Mittwoch, 22. Juli 2015
Freitag, 17. Juli 2015
Of Monsters and Men: Songs unter der Haut
Es hat nur vier Jahre gedauert, drei Filme und zwei Alben, aus dem isländischen Indie-Kollektiv Of Monsters and Men eine Band zu machen, die weltweit große Hallen füllt. Warum das so ist, macht das neue Werk „Beneath the Skin“ mit Nachdruck deutlich: Die 13 Songs gehen etwas energischer zu Werke als die zwölf des Debüts „My Head Is An Animal“.
Doch die Songschmiedekunst des sechsköpfigen Rock-Orchesters aus Keflavík und Garðabær zeigt sich hier noch einmal um Dimensionen dichter und verzwickter. Nanna Bryndís Hilmarsdóttir und Ragnar Þórhallsson an Akustikgitarren und Mikrophonen, Brynjar Leifsson an der E-Gitarre, Schlagzeuger Arnar Rósenkranz Hilmarsson, Árni Guðjónsson an den Tasten und Bassist Kristján Páll Kristjánsson verschmelzen den sphärischen Rock von Arcade Fire in manchmal ausufernden Klanggemälden mit dem leicht schwermütigen Folk der Walkabouts und der elektrifizierten Melancholie von Florence and the Machine.
Die großen Melodiebögen beherrschen die sechs Isländer nach wie vor im Schlaf, wo aber beim Debütalbum noch eher fröhliches Hippietum wie im Welthit „Little Talks“ vorherrschte, grundieren Gitarren, Bläser, Geigen und Studiotechnik jetzt verzweifelte Zeilen wie „ich versinke“ in „Hunger“ oder düstere Verse wie „ich male deinen Körper schwarz, verschwinde in deinem Haar, und wenn du zurückschaust, ist es, als wäre ich nicht da“. Trotzdem klingt das nie betrübt oder traurig, denn immer herzt irgendwo ein rettender Dur-Akkord die Mengen an Moll, auf denen Nanna Hilmarsdóttir und Ragnar þórhallsson ihre Emotionen ausbreiten.
„Unter die Haut“, der Titel deutet es an, soll das innerliche Album des Sextetts sein, eine Ergänzung und Erweiterung des Debüts, das es mit seiner ungewöhnlichen Mischung aus Indie-Rock und sämigen Pop-Melodien zuerst in den Ben-Stiller-Film „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ und den Soundtrack von „Die Tribute von Panem“ schaffte. Und von dort aus mitten hinein in den Massengeschmack eines Publikums explodierte, das früher vielleicht REM, die 10,000 Maniacs oder Suzanne Vega gehört hätte.
Wie sie Pop und Indie-Folk, die beiden Hälften ihres Schaffens, bruchlos verschweißen, lässt sich im Lyrics-Video zu „Chrystals“ schön betrachten: Statt der björkartigen Hippie-Elfe Nanna Hilmarsdóttir, deren Stimme einen Großteil der Faszination dieser Band ausmacht, scheint hier der vollbärtige isländische Schauspielstar Siggi Sigurjóns zu singen. Bei „Human“ , einer an die Cranberries gemahnenden Power-Pop-Hymne, synchronisiert der Schauspieler Björn Stefánsson den Gesang - mit vollstem Körpereinsatz.
Und das passt immer noch. Of Monsters and Men-Musik, diesmal in Los Angeles mit Rich Costey (Death Cab for Cutie, Interpol) eingespielt, schüttet Gräben zu , beruhigt die Sinne und lässt Füße unwillkürlich mitwippen. Das hat in jeder Sekunde Hitpotential, weil es sich an niemand anderem orientiert als am eigenen Geschmack.
Donnerstag, 16. Juli 2015
"Drones" von Muse: Ein musikalisches Märchen
Mit ihrer siebten CD legen Matthew Bellamy und seine Band Muse ein ambitioniertes Werk mit großem Anspruch vor -hier ihr Liveauftritt auf dem Main Square Festival 2015
Der Auftakt erinnert an die Band Styx und deren Song „Mr. Roboto“. Anfang der 80er Jahre war das Lied um die fiktive Figur Robert Orin Charles Kilroy, die im Gefängnis schmachtet, ein Welthit, obwohl niemand verstand, worum es ging. Hier bei Matthew Bellamys Band Muse ist es so ähnlich: Das neue Album „Drones“ erzählt eine große Geschichte. Aber es gibt keinen Grund, traurig zu sein, wenn man sie nicht versteht. Die Musik, die die drei Briten im 20. Jahr nach Bandgründung machen, ist auch so gut wie immer.
Nur eben noch etwas größer gedacht. Ein halbes Jahr nach der Trennung von Hollywood-Star Kate Hudson, deren Liebe den Musikersohn aus Cambridge über Jahre zum vielfotografierten Traummann der bunten Blätter gemacht hatte, spintisiert sich Matthew Bellamy in zwölf neuen Songs in eine Parallelrealität aus Weltuntergangsvisionen, Kriegsgeschrei und aufrüttelnden Appellen für eine bessere Welt. Es geht um die Entmenschlichung des Krieges, um das Töten aus der Ferne und vor allem darum, wie solche saubere Techniken des Mordens den Menschen und mit ihm die Menschheit verändern. Technologie zerstört Mitgefühl, Menschen ohne Mitgefühl aber sind keine Menschen mehr.
