Nicht in den Briefen findet sich diese eine einzige von SS-Chef Heinrich Himmler überlieferte Aussage, die nahelegt, dass der Hauptorganisator des Holocaust sich im Klaren darüber war, welche Aufgabe er mit dem Massenmord an den Juden übernommen hatte. Nein, in "Himmler privat", dem von Katrin Himmler und Michael Wendt zusammengestellten Band mit Briefen Himmlers und Auszügen aus dem Tagebuch seiner Frau Marga ist der Satz nicht zu finden. Der Satz, der von dem "niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte" spricht und aus jener geheimen Rede zitiert, die Himmler 1943 vor SS-Angehörigen hielt, um ihnen das "moralische Recht" zu verdeutlichen, das Deutsche angeblich hätten, das jüdische Volk auszurotten.
In seinen privaten Briefen aber schwieg Hitlers willigster Helfer über dieses Recht wie über seine ganze Arbeit. Weil er selbst Zweifel hatte? Oder weil er keine kannte? Weil er fürchtete, der mörderische Charakter des Naziregimes werde dadurch allzu deutlich? Oder weil er glaubte, seine "geliebte, kleine Frau" (Himmler) könne die ganze fürchterliche Wahrheit vielleicht nicht vertragen? Die Person, die in diesem Band aus ihren hinterlassenen Selbstzeugnissen hervorsteigt, spielt die Rolle des gutherzigen, um das Wohl anderer bedachten germanischen Ritters, so weit sie es vermag. Gerade am Anfang der Beziehung zur drei Jahre älteren Marga Siegroth, die Himmler im Alter von 27 Jahren kennenlernt, scheint das größte Bemühen des künftigen "Reichsführers SS", die Angehimmelte zu erobern.
Täglich schreibt er ihr, täglich antwortet sie, so verraten es die Briefe, die bis hierher ihre eigene Odyssee hinter sich gebracht haben. Nach dem Krieg wurden sie von US-Soldaten als Trophäe mit nach Hause genommen, ein Teil landete als Mikroverfilmung in Israel. Hier entdeckte sie die Regisseurin Vanessa Lapa, kaufte sie und verarbeitete das Material zu einer Dokumentation. Zusammen mit dem Historiker Michael Wildt besorgte Himmlers Großnichte Katrin Himmler die Übersetzung der Dokumente in Buchform, durch die Auswahl der Briefe und einordnende Begleittexte.
Das seltsame daran ist, dass Heinrich Himmler so nicht zu greifen ist. Anfangs zumindest schimmert hinter der Fassade des weltläufigen Parteiredners, als der er sich inszeniert, noch ein wirklicher Mensch hervor. Das Paar umgarnt einander, sie heißt ihn "Landsknecht" und "Dickkopp", er rühmt sie als "hohe Frau" und "liebes Frauchen". Politisch kommt von seiner Seite nichts, von ihrer ein wie selbstverständlich gereichter Judenhass, der auch vor Himmlers Parteigenossen nicht halt macht: "Gott, sieht der Dr. Goebbels jüdisch aus", schreibt sie, "schon die herübergekämmten Haare..."
Himmler liest und schweigt. Er möchte so gern intellektuell wirken und schickt seiner Liebsten Lesetipps. Er ist ein steifer Romantiker mit Hang zur Algebra, er nummeriert seine Briefe durch. Später gehen ihm unübersehbar die verliebten Floskeln aus. "Ich küsse Dich und habe dich unendlich lieb" wird Standard. Ebenso wie das Schweigen über das, was er tut. Himmler sieht sich selbst in einem Kampf, für den er das Private opfern muss. Doch es wirkt, als opfere er es gern, weil er umso mehr von seinem Opfer reden kann. Nur elf Jahre, nachdem er Marga kennengelernt hat, legt die nunmehrige Nummer drei des Hitlerstaates sich eine Nebenfrau zu: Die zwölf Jahre jüngere Hedwig Potthast soll ihm weitere Kinder schenken, weil Marga das nicht mehr vermag.
Thema in den Briefen, die immer noch hin- und hergehen zwischen den Eheleuten, ist das nicht. Hier schreibt Pappa an Püppi, wie er Tochter Gudrun nennt, oder an "Mami", wie Marga sich nun nennen lassen muss. Sie spricht nun nicht mehr vom "Geliebten", sondern nur noch vom "lieben Guten".
