Sonntag, 9. August 2020

Ufo-Hauptstadt Roswell: Die Wahrheit ist irgendwo hier drin

Sie tarnen sich als bunte Lichter in der Nacht, huschen als Geschosse über den Himmel, verstecken sich in undurchdringlichen Nebelschwaden oder erscheinen nur kurz als blinkende Punkte auf Radarschirmen. In Wirklichkeit sind sie aber, wie Millionen von UFO-Gläubigen weltweit überzeugt sind, Abgesandte außerirdischer Zivilisationen, die die Erde erforschen. Unsichtbar, hinterlistig, überlegen. Bisher sind sie sind immer unentdeckt davongekommen. Fast immer. 

Außer einmal, in Roswell, einer Stadt in New Mexico, in deren Nähe vor 73 Jahren ein UFO abgestürzt ist. Ein tragischer Unfall, bis heute unvergessen. Stellen Sie sich das vor: Die außerirdischen Wesen waren Lichtjahre durch den Weltraum gereist, eine Zeit voller Entbehrungen. Und danach, kurz nach der Ankunft am Ziel, stürzten sie unglücklicherweise in einem Feld ab, wo Anwohner Mack Brazel und der Nachbarsjunge Dee Proctor zufällig mehrere Leichen fanden.

Seitdem ist Roswell ein Pilgerort für Sensationsgierige und UFO-Gläubige aus der ganzen Welt. Die Hauptattraktion des kleinen Städtchens, das in Deutschland ein Kaff genannt werden würde, ist das UFO-Museum auf der Main Street, ein flaches Funktionsgebäude, das dem Phänomen mit drei Buchstaben gewidmet ist: U.F.O. - unbekanntes Flugobjekt. 

Eine echte Touristensensation, ausgestattet mit außerirdischen Gummipuppen, nachgebildeten außerirdischen Flugobjekten und zahlreichen echten Dokumenten, in denen Augenzeugen von UFO-Sichtungen schwören, sie hätten UFOs gesehen oder seien sogar von ihnen entführt worden. Roswell, eine kleine, staubige Stadt, ist der Heilige Gral aller UFO-Forscher und das Zentrum der modernen Religion namens UFO-logie. Viele Jahre lang hatte sich die Stadtverwaltung erst geweigert, den inoffiziellen Titel "UFO-Welthauptstadt" offiziell zu verwenden. 

Bis schließlich ein Bürgermeister ins Amt kam, der sich der Chance bewusst war, die die unspektakuläre 49.000-Einwohner-Stadt, deren berühmteste Tochter die Schauspielerin Demi Moore ist, da aus lauter Trotz und Wahrheitsliebe verschenkte. Seit einem Vierteljahrhundert ist die Wüstenstadt nun schon vollständig auf Außerirdische ausgerichtet. Neben dem großen UFO-Museum gibt es mindestens vier kleine, alle Restaurants in der Stadt sind thematisch auf Außerirdische ausgerichtet, und alle Geschäfte bieten T-Shirts, Baseballmützen, Postkarten, Bücher, Gürtel, Kekse, Lutscher, Mousepads, Küchenschürzen und Fußmatten mit bizarren Bildern von Fantasie-Außerirdischen an. Ein Millionen-Dollar-Geschäft für alle. Roswell ist 200 Meilen von El Paso, 200 Meilen von Albuquerque und ebenfalls 200 Meilen von Amarillo entfernt. Wer immer von da nach dort oder von dort nach da unterwegs ist, findet ghier im Nirgendwo einen guten Grund, anzuhalten. 

Zwar war das Interesse dann doch nicht groß genug, um den gigantischen UFO-Vergnügungspark zu bauen, der vor Jahren geplant war. Aber in Zeiten, in denen immer mehr Menschen glauben, dass Außerirdische die Erde besucht haben, und die Regierungen weltweit mehr über Außerirdische wissen, als sie zugeben, boomt das Geschäft. Es könnte ja alles wahr sein, oder? Wahrscheinlich sind sie irgendwo da draußen. Was, wenn es wirklich passiert wäre? Deshalb bietet das UFO-Museum auf der Main Street eine Menge Spektakel, um die Kunden zu begeistern, die nur zur Unterhaltung angehalten werden. Sie bekommen, was sie suchen. 

Von Nazi-Flugscheiben bis zur simulierten Alien-Autopsie ist alles zu sehen, was nie bewiesen werden konnte. Denn es ist sicher, dass im Juli 1947 im Gebiet von Roswell etwas vom Himmel fiel, weil das Militär ein erstaunliches Interesse an der Entdeckung von Mark Brazel zeigte. Aber nach der ersten offiziellen Ankündigung, in der sie von einer "fliegenden Untertasse" sprachen, wurde entschieden, dass es sich nur um einen "Wetterballon" handelte. Niemand hat das jemals geglaubt. Zumindest hier in Roswell nicht, wo die Wahrheit gleich da draußen ist.