmte Osten rockt, es ist Party immer wieder und überall, gute Laune und Pech hat der, der nicht hat, was Bock im gleichnamigen Stück "Meine kleine Welt" nennt.

 „Uns haben immer Leute gratuliert, weil wir angeblich so viel Glück hätten“, hat Bock, den sie in der Band nur „Bocki“ nennen, nach der Veröffentlichung des Albums genannt, dessen Name eine Art Antwort darauf war. "Deine Glückes Schmied" zeigte, dass harte Arbeit das Erfolgsgeheimnis der Goitzsche Front war. "Reingekniet und geackert“, hätten sie immer, vom ersten Tag an, als Maximilian Beuster sich um den vakanten Gitarristenjob bewarb - nach einer Anreise mit dem Moped, weil er erst 17 war und noch keinen Führerschein hatte.

Seitdem heißt Rock'n'Roll hier Doppelschicht: Morgens früh, noch vor der Schicht bei einem großen Autohersteller in Leipzig, Abrechnungen Buchhaltung, Fanbestellungen, Absprachen fürs eigene Festival, dann Spätdienst, Mitternacht nach Hause. Aber, glaubt Bock, „wer zu Hause auf dem Sofa sitzt, der wird nie etwas erreichen.“ Genauso sind sie mit den Hinweisen meist wohlmeinender Ratgeber umgegangen, die mehr oder weniger vorsichtig insistierten, ob ein neuer Bandname den Erfolg nicht grundsätzlich beflügeln könne.

„Weil Osten, Bitterfeld, Sänger mit Glatze und Goitzsche Front, das wäre vermarktungstechnisch ungünstig.“ Sie haben darüber nachgedacht. Und abgelehnt. „Wir wollen echt sein, so, wie wir wirklich sind“, sagt Maximilian Beuster, „und wie könnten wir das sein, wenn wir beim ersten Widerspruch unseren Namen ändern?“

Es geht ihnen nicht um Schönheit, nicht um Stromlinienform und Designerrock für Metropolen. Goitzsche Front macht Musik für Leute, die es mögen, im Gegenwind zu stehen, die vielleicht an sich zweifeln und sich fragen, warum nicht immer alles klappt. "Warum gibt es Krieg, warum macht vieles keinen Sinn, gibt es einen Himmel und wie komme ich dahin?", singt Bock, dessen brachiale Poesie an Vorbilder wie die Toten Hosen ("Pfeffi") oder die Südtiroler Band Frei.Wild erinnert.

"Diese Lieder heilen Wunden" verspricht Bock in "Große Lieder", einem Stück über den Glauben an die therapeutische Kraft von Rocksongs. „Es geht nicht um Talent oder Genie oder ob du gut bist oder schlecht“, hat Maximilian Beuster einmal beschrieben, dessen Gitarrespielen "Ostgold" prägt wie noch kein GF-Album zuvor. es gehe nur darum, zu tun, was man glaubt, tun zu müssen. „Das Leben ist irgendwann vorbei“, hat Pascal Bock damals ergänzt, „dann will ich sagen, ich habe getan, was ich richtig fand.“

Kommende Woche startet die Ostgold-Tour der vier Bitterfelder, die sie bis Anfang März mit 16 Konzerten durch die ganze Republik führen wird.

Sechs Auftritte finden im Osten statt.

Zehnmal rockt der Osten den Westen.

Tourtermine: goitzschefront.de



Samstag, 31. August 2019

Verbotene Liebe: Eine illegale Wanderung rund um Usedom


Eine  Million Gäste  im Jahr, alptraumhaft volle Strände, Bauboom und lange Staus bei An- und Abfahrt. Die Insel Usedom ist der Deutschen liebstes Sonneneiland. 66 Kilometer lang und 24 breit liegt die Insel in der Pommerschen Bucht, eine Geldmaschine für Hoteliers und Kneiper, oft ein Alptraum für die 76.000 Einwohner, die seit jeher vom Massentourismus leben, seit der Wiederentdeckung der heimatlichen Strände durch Türkei-, Ägypten- und Tunesienurlauber aber über Verkehrsinfarkt und hohen Mieten stöhnen.

