Wie viele Nackenschläge kann eine Band vertragen? Wie viele dumme Zufälle können sich zwischen den großen Erfolg und die Knochentour durch kleine Säle stellen? Tim Brownlow, Bassist Duff Battye und Drummer Bill Cartledge wären geeignete Kandidaten für eine brauchbare Antwort. Die drei Engländer, die vor elf Jahren die Band Belasco gründeten, hatten auf dem langen Weg seitdem alles, was das Rock-Leben bietet: grandiose Alben und schlechte Verträge, Auftritte in angesagten Hollywood-Filmen und Gastspiele auf verregneten Kleinstadt-Festivals.
Offenbar eine Mischung, die zu gesteigerter musikalischer Überzeugungskraft führt. Denn "Transmuting", Album Nummer vier seit dem famosen Debüt "Simplicity", zeigt das Trio auf einem neuen Höhepunkt: Elf Songs spannen den Bogen vom muskulösen Alternativ-Rock bis zu fein ziselierten Balladen wie sie Coldplay oder Snow Patrol nicht schöner hinbekämen.
War das Vorgängeralbum "61" noch geprägt von geraden, flotten Stücken wie "On The Wire" und ehrgeizigen Hymnen wie "The Earth", ergänzen sich die Teile im neuen Werk zu einem perfekten Bild. Gitarre, Bass und Schlagzeug spielen mit unglaublicher Dynamik zusammen, Tim Brownlow singt sich die Seele aus dem Leib und die stürmischen Melodien von Stücken wie "Moves Like Water" oder "Home" setzen sich schon mit dem ersten Hören unwiderstehlich im Ohr fest.
Es ist beileibe kein fröhliches Album, das die drei Mittdreißiger da mit Richie Kayan (Oasis, Supergrass) in den Chapel-Studios in Lincolnshire eingespielt haben. Es geht um Enttäuschungen, um verlorene Liebesmüh' und um das Gefühl, verloren zu sein in einer Welt, die sich immer schneller dreht. Das sechs Minuten lange "Empire" beginnt wie vor zehn Jahren das erfolgreichste Belasco-Stück "15 Seconds" mit einem pumpenden Gitarrenriff und steigert sich ganz allmählich in einen Wirbel aus Akkorden, Rhythmen und Bassläufen, wie sie im aktuellen Rock-Geschäft nur Duff Battye spielen kann.
Geht es in diesem Mammutstück fast schon in Richtung Led Zeppelin, schleicht sich das folgende "Who do you love" auf Samtpfötchen an wie ein Lied von Mumford & Sons. Nur dass Tim Brownlow besser singt als sein angesagter Landsmann Marcus Mumford.
Noch besser ist das zu hören, wenn sie die Lautstärke dimmen und aus dem Tempo-Rock von "Open up" und "Home" ins Akustische schwenken. "Rosa" zeigt einen Tim Brownlow, der zu einer scheppernden E-Gitarre ironisch den Billy Bragg macht: Rosa ist die Chefin, aber das ist völlig okay.
Brownlow, Battye und Cartledge, die vor einigen Jahren Geld spendeten, um die Abraumhalde von Klobikau im Saalekreis begrünen zu helfen, sind nicht mehr unterwegs, um Coldplay vom Thron zu stoßen oder Muse zu beerben. "Time is running out", stellt Brownlow in "What it is" fest, klingt aber gar nicht traurig dabei. Alle drei bei Belasco haben Frauen, Kinder und machen Musik, nicht weil die Plattenfirma auf das nächste Album drängt - sondern aus Freude daran, sie machen zu können.