Samstag, 27. Oktober 2018
Paddeltour durch Schweden: Blauer wird es nicht
Die Wolken hängen niedrig über dem Lelang-See, das Wasser ist spiegelglatt und ruhig und der Wind endlich eingeschlafen. Das Kanu läuft wie von selbst über den ersten einer ganzen Kette von kleinen und größeren Seen, die sich südlich von Lennartsfors zur schönsten Paddellandschaft Schwedens verbinden. Etwas Geschick erfordert es, den Rufknopf an der Schleuse zu finden, über die es vom Foxen, an dem das Scandtrack-Camp Höglund liegt, hinüber zum nächsten See geht. Doch die Fahrt durch das stellenweise kaum zwei Meter breite Schleusenwasser lässt die mühsame Suche vergessen. Drei Staustufen hat die Schleuse, ein erstes Abendteuer.
Durchs blaueste Blau unter blauem Himmel ziehen die Boote danach weiter über den See, das Wasser ist tief, die Ufer sind grün, die Möwen kreischen. Dann öffnet sich der Blick durch einen Engpass auf zwei kleine Inseln: Die Sonne strahlt über blauem Wasser, Enten umkreisen die Kanus, Fische springen und ein paar Paddelschläge entfernt wartet ein Biwakplatz.
Das Stückchen Wiese gehört ganz der Gruppe. Bauen Paddler ihre Zelte auf, fahren die meisten anderen Paddler vorüber. Es gibt genug Biwakplätze für alle. Wie weit weg die Welt ist, von hier aus gesehen, zeigt die Reaktion von einem vorüberpaddelnden Paar aus Schweden: Halle? Nein, nie gehört. Leipzig? Nein, kenne er nicht. Berlin? Tut ihm auch leid, unbekannt. Noch ein paar Tipps zur besten Angelstelle am Ufer und nein, der Brukshandel im Dorf hat leider zugemacht. Zum Glück ist in den Verpflegungstonnen von Scantrack Essen für eine Armee.
Es ist die große Entschleunigung, die sich beim Wasserwandern auf dem schwedischen Lelang wie von selbst einstellt. Selbst in der Hochsaison sind die Seen leer, kaum ein Mensch begegnet den Paddlern, dafür aber Wildvögel im Dutzend. Das riesige Gebiet in Mittelschweden präsentiert sich in üppigem Grün, wie ein letzter Urwald, wie aus der Zeit gefallen unter malerischen Sonneuntergängen, die jeden Abend neu und immer anders daherkommen.
Die Fahrt mit dem Bus hat 17 Stunden gedauert. Doch dafür entschädigen die Tage auf dem glasklaren Wasser und die Nächte an aufgeräumten Biwakplätzen, auf denen sich immer genug Holz für ein Lagerfeuer findet. Rund 90 Kilometer lang ist die Paddelroute, die wir zurücklegen, einmal von Lennartsfors über Gustavsfors bis nach Värwik und zurück. Wir sehen Kirchen und Lachsfarmen, schmale Känale und breite Seen, trotzen Gegenwind und Sonne und lassen uns treiben, als gäbe es nichts anderes mehr.
Reisebericht Paddeltour Masuren
Sonntag, 21. Oktober 2018
Breshnew, Che und Honecker: Die Rolex-Revolutionäre
Gerade steckt die Berliner SPD-Politikerin Sawsa Chebli in einem veritablen Shitstorm von rechts, weil sie eine Rolex Datejust für 7000 Euro trägt. Dabei hat das bei linken Politikern eine lange Tradition. Am Arm trugen Erich Honecker und Leonid Breshnew, Mao und Fidel Castro am liebsten aus gerechnet diese sehr kapitalistische Uhr.
Nikita Chruschtschow scherte ein wenig aus. Der Mann, der Stalin als Führer der Sowjetunion nachfolgte, entschied sich für den rechten Arm, um seine Uhr zu tragen, weil er glaubte, dass Armbanduhren die Zirkulation des Blutkreislaufs stören. Eine Abweichung von der sozialistischen Norm, die prominenten Führern der Linken den linken Arm für die Uhr vorzuschreiben schien. Und noch eine. Chrutschschow bevorzugte eine Uhr aus sowjetischer Produktion. Viele andere seiner kommunistischen Führungskollegen dagegen setzen auf Produkte einer ganz besonderen und sehr kapitalistischen Firma.