Die andere Seite von Usedom ist trotzdem noch da: Einsame Strände, endlose Sommerwiesen voller Tiere und der Sternenhimmel über dem taufeuchten Sand. Doch wer dieses Geheimnis entdecken will, muss abtauchen in die Illegalität einer Reise, die vom ersten Schritt an verboten wäre, bekäme ein Strandvogt, ein Polizist oder ein Ordnungsamtsmitarbeiter Wind davon.


Strandwandern auf Usedom funktioniert dennoch erstaunlich gut. Wenn bestimmte Regeln beachtet werden. Die Herausforderung dieser Reise ist klar - kein Hotel, kein Zeltplatz, keine Pension und kein Airbnb-Zimmer. Nur Natur, eine Woche lang, mit Zelt am Strand oder im Wald. Ein verrückter Plan. Mal sehen, was draus wird.

Mit so viel Gepäck, wie dazu nötig ist, kann sich natürlich niemand unsichtbar machen. 17 Kilogramm wiegt der Rucksack, ohne die Wanderschuhe, die anlässlich der ersten Strandetappe außen herumbaumeln. Deutschland liegt im Sand, schon in Ahlbeck, dem östlichsten Ort Usedoms, dicht an dicht eng gedrängt im Ostseesand. Wie Außerirdische wirken da Wanderer, die es offenbar direkt aus den Alpen hierher verschlagen hat. Immer am Meer entlang bis Peenemünde, das ist die geplante Route. Von dort ein Schwenk ins Inselinnere. Und weiter am Ufer der Peene entlang nach Süden zum Achterwasser, ehe es zurück an die Ostseeküste geht.


Für geübte Bergwanderer ein Spaziergang, denn so etwas wie Höhenmeter gibt es nicht, abgesehen von einem Abstecher zu einem ehemaligen DDR-Ferienlager, das zwei Kilometer hinter Bansin versteckt im Wald liegt. Malerische Ruinen künden von längst vergangenem Ferienspaß, grün überwuchert der Wald die Reste dessen, was einmal das vielbegehrte Urlaubsidyll irgendeines inzwischen sicher längst abgewickelten DDR-VEB war. Nicht einmal der Abriss lohnt sich hier, die Natur holt sich die Pappbuden ganz von selbst zurück. Und bis dahin amüsieren sich die örtlichen Graffiti-Sprayer im früheren Speisesaal.


Zurück am Strand heißt es nun, nur nicht zu weit laufen. Wer auf Usedom wandert und vor hat, sich den Aufenthalt auf den gigantischen Campingplätzen zu ersparen, deren schiere Ausmaße an sozialistische Neubaustädte erinnern, ist gut beraten, wenn er sich an den Gemarkungsgrenzen zwischen den einzelnen Gemeinden orientiert. Dort, wo die Strände leer sind, weil den meisten Hotelgästen die 500 Meter in die freie Natur viel zu weit sind, heißt es, die anbrechende Nacht abzuwarten. Mit der Dämmerung kommen die Jogger, dann die Hundehalter auf ihrer letzten Runde. Und danach packen die Wanderer ihre Zelte und Planen aus, um sich im Schatten der Steilküste einzurichten.

Klar ist - spätestens am zweiten Tag ist der Sand überall. In jeder Ritze, jedem Eckchen, selbst zwischen den Zähnen knirscht er immer wieder unvermittelt. Dafür steigt eine strahlende Sonne über dem menschenleeren Strand auf und die Ostsee gehört den Wildcampern ganz allein. Zelt zusammenpacken, Schlafsack einknüllen, Rucksack auf, weiter geht es Richtung Nordwesten. Kaffee zum Runterspülen der Sandkörner gibt es zum Glück gleich nebenan am Ortsrand von Ueckeritz.

Dahinter verändert sich der Sand, der Strand wird schräger, der Weg tiefer. Dafür aber ist es hier nicht mehr ganz so voll wie in den selbsternannten "Kaiserbädern" Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin. Mit gemütlich vier Kilometern in der Stunde geht es Richtung Nordwesten, am Horizont ist der Peenemünder Haken schon zu sehen, mit dem der bewanderbare Strand enden wird.


