Viel schöner geht es nicht. Das Flüsschen liegt flüsternd im Sonnenlicht, die Kanus sind pünktlich, das Schilf wiegt sich in einem Hauch von Wind. Nicht zu heiß und nicht zu kalt, also ab ins Abenteuer, rauf auf die Drawa, im Gegensatz zur Krutynia, die ein paar hundert Kilometer östlich durch die Masuren fließt, ein ebenso nahe liegendes wie vielen Deutschen noch unbekanntes polnisches Paddelgewässer.
Nur rund 90 Kilometer hinter der Grenze liegt der zumeist schmale Fluss, der an der Pommerschen Seenplatte entspringt, 186 Kilometer nach Süden fließt und dann bei Krzyz Wielkopolski in die Netze mündet. Papst Johannes Paul II. war ein großer Liebhaber des Wassersportgebietes - als junger Mann unternahm Karol Wojtyla mehrere ausgedehnte Touren, an die heute überall Hinweisschilder und Kreuze erinnern.
In flotter Strömung
Das eigentlich Sehenswerte auf der Drawa aber ist die Natur. Wird das Landschaftsbild hinter der Brücke von Prostynia, die viele Paddelgruppen zum Einsetzen nutzen, noch von weiten Schilfflächen bestimmt, verengt sich der Horizont später immer mehr. Es wird waldiger, grüner und feuchter. Dank der flotten Strömung, die der auf deutsch Drage genannte Wasserlauf seinem sportlichen Gefälle verdankt, treiben die Boote fast wie von selbst flussabwärts. In Schweiß gerät niemand, dennoch geht es flott voran.
Zumindest bis nach Drawno, ehemals Dramburg, das am Großen Lübbesee dem Zugang zum Drawienski-Nationalpark liegt. Der schützt den letzten großen Urwald Mitteleuropas - und wie. Was bis hierhin Urlaubspaddeln war, nicht schwerer als am Strand zu liegen, wird hinter dem Eingangstor, das eine alte Brückenkonstruktion markiert, binnen Minuten zu Schwerstarbeit. Denn die Drawa will nicht befahren werden, schon gar nicht mit schweren Dreier-Kanus. Die Behauptung des Reiseführers, "immer wieder" lägen "einige Bäume im Wasser", stellt sich binnen kürzester Zeit als leeres Versprechen heraus. Richtig muss es natürlich heißen "immer liegen Bäume nicht nur im Wasser, sondern auch im Weg". So schnell wie möglich gilt es deshalb herauszufinden, wie das jeweilige Hindernis zu überwinden sein könnte. Manchmal geht es gerade noch unten drunter durch. Manchmal gelingt es, mit Anlauf oben darüber hinweg zu rutschen. Oft aber hilft alles nichts: Die nun zeitweise beinahe an einen Wildwasserkanal erinnernde Strömung drückt das Boot so energisch gegen einen querliegenden Stamm, dass Besatzung samt Ladung im Wasser landen.
Jeder Meter ist ein Kampf
Was für ein Spaß. Und es gibt kein Zurück. Die Drawa fließt in den Grenzen des Nationalparkes zumeist durch ein tiefeingeschnittenes Tal, selbst das Herausheben und Umtragen der Boote ist unmöglich. Allerdings wäre die Frage, wo am besten wieder einzusetzen ist, ohnehin nicht zu beantworten. Weil im Nationalparkgebiet jeder Baum liegenbleibt, wo er hinfällt, sieht der Paddler gelegentlich den Fluss vor lauter Bäumen nicht. Jeder Meter ist ein Kampf, zu Fuß im Fluss watend, auf Bäumen balancierend oder flach im Boot unter natürlichen Sperren durchtreibend.
Karol Wojtyla wusste schon, warum er dem Oberlauf der Drawa bei seinen Touren den Vorzug gab. Denn wer Abenteuer sucht, findet hier am Unterlauf mehr davon, als er einpacken kann. Sieben Kilometer dauern fünf Stunden und kosten viel Hängen und Würgen und nasse Klamotten. Dann endlich taucht die Anlegestelle des idyllischen Biwakplatzes Barnimie auf.
Erst ab Bogdanka wird der Weg einfacher, die Drawa liegt flüsternd im Sonnenlicht, als sei sie der netteste Fluss der Welt. Im Wald verstecken sich nun Teile des Pommernwalls, mit dem Hitler einst die Sowjetarmee aufhalten wollte. Hin und wieder gibt es auch wieder Einkaufsgelegenheiten am Wasser. Höchste Zeit, die fortgeschwommenen Vorräte aufzufrischen.
Dienstag, 13. August 2013
Donnerstag, 8. August 2013
Von Sommermythen und Hitzemärchen
Glaube versetzt bekanntlich Berge, aber im Hochsommer ist er seit einigen tausend Jahren sogar noch zu viel mehr in der Lage. Glaube versetzt ganze Sternenhaufen, gestaltet das All nach dem eigenen Maß und verändert den Lauf der Welten! Nur darum bezeichnen Deutsche, Italiener und Russen die heißesten Tage des Jahres - nach allen meteorologischen Erfahrungen zwischen dem 23. Juli und 23. August gelegen - traditionell als "Hundstage".
Sie beziehen sich damit auf das Sternbild Großer Hund, dessen zentraler Stern der Sirius ist. Stehen der leuchtende Sirius, früher auch "Der Sengende" genannt, und der Rest der Hundeversammlung am Himmel, ist nämlich Hochsommer. So zumindest ein fester Volksglaube, der allerdings faktisch schon ein paar hundert Jahre lang nicht mehr zu halten ist. Denn seit der Antike, in der die Hundstage erfunden wurden, haben sich Erde und das lateinisch "Canis Major" genannte Hunde-Sternbild doch ein wenig auseinandergelebt.
Statt am 23. Juli gehen Sirius und Co. heute erst am 30. August auf - wenn die einst nach ihnen benannten Hundstage längst vorüber sind und mit ihnen auch die Urlaubszeit. Gut, dass unsere Vorväter wenigstens das vorhergesehen haben. In Russland waren sie nicht ganz so schlau. Dort heißen die Sommerferien bis heute nach dem Großen Hund "Kanikuly". Der erscheint dann, sobald sie vorbei sind.
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