Freitag, 24. Juli 2020
Mittwoch, 1. Juli 2020
Währungsunion: D-Day in der DDR
Der Widerstand gegen die D-Mark-Einführung blieb eher symbolisch. |
Vor 30 Jahren bekam die DDR West-Geld. Weil die Menschen sofort auf Westware umstiegen, endete mit der neuen Währung die alte Wirtschaft.
Am Morgen danach ist erst einmal alles wie zuvor. Die Sonne scheint über Mitteldeutschland an diesem Sonntag vor 30 Jahren, mit dem nicht nur ein neuer Monat, sondern eine neue Ära beginnt: Es ist D-Day in der DDR, die DDR-Mark geht, die D-Mark kommt. Seit Mitternacht ist sie das gesetzliche Zahlungsmittel im Arbeiter- und Bauernstaat, dessen Volk sich das Geld nun aber erst einmal holen muss. Überall bilden sich schon am Vormittag lange Schlangen vor Sparkassen und Banken. Allein im Bezirk Halle haben 1 713 Auszahlstellen geöffnet, um für Aluchips harte Westmark auszugeben. In Eisleben etwa sitzen die ersten Umtauschwilligen früh um vier vor dem Eingang der Sparkasse, in Halle campieren ganz Eilige vor den Geldschaltern.
180 Milliarden Mark
2 000 Polizisten sind zur Absicherung des Geldumtausches eingesetzt. Auf den Sparkonten der DDR-Bürger liegen 180 Milliarden DDR-Mark, nach dem kurz zuvor beschlossenen deutsch-deutschen Staatsvertrag werden 60 Milliarden gestaffelt nach dem Alter der Besitzer zum Kurs von 1:1 getauscht, der Rest im Verhältnis 1:2. Vermögen, die höher als 6 000 Mark sind, werden halbiert - verbunden mit dem Versprechen, der Staat werde später Anteilscheine am Volkseigentum an die frühere Bevölkerung der DDR ausgeben.
Doch die Angst vor einer erneuten Enteignung ist vor allem bei Älteren gewaltig. Hatte der volkseigene Handel seit dem Mauerfall ständig sinkende Umsätze gemeldet, so beginnen in den Wochen vor dem Stichtag Hamsterkäufe. Gefragt ist, was von den meist völlig überfroderten Bürgern für wertstabil gehalten wird: Die Nachfrage nach Wartburgs und Ladas steigt an, aber auch Immobilien und Antiquitäten sind gefragt. Kurz vor Ultimo füllen alle ihre Vorratslager. An den Tankstellen tobt ein Kampf ums letzte Ost-Benzin, in den Kaufhallen türmen sich Brot, Kartoffeln, Zucker und Mehl in den Einkaufswagen. Werner Hoffmann, Chef eines Ladens in Halle, beschreibt: "Die Kunden kaufen alles - wenn ich nicht aufpasse, bin ich mit weg."
Erspartes retten
Es geht darum, das Ersparte zu retten, sei es durch die Umschichtung von Geld auf die Konten von Kindern und Enkeln, sei es durch den Tausch in DDR-Pfennige. Die, so legen die Regularien der Währungsumstellung fest, werden vorerst gültig bleiben, weil die Bundesbank einfach nicht genügend Hartgeld heranschaffen konnte.
Mehr Zeit aber können sich Berlin und Bonn nicht mehr lassen. Nach wie vor verlassen Tausende das Land Richtung Westen. Nur das Versprechen auf eine schnelle Einheit verspricht, die Verhältnisse zu stabilisieren. Auf der Straße fordern die Menschen schon lange "Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, gehn wir zu ihr".
Die letzten Tage vor dem D-Day ziehen sich wie alter Kaugummi. Es ist eine seltsame Zwischenzeit ohne Informationen darüber, wie es weitergehen wird. Gerüchte überall. Immer öfter werden Geldtransporter vor den DDR-Staatsbank-Filialen gesichtet, in denen Bundesbank-Helfer das Sagen haben: In den Kellern habe sich das Geld gestapelt, erinnert sich ein früherer Mitarbeiter, "dabei hatte keiner eine Vorstellung, wieviel wirklich gebraucht wird".