Einmal noch übernachten bis dahin, gleich neben einem Kioskgrill zwischen dem kleinen Zempin und der Urlaubsmaschine Zinnowitz. Um sechs morgens kommt der Müllmann und leert die Mülleimer, die mit dafür sorgen, dass die Strände auf Usedom sauber sind wie eine Fünf-Sterne-Hotelküche: Auf 40 Kilometer Strecke wird keine einzige Plastiktüte, kein verlorener Badelatsch und kein geplatzter Ball am Boden liegen. Abends kommen erst die Jogger, dann die Hundehalter, am Ende ein paar leicht angeschickerte Gruppen, die die Cocktails im jeweiligen Nachbarort verkostet haben.

Der Himmel ist noch durchsichtig blau, vor dem Hafen von Swinemünde, der ganz im Osten liegt, hat sich eine Warteschlange von Schiffen gebildet. Auf der anderen Seite blinkt der Leuchtturm von der Greifswalder Oie herüber, der Booten den Weg weißt, die es nicht gibt.

Hier hinten kurz vor dem Sperrgebiet sowieso nicht. Hinter Trassenheide kehrt Usedom langsam zu seinem natürlichen Zustand zurück. Karlshagen liegt noch am Strandrand, ein letztes Aufbäumen der Käfighaltung für Jahresurlauber und ein Strandvogt, der im Gebüsch am zentralen Platz mit der üblichen Konzertmuschel lauert, um Verdächtigen die Kurtaxe abzuverlangen. Das Ende der Usedomer Welt folgt auf dem Fuße: Vier Kilometer weiter wird der Strand breiter, das Wasser flacher und der Dünenwald dichter.


"Hier hat man noch seine Ruhe", sagt ein Einheimischer, der vor Sonnenuntergang kurz vor Haken, Struck und Rudenmm noch einmal ins Wasser steigen will. Hinter dem letzten Schilfgürtel fängt das Vogelschutzgebiet an, von dem die Peenemünder sagen, dass es zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt: "Überall im Wald liegen noch Bomben, die nicht explodiert sind", beschreibt der späte Badegast, "hätten sie alles teuer beräumen müssen, wenn sie nicht das Schutzgebiet draufgepackt hätten." In dessen Schatten liegt nun so viel Einsamkeit, wie sie eine Insel wie diese hier eigentlich gar nicht haben kann. Aber Warnschilder mit "Vorsicht, Munition, Betreten verboten", entfalten ihre eigenen Wirkung.

Dadurch aber führt kein Weg um den Haken, sondern nur bis zu einem Zaun, an dem weitere verwitterte Schild vor dem Betreten der auch fast acht Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges noch munitionsverseuchten Bereiche um das frühere Raketentestgelände des Wernher von Braun warnt. Es seien da überall wirklich von alliierte Bomben im Boden, die bei Angriffen auf die V2-Fabrik fehlgingen. "Dort vorn", sagt der schwimmfreudige Rentner, "liegen sogar noch Flugzeugteile".

Eine Begegnung mit der Geschichte, von der Gegenwart überstrahlt. Am einsamsten Strand von ganz Usedom wohnt in diesem Jahr ein echte Einsiedler, der sich aus Kieferästen und einer Plane eine Art Zelt gebaut hat. Er schlafe abends am Feuer, stehe mit den Vögeln auf und wundere sich mittlerweile auch schon, dass ihn alle in Ruhe ließen, sagt er. "Aber ich tue ja auch keinem was." In Rostock geboren, sei er vor Jahren nach Berlin gezogen, habe nun aber festgestellt, so der Mittdreißiger, dass die Hektik und das Großstadtleben ihn für den Moment überforderten. "Da ist mir diese Stelle hier eingefallen, wo man nur mit sich selbst und der Natur ist." Als sich der Abend senkt, zündet der Einsiedler sein Feuer an, die Mücken kommen und gehen wieder und mit der Dunkelheit steigt eine Ruhe auf, wie sie nicht tiefer sein könnte.

Auch morgens sind keine Menschen zu sehen. Der Weg führt jetzt kurz zurück und dann an einer Straße entlang, die den einzigen sicheren Weg durch die Sperrzone markiert. Wie fast überall im Nordosten der Insel, die im Jahr auf fast 2000 Sonnenstunden kommt, gibt es nach einer kurzen Strecke Nur-Straße Rad- aber keinen speziellen Wanderwege, obwohl das hier der Europawanderweg E9 sein soll. Was hat zuerst gefehlt? Die Wanderer? Oder die Wanderwege?