Es ist die Banalität des Privaten, die diese Briefe so beklemmend macht. Dass der Massenmörder Magenschmerzen hatte, dass er den treusorgenden Ehemann nur spielte und seine Tochter wohl wirklich liebte, ganz im Gegensatz zu seinem Ziehsohn, führt keinen Millimeter näher an die Motive von Hitlers Vollstrecker Heinrich Himmler. Der präsentiert sich in seinen Privatbriefen spätestens ab 1943, als bastele er schon am Bild für die Nachwelt. Den letzten Brief nach Hause setzt Himmler am 17. April 1944 auf.
Es ist der erste, den er mit "Heil Hitler!" unterschreibt.
In seinen privaten Briefen aber schwieg Hitlers willigster Helfer über dieses Recht wie über seine ganze Arbeit. Weil er selbst Zweifel hatte? Oder weil er keine kannte? Weil er fürchtete, der mörderische Charakter des Naziregimes werde dadurch allzu deutlich? Oder weil er glaubte, seine "geliebte, kleine Frau" (Himmler) könne die ganze fürchterliche Wahrheit vielleicht nicht vertragen? Die Person, die in diesem Band aus ihren hinterlassenen Selbstzeugnissen hervorsteigt, spielt die Rolle des gutherzigen, um das Wohl anderer bedachten germanischen Ritters, so weit sie es vermag. Gerade am Anfang der Beziehung zur drei Jahre älteren Marga Siegroth, die Himmler im Alter von 27 Jahren kennenlernt, scheint das größte Bemühen des künftigen "Reichsführers SS", die Angehimmelte zu erobern.
Täglich schreibt er ihr, täglich antwortet sie, so verraten es die Briefe, die bis hierher ihre eigene Odyssee hinter sich gebracht haben. Nach dem Krieg wurden sie von US-Soldaten als Trophäe mit nach Hause genommen, ein Teil landete als Mikroverfilmung in Israel. Hier entdeckte sie die Regisseurin Vanessa Lapa, kaufte sie und verarbeitete das Material zu einer Dokumentation. Zusammen mit dem Historiker Michael Wildt besorgte Himmlers Großnichte Katrin Himmler die Übersetzung der Dokumente in Buchform, durch die Auswahl der Briefe und einordnende Begleittexte.
Das seltsame daran ist, dass Heinrich Himmler so nicht zu greifen ist. Anfangs zumindest schimmert hinter der Fassade des weltläufigen Parteiredners, als der er sich inszeniert, noch ein wirklicher Mensch hervor. Das Paar umgarnt einander, sie heißt ihn "Landsknecht" und "Dickkopp", er rühmt sie als "hohe Frau" und "liebes Frauchen". Politisch kommt von seiner Seite nichts, von ihrer ein wie selbstverständlich gereichter Judenhass, der auch vor Himmlers Parteigenossen nicht halt macht: "Gott, sieht der Dr. Goebbels jüdisch aus", schreibt sie, "schon die herübergekämmten Haare..."
Himmler liest und schweigt. Er möchte so gern intellektuell wirken und schickt seiner Liebsten Lesetipps. Er ist ein steifer Romantiker mit Hang zur Algebra, er nummeriert seine Briefe durch. Später gehen ihm unübersehbar die verliebten Floskeln aus. "Ich küsse Dich und habe dich unendlich lieb" wird Standard. Ebenso wie das Schweigen über das, was er tut. Himmler sieht sich selbst in einem Kampf, für den er das Private opfern muss. Doch es wirkt, als opfere er es gern, weil er umso mehr von seinem Opfer reden kann. Nur elf Jahre, nachdem er Marga kennengelernt hat, legt die nunmehrige Nummer drei des Hitlerstaates sich eine Nebenfrau zu: Die zwölf Jahre jüngere Hedwig Potthast soll ihm weitere Kinder schenken, weil Marga das nicht mehr vermag.
Thema in den Briefen, die immer noch hin- und hergehen zwischen den Eheleuten, ist das nicht. Hier schreibt Pappa an Püppi, wie er Tochter Gudrun nennt, oder an "Mami", wie Marga sich nun nennen lassen muss. Sie spricht nun nicht mehr vom "Geliebten", sondern nur noch vom "lieben Guten".
Es ist die Banalität des Privaten, die diese Briefe so beklemmend macht. Dass der Massenmörder Magenschmerzen hatte, dass er den treusorgenden Ehemann nur spielte und seine Tochter wohl wirklich liebte, ganz im Gegensatz zu seinem Ziehsohn, führt keinen Millimeter näher an die Motive von Hitlers Vollstrecker Heinrich Himmler. Der präsentiert sich in seinen Privatbriefen spätestens ab 1943, als bastele er schon am Bild für die Nachwelt. Den letzten Brief nach Hause setzt Himmler am 17. April 1944 auf.
Es ist der erste, den er mit "Heil Hitler!" unterschreibt.
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