25 Milliarden in bar
25 Milliarden D-Mark sind es schließlich, die bar abgehoben werden, pro Kopf der Bevölkerung etwa 1 500 Mark. "Jetzt wird erst einmal richtig eingekauft und Urlaub im Süden gemacht", schwärmt Günter Angermann beim Verlassen einer Bankfiliale in Eisleben.
Wie viele ahnt er noch nicht, wie schwer der plötzliche Umtausch nicht nur aller Guthaben, sondern auch aller Löhne und Gehälter die DDR-Wirtschaft treffen wird.
Durch die Aufwertung aller Verbindlichkeiten ist kaum mehr ein VEB noch konkurrenzfähig. Schon am Montag nach der Währungsumstellung stehen in den Regalen der Geschäfte durchweg Westprodukte. Selbst Marmelade, Wurst und Käse kommt von Lieferanten aus Bayern und Hessen. Ostfirmen, die eben noch von billigeren Löhnen profitiert hatten, finden für ihre Produkte keine Abnehmer mehr. Sogar ihre eigenen Mitarbeiter kaufen ja für die echte D-Mark lieber die echte Nutella als die DDR-Kopie Nudossi.
Das Bruttoinlandsprodukt der DDR geht bis Weihnachten um 40 Prozent zurück, die industrielle Warenproduktion sinkt um zwei Drittel. Bis 1993 werden 70 Prozent aller Industriearbeitsplätze verschwinden, die Zahl der Beschäftigten sinkt von 9,7 auf 5,3 Millionen. Die Treuhand hat auch dadurch große Mühe, Käufer für die Reste der DDR-Industrie zu finden.
Die versprochenen Anteilscheine am Volkseigentum, die den teilweisen Wertschnitt beim Währungstausch ausgleichen sollten, werden deshalb auch später nie ausgegeben.
Labels:
DDR Geschichte
Standort:
Halle (Saale), Deutschland
Sonntag, 17. Mai 2020
Mount St. Helens: Besuch einer Zeitbombe
Morgen jährt sich der 40. Jahrestag des Ausbruchs des Vulkans St. Helena, doch auf dem Berg ist heute nichts mehr von der Katastrophe von 1980 übrig. Nur das Grün um ihn herum verdankt die Landschaft dem Monster, das immer noch rumpelt. Man muss dort nicht hinaufgehen, so sind sie niocht, in den USA. Es gibt eine wunderschöne Straße, die durch eine der schönsten Landschaften der Erde führt. Schwarzer Asphalt glänzt in der morgendlichen Feuchtigkeit zwischen grünen Böschungen - der Mount St. Helens fasziniert seine Besucher, auch wenn sie ihn noch nicht erreicht haben.
Der Highway 504 führt als kurvenreiche und gut ausgebaute Bergstraße zum Johnson Ridge Observatory, dem Ort, zu dem alle Besucher kommen. Von hier aus haben Besucher einen perfekten Blick auf den Vulkan, der immer noch aktiv und deshalb eine tickende Zeitbombe ist. Unterwegs sollte man unbedingt einen Stopp im Lewis & Clark State Park einlegen, wo sich noch Reste der sehr alten Bäume befinden, die große Flächen bedeckten, bevor die Lava kam und alles wegbrannte. Wenn ein bisschen mehr Zeit ist, ist auch noch ein Ausflug in das Naturschutzgebiet Nisqually National Wildlife Refuge drin. Hier warten Feuchtgebiete, in denen Vögel fast symphonisch singen.
Aber das Hauptziel für Millionen von Menschen von nah und fern ist natürlich der Vulkan, ein 2.539 Meter hoher Gipfel, der die umliegenden Bergrücken um ganze 1.100 Meter überragt. Der Vulkankegel hat einen Durchmesser von 10 Kilometern, er ist mehr als 40.000 Jahre alt. Damals suchte erstmals Magma aus dem Erdinneren unter großem Druck nach einem Ausgang. Seitdem hat der Mt. St. Helens insgesamt neun große Eruptionsphasen erlebt, die zwischen 5.000 und weniger als 100 Jahren dauern, mit Schlafperioden zwischen 15.000 und etwa 200 Jahren.