Peenemünde, der einzige größere Ort auf dieser Schmalseite des Eilands, kommt auf gerademal 300 Einwohner, einen Konsum, eine Gaststätte, ein U-Bootmuseum, eine Physikausstellung und die Reste der imperialen Zweckbauten der Waffenindustrie des Dritten Reiches, die längst als Hauptattraktion der Region gelten. "Früher kamen Auswärtige nicht mal in die Nähe von Peenemünde", beschreibt die Kellnerin der "Alten Wache", "da saß hier überall die NVA und man brauchte einen Passierschein, um in den Ort zu kommen." Heute lebt der vom betonierten Erbe der Raketenpioniere, denn "mit Strand ist hier nicht viel". Und vom Bedürfnis zahlloser Usedom-Urlauber, ihre mitgebrachten oder gemieteten Fahrräder zu nutzen, um zu allen möglichen interessanten oder auch weniger interessanten Zielen vorzudringen.


Die Peene-Seite der Insel bleibt dabei aber für die meisten tabu. Hier, wo die einzige Attraktion aus dem Hochwasserdamm besteht, an dem entlang sich ein alter LPG-Weg schlängelt, dünnt die endlose Kette der Fahrradfahrer aus. Schon an den nach dem Zweiten Weltkrieg gesprengten Materialbunkern der Brauchitsch-Truppe klingelt es nur noch gelegentlich. Es wird wieder still und das Land weit, Felder und urwaldartige Baumgruppen prägen die Landschaft. Das Meer ist nicht mehr zu sehen und bei Mölschow ist auch kein Hauch von Ostseeduft mehr in der Luft.

Usedom sieht hier aus wie das Mansfeld, eine in der Sonne glühende Veranstaltung, aus der es keine Flucht gibt. Die auf den Wanderkarten eingezeichneten Schutzhütten existieren nicht, auch findet sich kein Stückchen ebene Wiese, auf dem sich das Zelt noch vor den nahenden Gewitter aufstellen lassen könnte. Die Wanderung wird zur Suchaktion, quer über abgeerntete Staubfelder und durch trockengefallene Bewässerungsgräben. Rehe und Hasen sagen sich hier gute Nacht. Touristen gibt es nicht mehr, und überhaupt keine Menschen. Dann endlich ein Stück Wäldchen mit Rasen dahinter, Schutz vor dem böigen Westwind und uneinsehbar für neugierige Bauersleute im Ort. Im Pladderregen eines Sommergewitters geht der Abend zu Ende. 60 Kilometer geschafft. 25 zu gehen.



Kein Durchkommen hierhin gab es noch vor 30 Jahren. Der Nordwestteil Usedoms war jahrzehntelang Sperrgebiet. Erst bauten die Nazis rund um das Fleckchen Peenemünde im abgelegenen Gebiet um den Haken ihr Testgelände für Wernher von Brauns V1 und V2 genannten Raketen. Dann kam die Nationale Volksarmee der DDR und errichte einen Sperrgürtel, hinter den niemand schauen durfte.

Erst seit dem Ende der DDR kann das Areal besichtigt werden, auf dem die Nazis im Krieg ihre "Vergeltungswaffen" entwickelten. Ein Museum empfängt jedes Jahr mehr als 300.000 Besucher, in den Außenanlagen sind Modelle und Reste von echten V2-Raketen verteilt. Daneben gibt es eine Ausstellung mit Wundern der Physik und ein ehemals sowjetisches U-Boot, das begangen werden kann.


Abseits dieses Überbleibsels aus der unseligsten Zeit der deutschen Geschichte erstreckt sich weites Wald- und Wiesenland, 25 Quadratkilometer groß, menschenleer. Nirgendwo ist hier eine Möglichkeit, einzukaufen, etwas zu trinken oder eine Wurst zu kaufen. Der Europawanderweg E9 ist ein alter LPG-Pfad aus Betonteilen, die bessere Wahl ist allemal der Deich, der nicht betreten werden darf. Seit den 30er Jahren sind hier nur Einheimische unterwegs gewesen, bis heute sogar, denn im Verkehrschaos der überforderten Insel nehmen Auskenner den alten Wirtschaftsweg als Abkürzung auch mit dem Pkw. Die Wachen, die hier früher standen, sind fort, die zwölf Jahre, die hier ein Zentrum der Rüstungsindustrie der Nationalsozialisten war, haben allerdings ihre Spuren hinterlassen.

