Wolf Biermanns berühmte Oma Meume aus dem Lied "Großes Gebet der alten Kommunistin Oma Meume in Hamburg" ist keine Kunstfigur, sondern Biermanns wirkliche Großmutter. Neben dem "Gebet" gibt es ein weiteres Lied namens "Eine Moritat auf Biermann seine Oma Meume in Hamburg", in dem der Liedermacher und Sänger der Frau nachsingt, die als junges Mädchen aus Halle wegmachte nach Hamburg, wie er sagt. "Genauer gesagt, sie ist ihrem Mann hinterhergerannt und hinterhergereist, der abgehauen ist nach Kiel, weil er dort Arbeit finden konnte als Steineträger auf dem Bau." Oma Meume wurde wenig später Hamburgerin - und zweisprachig, wie Biermann sagt.
Neben Sächsisch, wie er den halleschen Dialekt nennt, habe Oma Mäume auch Platt gesprochen. Zuweilen beides sogar gleichzeitig. "Wenn sie vornehm sprechen wollte, sprach sie knüppeldickes, dreckiges Sachsenanhaltinersächsisch, wenn sie aber dreckig sprechen wollte, dann sprach sie Hamburger Platt."
Zwei Sprachen, die auch Enkel Wolf Biermann beherrscht, wie er mit dem Vortrag eines Gedichtes des niederdeutschen Dichters Klaus Groth (auch: Claus Johannes Groth) zeigt. Das hanseatische Platt unterlegt mit dem Anhaltiner Sächsisch der Halloren, das Oma Meume bis an ihr Lebensende sprach. Und wirklich: Bei Wolf Biermann wird daraus die Lingua franca einer längst vergangenen Zeit, als Englisch, Dänisch und Deutsch noch gemeinsam in der Babywiege lagen.
Beim Fußball hat er immer im Sturm gestanden. Natürlich im Sturm, ganz vorn, wo die Tore gemacht werden. Steffen Drenkelfuß war kein fleißiger Läufer, keiner, der das Spiel lenken wollte. Hier nicht. Hier, auf dem Platz, war er der, der seinen wuchtigen Körper mit ein paar schnellen Schritten in Position brachte und abschloss. Er war zielsicher, er war zur Verwunderung seiner Gegenspieler sogar schnell. Er war genau der, der er sein wollte. Ein Macher, ein Vollender. Ein Mann, der seinen Platz hatte und ihn ausfüllte.
Im Leben hat Steffen Drenkelfuß nach diesem Platz gesucht. Er liebte die lauten Runden, in denen über Gott und die Welt geredet wurde, die Abende am Lagerfeuer, an denen immer noch ein letztes Bier getrunken wurde, ehe es ins Zelt ging. Begann er zu erzählen, von den wilden Zeiten im Café Fusch, von seinen Reisen nach Afghanistan und Russland, von den Geschichten aus der Geschichte, die er liebte wie vielleicht kaum etwas sonst, dann wurden die Runden leise und alle hörten zu. Steffen Drenkelfuß war dann ein Menschenmagnet, ein wortgewandter Welterklärer, der allen einfachen Wahrheiten misstraute, weil er aus der Geschichte, die für ihn immer auch die Lebensgeschichte seiner geliebten Großmutter war, wusste, dass die Dinge nie einfach sind.
Steffen Drenkelfuß hielt es weniger mit den Gewinnern, die die Geschichte schreiben. Sein Herz schlug für die Verlierer, für die, die es versucht hatten und gescheitert waren.
Für sich selbst sah er das nicht vor. Meister seines Lebens zu sein, ein Mann, der seinen Weg geht, das war das Bild, das er von sich selbst hatte. Steffen Drenkelfuß war der Mann auf dem Kapitänsplatz hinten im Paddelboot, wenn es nach Schweden oder Polen ging. Tagsüber fuhr er ganz vorn im ersten Boot und abends war er der, der die Härten des Outdoorlebens bei jedem Wetter in vollen Zügen genoss – am liebsten nur in eine Plane gewickelt, der er seit der Armeezeit die Treue hielt. Er war ein Romantiker, er schlief auf einer Matte, die dreimal geflickt war, denn er hing an Dingen, die gelebt hatten.
Lange suchte er auch nach dem Ort, an dem er seine Fähigkeiten zeigen und verwenden konnte. Zum Glück für alle, die er auf seine Reise von der Universität zur Zeitungsredaktion, zum MDR und in die Stelle als Sprecher eines italienischen Hightech-Unternehmens mitnahm. Legende ist seines raue Imitation eines früheren MDR-Chefs, den er mit blitzenden Augen nachahmte. Auch seine absurden Anekdoten aus dem halleschen Rathaus hätten es verdient gehabt, ein Buch zu füllen. Und nie ließ er einen Zweifel daran, wie sehr er Falschheit und Größenwahn verachtete, wie sehr es ihn traf, wenn Aufschneider und Heuchler das Sagen hatten.
Steffen Drenkelfuß hätte es nie zugegeben, weil er sich für einen Realisten hielt. Doch er träumte von einer Welt, in der Leistungen zählen und nicht Bürokratie, Falschheit und das, was er Geschwätz nannte. Er selbst hat auf sich nie Rücksicht genommen, um seinem eigenen Anspruch an Leistung gerecht zu werden. Er arbeitete, akribisch, ausdauernd. Und wenn Freunde ihn brauchten, als Computerexperten, als Zuhörer, als Freund, war er da. So sehr, dass er oft den Vorwurf hörte, dass er nicht vergessen solle, dass da noch ein anderes Leben im Leben sein müsse.
Aber auch das hatte er, etwa wenn er am Pool bei seinen Eltern auf der Sonnenliege saß und bei einem Bier Gespräche mit seinem Vater führte. Wenn er in Oebisfelde auf Fotopirsch zur Grenzerbank ging, aus der er mit seinen Bildern ein Kultmotiv machte. Oder wenn er abends zu Hause saß und über Max Höltz, Ernst Ottwalt oder Nestor Machno las. Bücher, die ihn beeindruckten, konnte er kapitelweise auswendig nachsprechen. Mit Gesten und ganzem Körpereinsatz holte er die Vergangenheit dann ins Heute. Er war begeistert und begeisterte andere. Er war lebendig. Er war glücklich.
Auch in der Musik. Er war dann melancholisch, romantisch, still. Gerhard Gundermann, Christian Haase,Natalie Merchant waren seine Säulenheiligen, immer wieder fand er aber auch zurück zum Punk seiner Jugendjahre. Den zornigen jungen Mann, der er damals gewesen war, trug Steffen auch jenseits der 40 noch irgendwo in sich. Milde können andere sein, sagte er. Steffen urteilte präzise und schnell, sein moralischer Kompass schlug sicher aus, und wenn er eine Position gefunden hatte, dann verteidigte er sie vehement. Bis das letzte Bier ausgetrunken und das Feuer zu kalter Asche heruntergebrannt war.