Bellamy, noch nie um große Gesten oder Ansprüche verlegen, tritt in riesige Fußstapfen. So erfolgreich seine Band ist, war sie es doch immer auf dem Niveau der Musik, einem modernen Gemisch aus Heavy Metal, Synthie-Rock und Hairspray-Balladen. Nun will der Sänger und Hauptkomponist von Muse Giganten wie The Who oder Pink Floyd beerben und deren Rockopern fortschreiben - selbst Fans waren skeptisch.
Das fertige Werk aber zeigt, dass Bellamy, Drummer Dominic Howard und Bassist Christopher Wolstenholme nicht zu viel versprochen haben. Zwar klingt „Drones“ insgesamt weniger wie „Tommy“ oder „The Wall“ als wie Queensrÿches Klassiker „Operation: Mindcrime“. Aber dank einer klugen Dramaturgie und der abwechslungsreich wie selten angelegten Songs wirkt das gesamte Album keineswegs wie ein um 25 Jahre verspäteter Progressive-Metal-Witz. Sondern wie der ernsthafte Versuch, fast vier Jahrzehnte nach „The Wall“ erneut eine geschlossene Geschichte mit Hilfe von Rockmusik zu erzählen.
Muse haben dazu im Studio im kanadischen Vancouver aufgefahren, was denkbar ist. Das Schwergewicht aber liegt im Unterschied zu den letzten beiden Platten diesmal nicht auf sinfonischem Schaum und operettenhafter Übertreibung, sondern in der Rückkehr zum Rock. Statt Geigen gibt es wieder mehr Gitarren, statt Falsettgesang von Bellamy Gebrüll vom „Drill Sergeant“, einer Art Erzähler der Geschichte. Produktionsroutinier Mutt Lange (AC/DC) schiebt komplexe Laut-Leise-Lieder wie „Psycho“ und „Reapers“ dann in bewährter Weise zu kompakten Hymnen voller Riffs und Marschrhythmus-Drums zusammen.
Das Ergebnis ist ein Album, dessen erste Hälfte kaum einen Moment Stille kennt, während die zweite wie in Erwartung der Erlösung von allem Übel langsam vom Gaspedal geht. „Revolt“ ist eine klassische Gitarrennummer nach U2-Bauart, „Aftermath“ die bis dahin bis auf das hübsche „Mercy“ zu Beginn vermisste Violinenballade. Fertig sind die drei Konzeptkünstler danach aber noch nicht, denn nun kommt mit „The Globalist“ der dickste Brocken: Zehn Minuten Leistungsschau mit großen Gefühlen. Zur Beruhigung dann zurück zur Mitte der 70er Jahre, Queen, etwa zur Zeit von „A Night at the Opera“: „Drones“, das Titelstück, ist ein Puzzle aus Stimmen, die klingen wie ein Mönchschor.
Mittwoch, 1. Juli 2015
Pop aus dem Ein-Euro-Shop
Künstler und Technologie-Konzerne streiten um die Bezahlung im Datennetz. Das Geschäft wächst zwar, aber die Einnahmen sind immer noch gering.
Es ging Taylor Swift nicht ums Geld, oder doch jedenfalls nicht nur. Eher aus Prinzip begehrte die 24-jährige Sängerin aus Pennsylvania gegen den neuen Musikdienst des Hightech-Riesen Apple auf: Drei Monate lang, so hatte es Apple beschlossen, sollte das Angebot den Kunden kostenlos zum Ausprobieren und Testen zur Verfügung stehen. Und drei Monate würden deshalb auch die Künstler kein Geld dafür bekommen, dass ihre Songs auf Apple Music zu hören sind.
Apple, Hersteller von iPhone und iPad, ist ein großer Spieler im Markt der virtuellen Musik. Im letzten Jahr ermöglichte es der Konzern der irischen Rockgruppe U2, ein neues Album gleichzeitig einer halben Milliarde Menschen auf ihre Geräte zu spielen. U2 verdienten, weil Apple dafür bezahlte, das Album kostenlos verteilen zu dürfen. Apple verdiente, weil die Werbung durch die aufsehenerregende Aktion unbezahlbar war.
Alle waren zufrieden, nur Fans und Rock-Kollegen nicht. Die einen fühlten sich durch die Freihaus-Lieferung um den Kauf betrogen, der im Popgeschäft immer auch ein Akt der Treue und Loyalität ist. Die anderen sahen Musik ein weiteres Mal entwertet: Wenn schon die Songs einer Supergruppe kostenlos zu haben seien, wie solle dann eine junge, unbekannte Band noch versuchen, ihre Lieder für zehn Euro an den Mann zu bringen?