Die Liebe zum Luxus
Fidel Castro und Che Guevara, Erich Honecker und Leonid Breshnew, sie alle trugen ihre Uhr links, als hätten sie das so miteinander verabredet. Und noch erstaunlicher: Genau wie der rumänische Machthaber Nicolae Ceausescu, der chinesische Revolutionsführer Mao Zedung und sein libyscher Kollege Muhammar Gaddafi entschieden sie sich für Uhren der 1905 vom Kulmbacher Uhrmacher Hans Wilsdorf in Genf gegründeten Edel-Uhrenschmiede Rolex.
Genosse Rolex. Ein größerer Widerspruch zwischen behauptetem Anspruch und Wirklichkeit ist kaum denkbar. Rolex-Uhren gelten bis heute als Statussymbole ohne jedes Understatement: Modelle wie die von Che Guevara anfangs bevorzugten Modelle sind klobig und sie glänzen golden oder silbern, eine drehbare Lünette strahlt zweifarbig und statt auf Lederarmbänder setzt der größte Luxusuhrenhersteller der Welt auf dicke Kettengliederbänder. Rolex steht nicht für Eleganz und Feingeist, sondern für Protz und Prahlerei. Technisch sind die Uhren aus der Schweiz zuverlässig. Geschmacklich aber ein Fall für Rüpel-Rapper, neureiche Sportler und überbezahlte Schauspieler.
Unter 4 500 Euro ist heute keine Rolex-Uhr zu haben, doch auch in der Zeit des Kalten Krieges waren die Schweizer Edeluhren nicht billiger. Fidel Castro trug dennoch gleich zwei - eine Rolex Day-Date, eingestellt auf Kuba-Zeit. Und eine Submariner, eingestellt auf Moskauer Zeit. Die behielt Castro auch um, als er Chruschtschow 1963 in Moskau besuchte. Bilder zeigen den Kubaner an einem Tisch im Kreml sitzend, Chruschtschow gegenüber. Castro hat eine Zigarre im Mund und zwei Rolex am Handgelenk.
Die Liebesaffäre des Revolutionärs mit Rolex hatte wohl schon vor der Revolution begonnen. Als seine Kämpfer dann Havanna einnahmen, ließ der Maximo Lider alle Uhren im kubanischen Rolex-Hauptquartier requirieren. Später beschenkte er Mitkämpfer mit der Beute: Che bekam erst eine Omega Seamaster geschenkt - Wert etwa 10 000 Euro. Später kam eine Rolex GMT Master dazu, heute 25 000 Euro wert.
War es die Geschichte von Rolex, die untrennbar mit dem Pioniergeist des Firmengründers Hans Wilsdorf, dei Guevara faszinierte? 1905, im Alter von 24 Jahren, hatte der in London ein Unternehmen gegründet, das auf den Vertrieb von hochwertigen Uhren spezialisiert war. Wilsdorf aber träumte von einer Uhr, die am Handgelenk getragen werden kann. Die gab es damals, aber sie waren nie genau, dafür aber äußerst empfindlich. Wildorf entwarf dann ein Modell, dasdurch Eleganz und Genauigkeit bestechen sollte. Um die Zuverlässigkeit seiner Armbanduhren unter Beweis zu stellen, rüstete er sie mit kleinen, höchst präzisen Uhrwerken aus, die von einer Schweizer Uhrenmanufaktur in Biel hergestellt wurden. Ein Erfolg, der 1920 dazu führte, dass Rolex seinen Sitz in die Schweiz verlegte.
Rolex-Mania im Ostblock
Es ist nicht bekannt, ob es Castro war, der die Rolex-Manie in den Ostblock brachte und ob ihn dabei der Gedanke bewegte, dass die Uhren der Marke aus einem neutralen Land kamen. Vielleicht aber faszinierte den gebürtigen Argentinier auch der Gedanke, dieselbe Uhr zun tragen wie Albert Einstein, Audrey Hepburn und Charlton Heston, denn Che Guevara verstand sich nicht nur als Revolutionär, sondern als Fackelträger der Weltrevolution. Als er nach Jahren als Geburtshelfer des Aufbaus in Kuba als Anführer seiner eigenen Rebellion der Entrechteten nach Bolivien ging, tat er das ausdrücklich in der Erwartung, dass die Massen sich auf sein Signal hin erheben werden, um den Kapitalismus auf seinem Heimatkontinent hinwegzufegen.
