Samstag, 30. März 2013

Das ist der Saaleschaum-Blues

Gerade bei Saaleschwimmer.de gefunden - ein ganz altes Bild, das ich Ende der 80er Jahre in der Nähe des Buna-Werkes gemacht habe. Das Foto hatte sich das Stadtmuseum auch schon mal für eine Ausstellung.

Komischerweise scheint es nicht viele Bilder dieser apokalyptischen Landschaften zu geben, obwohl die doch damals fast täglich zu besichtigen gewesen wären. Vermutlich fanden wir das alles normal. Und was normal ist, fotografiert man halt nicht.

Mittwoch, 27. März 2013

Todestag von Diestelmann



Immer noch beeindruckend, welche Präsenz dieser Mann selbst auf einer Bühne gehabt hat, die ein kleines Boot auf dem Ammersee war. Der hat eigentlich sein ganzes Leben gespielt - und nicht nur den Blues. Den aber konnte er besonders gut - heute vor sechs Jahren ist Stefan Diestelmann gestorben. Die genauen Umstände sind immer noch unbekannt, vermutlich werden sie nie offenbar werden. Ich schätze, das hätte ihm gefallen.



Dienstag, 26. März 2013

Als die Erde erwachsen wurde

Seine Kinder hütet Klaus Vogel ganz oben unter dem Dach. Im Studierzimmer sind sie aufmarschiert wie zur Parade: Auf dem Bücherregal eine bunte Prachttruppe, die sich über eine Mechanik synchron drehen lässt. Auf dem Schreibtisch ein paar Zwergausgaben, gegenüber auf dem Schrank einige große gläserne Exemplare. Erdbälle, wie sie in keinem Geographie-Kabinett einer deutschen Schule stehen.

Klaus Vogels Exemplare haben zwar dieselben schrägen Achsen, sie zeigen auch dieselben Kontinente. Doch in seinem durchsichtigen Bauch trägt jeder Globus aus der Werkstatt des Sachsen immer noch einen zweiten, kleineren Erdball. So baut Klaus Vogel seit mehr als 30 Jahren an einer Erklärung der Welt, die seiner Ansicht nach ganz anders ist als alle Schulweisheit behauptet. "Unsere Erde", ist der 81-Jährige sicher, "ist ein Planet, der aus allen Nähten geht." Seit Jahrmillionen wachse die Weltkugel beständig - einst war sie eine kleine Kuller, heute ist sie angeschwollen wie die Außenschale seiner Weltmodelle aus Klebstoff und Plastik, die von hier aus seit Jahrzehnten auf Reisen rund um die echte Erde gehen. Bei Tagungen in Kanada dienten Vogel-Globen ebenso zur Verdeutlichung der Theorie von der expandierenden Erde wie in Italien, den USA und Asien.

Eine Weltkarriere, geboren aus tiefer Enttäuschung. Anfang der 70er Jahre zwang die DDR-Führung kleine private Firmen wie den Steinmetzbetrieb des studierten Bauingenieurs unter staatliches Diktat. Vogel, bis dahin Chef in dem Betrieb, den sein Vater im Jahr 1900 gegründet hatte, war plötzlich nur noch Angestellter. "Das hat ihm schwer zu schaffen gemacht", erinnert sich seine Frau Eva-Maria. Der Vater zweier Kinder, der als Junge von seinem Geografielehrer Geschichten über mutige Forscher und ihre atemberaubenden Theorien gehört hatte, begann Bücher wie "Die wachsende Erde" zu lesen. "Mehr für mich selbst habe ich dann den ersten Doppelglobus gebastelt", erzählt der großgewachsene drahtige Mann mit funkelnden Augen. Vogel wollte sehen, "ob die Ränder der Kontinente wirklich zusammenpassen, wenn man die Luft aus der Erde lässt". Mit Rechenschieber und Gummiball schrumpft Vogel einen handelsüblichen Globus auf die Hälfte und belässt die Kontinente dabei in Originalgröße. "Das passte alles", erinnerte er sich, "und ich dachte, nein, das kann kein Zufall sein." Der Hobbyforscher hatte seine Aufgabe gefunden.