Unübersehbar. Im Wald warnen Schilder diplomatisch vor "Munitionsbelastung", am Wegesrand türmen sich die Trümmer früherer Bunkeranlagen. Die hatten die Nazis zwangsweise auf den weichen Boden bauen müssen, weil Tiefbunker im Usedomer Sand keinen Sinn gehabt hätten. Nach dem Krieg galten die halbtonnenförmigen Riesenschuppen als Teil der deutschen Bewaffnung und nach den Vorgaben des Potsdamer Abkommens mussten sie deshalb gesprengt werden.


Was übriggeblieben ist, reicht als Touristenattraktion. Überall türmen sich die Betonhaufen, in denen Teile der geplanten "Wunderwaffen" gelagert worden waren. Vieles ist längst von einer Flora überwuchert, die sich seit dem Abzug der NVA ungestört entwickeln konnte. Stumme steinerne Zeugen von Weltgeschichte: Von hier aus gelang der Menschheit am 3. Oktober 1942 der erste Ausflug in den Weltraum, als ein Raketenofen mit 18 Mischkammern zündete und in seinem Inneren pro Sekunde 125 Liter Kartoffelschnaps und flüssiger Sauerstoff verbrannten, bis das 13 Tonnen schwere ""Aggregat 4" die Grenze zum Weltraum überschritten hatte. Mit Überschallgeschwindigkeit erreichte die Rakete in einer Höhe von 84,5 Kilometern die Grenze der Erdatmosphäre und schlug 190 Kilometer entfernt in der Ostsee ein.

Über 10 000 Menschen hörten damals, wie das ohrenbetäubende Grollen des Triebwerks über die flache Landschaft rollte. Um 15.58 Uhr hob das Aggregat vom Starttisch ab und nahm Kurs auf die Danziger Bucht. In 80 Kilometer Höhe waren die Tanks leer. Keine Spur erinnert mehr daran, dafür aber gemahnen die Bunkerreste, die aussehen wie übergrünte Hünengräber, an die Vergänglichkeit aller Macht.

Wer hier auf den Rad vorbeifährt, wie es nur wenige tun, oder entlangwandert, was niemandem in den Sinn zu kommen scheint, ist auf Spurensuche. All diese Hinterlassenschaften wurden zwischen 1939 und 1942 mit Hilfe von Zwangsarbeitern erbaut und seitdem zerfallen sie mit quälender Landsamkeit. Beeindruckender noch als die Dokumente, Waffenteile, Fotografie, Videos und Modelle in der offiziellen Schau im Museum lassen die steinernen Reste der "Heeresversuchsanstalt", in der Entwicklung und Bau der Flügelbombe Fi 103 und der ersten Großrakete A 4 betrieben wurden, erahnen, welche Hybris hier herrschte. Niemand wusste, dass man im Begriff war, die Basis für die spätere Raumfahrt zu schaffen. Nicht die Eroberung des Alls, sondern der Erde war das Ziel.


Von 1936 bis 1943 wurden in der Usedomer Wald- und Wiesengegend etwa 70 Großbauten errichtet, dazu eine Wohnsiedlung für die Wissenschaftler, ein eigenes Wasser- und Kraftwerk sowie eine elektrisch betriebene Werkbahn. Ferner Lagerbauten als Massenunterkünfte für Soldaten, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge. Dass daraus einmal ein magisch-mysteriöser Ort werden würde, den Neugierige staunend durchwandern können, während Reste von Wasserzisternen, Unterführungen und stillgelegten Bahngleisen andeuten, wie gigantisch diese Anlagen einst waren, von denen außer der Kraftwerksruine nichts vollständig erhalten geblieben ist, hatten Wernher von Braun und General Walter Dornberger als führende Köpfe der Entwicklung einer Fernrakete, die 750 Kilogramm Sprengstoff über eine Distanz von 250 Kilometern transportieren sollte, weder vorgesehen noch geahnt.