Die Rolex-Sammlung war immer dabei, auch bei
Fidel Castro, dem Maximo Lider Kubas, der auch in sachen Rolex richtig dick auftrug. Castro trug nicht eine, sondern gleich zwei Modelle der Genfer Firma, beide am linken Arm. Der Legende nach soll eine
Day-Date die Zeit in Havanna, eine Submariner die in Moskau angezeigt
haben.
Klar aber ist: Unter den offiziell anspruchlos lebenden Führern der sozialistischen Welt galten teure Uhren stets als lässliche Sünde. Lenin brachte sich aus dem Exil einen Chronometer der Manufaktur Moser mit. Sein Nachfolger Stalin besaß eine Sammlung aus Taschenuhren von Tissot und Cartier. Und Chinas Führer Mao Zedung ließ in die Datumsanzeige seiner Date Just chinesische Zahlen schreiben, um immer up to date zu sein.
In der Führungsetage des sozialistischen Weltreiches war keine andere edle Uhrenmarke so verbreitet wie Rolex. Leonid Breschnew liebte nicht nur schnelle Autos und Ray-Ban-Sonnenbrillen aus den USA, er machte auch die gelbgoldene Rolex Datejust - ein Modell, wie es jetzt Sawsan Chebli trägt - zum Standard für Revolutionäre. Erich Honecker hatte bald eine Uhr vom selben Modell. Als er Breschnew 1979 zur Feier des 30. Jahrestages der DDR empfing, umarmten sich zwei Markenbotschafter: Sowohl Honecker als auch Breschnew trugen eine Rolex Datejust in Gold.
Saddam Hussein, der Machthaber im Irak, bevorzugte dagegen eine Rolex Day-Date im Wert von 100.000 britischen Pfund, die er nach einer Erzählung seines Protokollchefs eines Tages bei einer Geliebten liegenließ. Als sie ihm sein Mitarbeiter hinterhertrug, zeigte der enigmatische Herrscher, dass es ihm nicht auf persönlichen Besitz ankam. Er schenkte dem treuen Gefolgsmann das Fundstück.
Der einzige Rolex-Träger der DDR war Erich Honecker allerdings nicht. Manfred Buder, Kapitän des DDR-Eishockey-Nationalteams, hatte 1961 bei der Eishockey-WM 1961 in Genf eine Rolex Oyster mit der Registriernummer D64656 als Präsent erhalten, eingepackt in eine Schatulle, die dem Genfer Eishockeystation nachgebildet war. Vor zweieinhalb Jahren landete das kaum getragene Einzelstück bei einem Auktionshaus, das es für 4 000 Euro an den Mann brachte.
Wo Erich Honeckers Rolex geblieben ist, ist hingegen ebenso unklar wie der Verbleib von Castros und Breshnews Edeluhren-Sammlung. Che Guevara soll zumindest eine seiner Rolex getragen haben, als er am 9. Oktober 1967 um 13.10 Uhr im bolivianischen Dschungel hingerichtet wurde.
DDR-Staatschef Erich Honecker, der in der Politbürosiedlung Wandlitz in einem vom Staat zur Verfügung gestellten Haus wohnte, das ihm möbliert zur Verfügung gestellt und über fast 30 Jahre nie mit neuen Möbeln ausgestattet wurde, achtete stets darauf, nicht mit derteuren Uhr am Handgelenk fotografiert zu werden. Honecker war sich durchaus bewusst, dass es ein schlechtes Licht auf ihn und seine Herrschaft werfen würde, bekämen die Untertaten mit, dass er Wasser predigt und Wein trinkt.
Wasser und Wein
Auch seine Yacht mied er, obgleich sie einst der Stolz der DDR-Führung hatte sein sollen. Die "Ostseeland" arn eigens für die DDR-Staatsspitze auf der Peene-Werft in Wolgast umgebaut worden - aus einem Minenräumschiff wurde für 15 Millionen DDR-Mark ein Kreuzfahrtschiff. Erich Honecker aber nutzte die Yacht nur selten - nicht nur, weil es ihm peinlich war, sondern auch, weil er unter Seekrankheit litt.
Allenfalls, wenn es Staatsgästen zu imponieren galt, wie dem rumänischen Diktator Nicolae Ceaucescu oder dem kubanischen Staatsführer Fidel Castro, begab er sich an Bord. Unter zweifelhaften Bedingungen: Das Schiff war nicht nur mit gepanzerten Bullaugen und Luftfiltern gegen chemische Attacken ausgerüstet - jede der 16 Kabinen, außer der Honeckers, konnte abgehört werden.