"Das hat ihm das Leben gerettet", glaubt Eva-Maria Vogel heute. Während der Betonwerksteinbetrieb jetzt Treppenmodule in Serie fertigen muss, steckt der Chef seine Kreativität in Experimente mit Luftballons, Fußbällen und Glaskugeln. Aus den unbeholfenen ersten Vogel-Globen werden immer aufwendigere, immer raffiniertere Kunstwerke. Am Wochenende, wenn Platz ist auf dem Werkshof neben dem Haus, in dem Familie Vogel bis heute lebt, wird gelegentlich eine Testerde aufgeblasen: "Ein Ballon, außen Beton, dann Luft hinein", erklärt Klaus Vogel wie er "herausbekommen wollte, wie so eine Kontinentalplatte bricht." Ähnliche Versuche stellt er mit ausgeblasenen Eiern an, die er über einen eingeführten Ballon zum Platzen bringt, um die entstehenden Schalenstücke mit Karten von Bruchflächen in der Erdkruste zu vergleichen.

Denn von Bruchbildern versteht Klaus Vogel etwas. "Spannung, Dehnung, Bruch", sagt er, "das ist Betontechnologie im planetaren Maßstab." Seine Ergebnisse teilt der Privatgelehrte schon in den 70er Jahren mit anderen Expansionsenthusiasten. Briefe und Pakete mit sorgsam verpackten Vogel-Globen gehen nach Tasmanien auf die Reise, wo mit Samuel Carey der Nestor der Expansionstheoretiker lehrt. Mit dem halleschen Professor Max Schwab konferiert Vogel ebenso regelmäßig wie mit Wissenschaftlern in Polen, Russland, Großbritannien und Italien. 1984 gibt ihm die Gesellschaft für Geologische Wissenschaften der DDR sogar Gelegenheit, seine Überlegungen zur wachsenden Erde auf der Jahrestagung und im Akademie-Verlag vorzustellen. Die DDR-Behörden lassen ihn gewähren. Vogel darf seine Kontakte zu Gleichgesinnten in den USA und Kanada, in Westdeutschland und Skandinavien halten. Doch jeder Antrag des Sachsen, eine der vielen Einladungen zu internationalen Symposien annehmen zu dürfen, wird abgelehnt.

Nur die Globen lässt man reisen -und Wissenschaftskollegen wie der Australier Samuel Carey kommen selbst nach Werdau, um ihren Vater und Erfinder persönlich kennen zu lernen. "Carey stand eines Abends mitten im dicksten Winter mit wehendem Mantel auf dem Bahnsteig", erzählt Klaus Vogel, "weil bis dahin alle Züge ausgefallen waren, hatten wir schon nicht mehr geglaubt, dass er es her schafft." Es ist der Beginn einer Männerfreundschaft über ideologische, geographische und sprachliche Grenzen hinweg. Der Weltkriegsveteran aus Tasmanien und der Bauingenieur aus Sachsen sprechen dieselbe Sprache, wenn es um Kontinentaldrift und Subduktion, um den Urkontinent Panganea und die asymetrische Dehnung Australiens geht.

 Dass die herrschende wissenschaftliche Meinung ihrer Theorie von einer Erde, die seit 600 Millionen Jahren anschwillt wie der Rührkuchen in der Röhre, keine Chance gibt, ficht Klaus Vogel nicht an. Auch nach dem Mauerfall, als er seine Firma endlich zurückübertragen bekommt, baut er weiter unverdrossen seine Globen, heute längst High-Tech-Wunderwerke aus echten Globus-Halbschalen und russischen Kosmoskarten, die ihm Forscherkollegen aus Moskau schicken. Mit ihnen zieht der Globusmann, wie sie ihn in Werdau nennen, von Tagung zu Tagung, von Kontinent zu Kontinent und zwischendrin durch die Schulen der Region. Vogel verkündet seine Wahrheiten nicht als die letzten, er wirbt nur einfach dafür, zu zweifeln und zu forschen. Denn natürlich beantworte die Expansionsthese nicht nur viele ungelöste Fragen, sagt er, nein, sie stelle noch mehr neue. "Wir wissen ja bis heute nicht, was die Ursache der Ausdehnung sein könnte." Nur dass es sie gibt, davon ist Klaus Vogel überzeugt. Auf Kongressen am National-Institut für Vulkanismus in Italien, an der TU in Berlin oder in Griechenland hatte er zuletzt Auftritte mit seinen Globus-Kindern.

Demnächst geht es nach Sibirien zu einer Tagung über den Tunguska-Meteoriten, der vor 100 Jahren mit der Kraft von tausend Hiroshima-Bomben in die Taiga krachte. Aber gar kein Meteorit war, wie Klaus Vogel den Forscherkollegen mit Hilfe seiner Globen und des Propanantriebs des Firmen-Gabelstaplers erklären wird. "Methan, das wegen der Expansion aus der Erdkruste austritt, hat die Explosion verursacht", glaubt er und lächelt: Wenn ein Mann wirklich eine Aufgabe braucht - dieser hier hat die seine gefunden.