Ein Problem, das Taylor Swift nicht hat. Die siebenfache Grammy-Preisträgerin ist mit ihrem Country-Pop Dauergast in den Hitparaden, sie verkauft auch in Zeiten ständig sinkender CD-Verkäufe Millionen Alben. Allein die Werbeeinnahmen, die ihre Milliarden Mal angeklickten Videos beim Portal Youtube einspielten, liegen im zweistelligen Millionenbereich.
Pro Klick gibt es dort etwa einen Betrag von 0,4 Cent - nicht viel mehr also, als Apples Angebot, gar nichts zu zahlen. Das war aber doch zu wenig: Swift verweigerte die Freigabe ihres Albums „1989“. Und zwang den auf ein sympathisches Image bedachten größten Konzern der Welt zum Einlenken. Apple zahlt nun - angeblich 0,2 US-Cent pro Aufruf eines Liedes.
Ein Betrag, der etwa dem entspricht, was sogenannte Streaming-Portale wie Spotify und Deezer an die Lieferanten ihrer Inhalte ausschütten. Das Geschäftsmodell aller Anbieter ist ähnlich: Gegen einen Pauschalbetrag oder die Duldung von Werbung gestatten sie es Nutzern, endlos viele Lieder aus einem zehntausende Künstler und Millionen Lieder umfassenden Katalog anzuhören.
Eine schöne Sache für Menschen, die es leid sind, Regale voller CDs zu packen oder Musik auf der eigenen Festplatte zu sammeln. Für Musiker allerdings unbefriedigend, wie der Independentkünstler Phillip Boa ausgerechnet hat. Wenn eins seiner Lieder 200 000 Mal gestreamt wird, kann der Mann aus Düsseldorf sich dafür ein Mittagessen leisten.
In der guten alten Zeit von Schallplatte und CD blieb beim Künstler nach so vielen verkauften CDs eine niedrige fünfstellige Summe hängen. Damals zahlte das Publikum aber auch noch zehn bis 15 Euro für eine Stunde Musik. Heute dagegen gibt es für diesen Betrag 24 Stunden Musik am Tag, einen ganzen Monat lang.
In sich ist das System durchaus ähnlich gerecht wie das frühere mit Plattenfirmen und Plattenläden. Den Löwenanteil der Einnahmen kassieren heute die Hightech-Konzerne oder Plattformanbieter wie Spotify und Deezer, ein geringerer Teil geht an Künstler und Rechteinhaber. Da aber alle Songs nur für den Moment des Hörens geliehen werden, ist ihr Preis niedriger als im Schallplattenzeitalter oder auch beim Einkauf in Download-Shops.
Thom Yorke von Radiohead hat das schon „unfaire Zahlungspraktiken“ genannt und seine Musik von Spotify entfernt. „Ich denke, als Musiker müssen wir dagegen kämpfen, dass diese Leute zu Torwächtern zum Publikum werden“, sagte der Sänger, der sein letztes Solo-Album aus Protest über ein Tauschportal verkauft. 4,4 Millionen Mal ging es weg, für Yorke ein 20-Millionen-Dollar-Triumph. Das Dilemma junger Künstler: Im Gegensatz zu angesagte Stars wie Radiohead oder Oldie-Bands wie Led Zeppelin oder AC/DC, die die Teilnahme am Streaming verweigern, müssen sie mitmachen, um bekannt zu werden. Nur leben können sie nicht davon, weil die Ein-Euro-Pop-Shops das meiste Geld dorthin schichten, wo die meisten Hörer sind.
Es gibt Versuche, Abhilfe zu schaffen. Mit Altrocker Neil Young, Hiphop-Tycoon Jay Z und dem früheren deutschen Hacker und späteren Internet-Unternehmer Kim Schmitz sind sehr unterschiedliche Leute bemüht, Alternativen zu den rein kommerziellen Diensten zu starten. Doch keiner ist bislang Erfolg beschieden. Young, Fan analogen Wohlklangs, hat seinen Plan, ein eigenes Streaming-Portal zu starten, beerdigt. Jay Zs Firma Tidal wird zwar unterstützt von Beyoncé, Madonna, Jack White und Rihanna, leidet aber unter mangelnder Nachfrage der Kunden. Und von Baboom, der Streaming-Plattform, die 90 Prozent aller Einnahmen an die Künstler ausschütten wollte, war zuletzt nur zu hören, dass Erfinder Schmitz seine Anteile verkauft habe.
Klaus Renft: Der Mann mit dem Gewehr aus Luft
Er war der Mann, der meist verboten war, ein Sonderling mit vielen sozialen Talenten, dessen Bass-Spiel nach eigenem Bekunden eigentlich nicht reichte, professionell Musik zu machen. Klaus Renft tat es dennoch und er wurde eine Legende. Heute wäre der Gründer der Gruppe Renft 73 Jahre alt geworden.
Ein letzter Hausbesuch bei Klaus Renft in Löhma
Renfts Tagebücher: Eine Nachtigall ohne Gewehr
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