Als sie Jahre nach dem Ende der DDR versteigert wurde, zwischendurch war die Yacht in den Besitz einer Reederei mit Sitz auf Malta gelangt, später dann lag sie in den Niederlanden gesichtet, anschließend auf einer schwedischen Werft und schließlich in Dänemark, befand sich das Schiff immer noch im Originalzustand. Die Einrichtung entsprach dem Standard, den die DDR-Führung für luxuriös hielt - kleinbürgerlicher Schick, kombiniert mit der technischen Ausstattung der 70er Jahre, als die DDR kurzzeitig glaubte, ein weltweit führender Industriestaat werden zu können.
Passende Zeitmesser
Die edlen Zeitmesser von Rolex passen zu diesem Anspruch, aber sie passten eben nie zu den nach außen bescheiden lebenden Staatsführer,n der kommunistischen Staaten. Allerdings bekamen sowohl Honekcer als auch Breschnew ihre Rolex-Uhren offenbar von Staatsgästen geschenkt, die um seine Vorliebe für westliche Statussymbole wussten. Honecker konnte später dank der Geschäftstüchtigkeit seines Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski zukaufen. Und ab 1987 gab es sogar in einem DDR-Rolex-Shop Uhren zu erstehen, die vom Hersteller sogar mit dem von Rolex für die DDR vergebenen Ländercode 301 graviert worden waren.
In einem eigenen Laden neben der Rezeption des Grand Hotels in der Berliner Friedrichstraße wurden in der Endzeit der DDR von einem Rolex-Verkaufsagenten im staatlichen Auftrag Rolex-Uhren an Gäste aus dem Westen verkauft. Alle bekamen in die offiziellen Begleitpapiere einen Stempel des Grand Hotels, wie der Uhren-Blogger Walter Castillo herausgefunden hat.
Neben der Rolex Datejust in Stahl-Gold-Ausführung mit Jubileeband war auch ein massives Goldmodell im Angebot, das wohl im Dezember 1989 einen letzten Käufer fand. Danach löste sich das Schalck-Imperium Kommerzielle Koordinierung auf und der Rolex-Laden verschwand mit der Republik, die sich von ihm Rettung aus ihren finanziellen Engpässen versprochen hatte.
In einem eigenen Laden neben der Rezeption des Grand Hotels in der Berliner Friedrichstraße wurden in der Endzeit der DDR von einem Rolex-Verkaufsagenten im staatlichen Auftrag Rolex-Uhren an Gäste aus dem Westen verkauft. Alle bekamen in die offiziellen Begleitpapiere einen Stempel des Grand Hotels, wie der Uhren-Blogger Walter Castillo herausgefunden hat.
Neben der Rolex Datejust in Stahl-Gold-Ausführung mit Jubileeband war auch ein massives Goldmodell im Angebot, das wohl im Dezember 1989 einen letzten Käufer fand. Danach löste sich das Schalck-Imperium Kommerzielle Koordinierung auf und der Rolex-Laden verschwand mit der Republik, die sich von ihm Rettung aus ihren finanziellen Engpässen versprochen hatte.
Nicht der einzige Liebhaber
Der einzige Rolex-Träger der DDR war Erich Honecker allerdings nicht. Manfred Buder, Kapitän des DDR-Eishockey-Nationalteams, hatte 1961 bei der Eishockey-WM 1961 in Genf eine Rolex Oyster mit der Registriernummer D64656 als Präsent erhalten, eingepackt in eine Schatulle, die dem Genfer Eishockeystation nachgebildet war. Vor zweieinhalb Jahren landete das kaum getragene Einzelstück bei einem Auktionshaus, das es für 4 000 Euro an den Mann brachte.
Wo Erich Honeckers Rolex geblieben ist, ist hingegen ebenso unklar wie der Verbleib von Castros und Breshnews Edeluhren-Sammlung. Che Guevara soll zumindest eine seiner Rolex getragen haben, als er am 9. Oktober 1967 um 13.10 Uhr im bolivianischen Dschungel hingerichtet wurde.
Von da an verliert sich die Spur dieser Revolutionsuhr, nicht aber die Spur von Rolex in der Geschichte der Diktatoren, Alleinherrscher und Revolutionäre: Heute trägt der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un eine Rolex, der chinesische staats- und Parteichef Xi schwört auf die Schweizer Uhr und auch IS-Chef Abu Bakr al-Baghdad zeigte sich auf Fotos schon mit Rolex.
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