THEORIE AUS DEN TIEFEN DER ZEIT

Kontinente unter acht Kilometern Wasser

Vor hundert Jahren fiel es dem italienischen Geowissenschaftler Roberto Mantovani wie Schuppen von den Augen: Wäre die Erde vor Millionen Jahren viel kleiner gewesen, hätte ein geschlossener Kontinent ihre Oberfläche nahezu ebenerdig bedeckt. Erst später, so der Forscher, sei dieser Urkontinent wohl durch vulkanische Aktivitäten auseinandergebrochen. Die Erde wuchs, die Kontinentstückchen entfernten sich voneinander, beschrieb der Berliner Physiker Ott Christoph Hilgenberg in seinem Buch "Vom wachsenden Erdball". Denke man sich die Erde nur halb so groß wie heute, argumentierte er, passten die Ränder der Kontinente besser zueinander, als sie es nach der Lehre von der Kontinentaldrift tun. Andere Probleme aber konnte auch Samuel Carey, einer der Vordenker der Bewegung, nicht lösen. So wären alle Kontinente vor der Ausdehnung von einem 15 Kilometer tiefen Ozean bedeckt gewesen, die Schwerkraft hätte die Dinosaurier auf den Boden gepresst, die Erdrotation hingegen hätte viel höher sein müssen. Das Ausmaß des Wachstums ist zwischen den Expansions-Experten umstritten. Der Geophysiker László Egyed hatte in den 60ern eine Vergrößerung des Erdumfangs von einem Millimeter im Jahr errechnet. Doch wäre sie schon immer so schnell gewachsen, müsste die Erde heute viel größer sein als sie ist.

www.expanding-earth.org
www.final-frontier.ch

Freitag, 22. März 2013

Ein Ort schreit Mord


Mehr als ein Ort schreit da ganz laut "Mord!" Leseempfehlung, nicht nur, weil ich mitschreiben und den ersten Mord mittels Sandstrahlgerät begehen durfte... Kaufen, damit kein Opfer vergebens war!

Dienstag, 5. März 2013

Falkenberg feiert, Halle singt


Zweieinhalb Stunden voller Emotionen, zweieinhalb Stunden voll alter Hits und neuer Hymnen - der Alt-Neu-Hallenser Ralf Schmidt, als IC Falkenberg einer der großen Popstars der DDR, hat zum Auftakt zur Fortsetzung seiner "Freiheit"-Tour ein triumphales Konzert im ausverkauften halleschen Objekt 5 abgeliefert. Am Anfang steht natürlich die Halle-Hymne, die der 51-Jährige nach seiner Rückkehr aus Berlin geschrieben hatte. "Die Stadt, die keiner kennt" porträtiert die Saalestadt aus der Innensicht: Bärbeißig scheinen Hallenser Fremden manchmal, dabei, so heißt es im Lied, werde hier nur das Lächeln nicht verschenkt.

 Heute Abend aber wohl. Von ersten Stück bis zur letzten Zugabe geht der Saal begeistert mit, andächtig lauschen die Fans Falkenbergs kleinen Episoden und Erzählungen, hingebungsvoll singen sie mit, wenn er wie beim globalisierungskritischen "Wetter"-Lied dazu einlädt. Es geht um den großen Begriff Freiheit, und die findet Falkenberg an der Seite seiner halleschen Musiker Scotty Gottwald (git), James Dietze (bg) und Friedrich Hentze (dr) musikalisch. Rockiger als noch im letzten Jahr spielt das Quartett neue Songs wie "Die Leute reden" und "Wo alle sind", Gottwald veredelt das epische "Vor den Kathedralen" mit einem gänsehautfiebrigen Solo und Falkenberg selbst wechselt immer mal wieder von der Akustikgitarre zum Piano und zurück.

 Der Zorn auf die Leute, die er als Verantwortliche hinter den aktuellen Krisen sieht, ist Falkenberg in jedem Moment anzumerken. Voller Energie wirft er sich in seine Lieder, immer aber drehen deren Texte die einfache Realität eine Windung weiter. "Auf den Wiesen der Kindheit" findet der Mann, der als Junge in der Südstraße aufwuchs, die Freiheit, die heute so schwer zu haben ist, weil sie daraus besteht, nein sagen zu können.

 Aber nicht zu müssen. Als das Publikum irgendwann im nicht enden wollenden Zugabenteil den "Mann im Mond" fordert, ein Stück, das mittlerweile ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel hat, hat die Band das zwar nicht geprobt. Gespielt wird es dennoch unter großem Jubel - einer der Höhepunkte eines höchst emotionalen Abends, der nach dem letzten Ton von der Bühne noch lange nicht endet.