Der Atem der Geschichte, hier weht er leise, aber deutlich muffig riechend. Keine zehn Kilometer entfernt gibt es die Reste eines Zwangsarbeiterlagers zu besichtigen, im Museum kann man lesen, dass allein beim ersten Luftangriff der Royal Air Force auf Peenemünde im August 1943 etwa 750 Menschen ums Leben kamen, darunter vermutlich 500 ausländische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Die Bunkerreste am LPG-Weg reichten den Nazis danach nicht mehr aus, um ihre Wunderwaffen sicher zu wähnen. Die Produktion wurde nach Nordhausen in Thüringen verlagert. Häftlinge aus dem KZ Buchenwald mussten dort unterirdische Stollen für das Buchenwald-Außenlagers Mittelbau-Dora in die Felsen hauen, in denen ab Januar 1944 die Raketenproduktion begann. Bei der Errichtung der Anlagen sowie bei der Produktion starben bis zum Kriegende über 20 000 Häftlinge - die V2 forderte so mehr Opfer bei denen, die sie bauen mussten, als bei denen, die sie töten sollte.



Nur weg aus dem Hinterland, aus Orten wie Zecherin und Mölschow, die nur ein paar Kilometer von den vielbesuchten Stränden bei Zinnowitz entfernt liegen, aber wirken wie Teile einer anderen Welt. Selbst im Hochsommer ist hier hinten niemand und so offenbart sich der landschaftliche Zauber der Insel Usedom, der weite Flächen bietet, dschungelhafte kleine Wälder und tuckernde Traktoren. Wie ein Schock kommt Trassenheide, der Vorhof des Urlaubsmolochs Zinnowitz, der von endlosen Radlerkolonnen bevölkert wird. Alles fährt, auf dem Kurplatz lauert der Strandvogt, der die Kurabgabe eintreibt. Zum Glück sind die Zelte, aufgebaut erst nache Einbruch der Dämmerung, selbst aus ein paar Metern Entfernung kaum zu entdecken. Wer sie trotzdem sieht, geht meist kopfschüttelnd vorbei. "Das ist bestimmt verboten", sagt eine Frau. "Das stört doch keinen", entgegnet ihr Mann und erklingt ein bisschen sehnsuchtsvoll.


Auf der Seeseite lässt es sich wieder unbekümmert am Strand entlanglaufen oder auf dem parallel zur Küste verlaufenden Wanderweg, der die offizielle Route des Europawanderweges 9 ist. Trotz der lauernden Blicke und des Kopfschüttelns der Tausenden am Strand geht es unten entlag, vorbei an Kleckerburgen und Festungen aus Planen. Am Streckelsberg bei Koserow wächst eine vergleichsweise scharfe Steigung aus dem Sand. 69 Höhenmeter! Für diese Gegend ist das das Matterhorn.


Die Versorgung ist immer sichergestellt, denn hier folgt Usedom wieder der Logik ständiger Abwechslung. Aus Stadt folgte Leere, auf Leere Stadt. Entlang der opulenten, kiefernbeschatteten Strandpromenade, an der sich in endloser Kette Strandvillen, Strandhotels und Strandrestaurants reihen. wandert es sich im aufkommenden Wind ruhig und gemächlich bis kurz vor Zempin, einen sympathischen Flecken, dem es noch am mallorcahaften Massencharakter mangelt. Der Strand unter einem Stückchen Steilküste, auf der der absurd große offizielle Campingplatz "Am Dünengelände" beginnt, der sich bis Zinnowitz hinzieht, sieht aus wie ein idealer Rastplatz für die Nacht.

Ein paar Jungs zelten hier gleich nebenan, illegal, aber schon eine gnaze Woche lang. "Gab nie Probleme" sagen sie, die allerdings kein richtiges Zelt aufgebaut haben, sondern nur ein Holzgerüst, über dem eine Plane liegt. Nach Landesrecht ist das kein Zelt, sondern mit viel gutem Willen ein Biwak. Und im Gegensatz zum Zelten am Strand ist biwaken erlaubt.

Oder wenigstens nicht verboten. Doch das ist egal, schließlich versiegt der Strom der Steinesammler, Hundeausführer und Jogger mit dem Dunkelwerden, durch das die letzten Auswärtsesser zurück zu ihren jeweiligen Heimatadressen stolpern. Die Nacht kommt, die ersten am Strand sind nun wieder die letzten, wie immer in dieser Woche so nah und so weit draußen zugleich.


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