Der Aufstieg ist also relativ sicher, da der Vulkan für die nächsten 150 Jahre still bleiben dürfte. Wenn man am Johnston Ridge Observatory angekommen ist, führt der beste Weg weiter zu einer Wanderung auf dem berühmten Eruption Trail. Dieser Pfad bietet eine fantastische Aussicht auf die Eruptionszone und den Krater und wimmelt im Sommer von rosa Lupinen und anderen Blumen. Zu anderen Jahreszeiten wird die Umgebung von der kargen Schönheit einer vulkanischen Landschaft beherrscht, die ausgebrannt und mit Bimsstein bedeckt ist.
Seit 1980 ruht der Vulkan - aber er schläft nur. Seit St. Helens am 18. Mai vor 40 Jahren um genau 8.32 Uhr explodierte, scheint der Berg nur noch wenig Dampf zu haben. Genau wie die mehr als 100 Jahre vor dem Mai 1980 - doch genau dann kam der schlimmste Vulkanausbruch in der jüngeren Geschichte der USA: Die oberen 400 Meter des damals noch 2.949 Meter hohen St. Helens flogen in die Luft und die größte Lawine aller Zeiten raste ins Tal, so dass selbst in elf Kilometer Entfernung Hügel von 400 Metern Höhe kein Hindernis für die wuchtig heranrollenden Gesteinsmassen darstellten.
600 Quadratkilometer Wald wurden damals zerstört, Schlammlawinen rissen 23 Brücken weg, 300 Kilometer Straße verschwanden. Eine Aschewolke stieg auf, wie sie der Kontinent noch nie zuvor gesehen hatte: Nur 30 Minuten nach dem Ausbruch maß sie 64 mal 48 Kilometer und bewegte sich mit 100 Stundenkilometern nach Osten, um den Tag in eine Nacht zu verwandeln.
57 Menschen starben an diesem Tag auf St. Helens - trotz der isolierten Lage im dünn besiedelten Südosten des Bundesstaates Washington, trotz aller Warnungen von Experten, die den Berg nach dem ersten Grollen drei Monate zuvor rund um die Uhr beobachtet hatten. Seitdem sieht der Berg nicht mehr so aus wie damals, als sie ihn "Amerikas Fujijama" nannten. Der verheerende Ausbruch hat auch viele Spuren menschlicher Besiedlung weggerissen, die im 5. Jahrtausend v. Chr. begonnen hatte. Völker wie die Klickitat und die Binnen-Salish ließen sich damals hier nieder, obwohl sie wussten, wie gefährlich das war. In ihren Sprachen nannten sie den Berg Loo-Wit Lat-kla oder Louwala-Clough (Feuerberg oder rauchender Berg) und sie erwarteten immer, dass er wütend sein würde. Aber sie wussten auch: Das Leben würde danach stets weitergehen.
Freitag, 24. Januar 2020
Richfield Gas Station: Der letzte Rest von "Easy Rider"
Die legendäre Tankstelle aus dem Easy-Rider-Film: Innen ist die Zeit stehengegeblieben. |
Es ist länger als ein halbes Jahrhundert her, dass Peter Fonda und Dennis Hopper als "Easy Rider" in die Kinogeschichte fuhren. Sie beiden freiheitssuchenden Motorradfahrer schmuggelten im gleichnamigen Kinofilm Kokain von Mexiko nach Los Angeles und der Streifen wurde zum Kultfilm. Wyatt und Billy versteckten den heißen Stoff in den Batterien ihrer Bikes, das Geld landet nach dem Verkauf im Tank einer Chopper und die Reise geht dann einmal quer durch die USA, ein Land am Ende der Nachkriegszeit, zwischen Hippiefeeling und trotzigem Konservatismus. Der Film, ein echtes Road Movie, der von Fonda produziert und inszeniert wurde Hopper, schrieb Hollywood-Geschichte.
Ein ganz klein wenig davon kann man heute noch entdecken, wenn man auf der Spur von Fonda und Hopper auf der legendären Route 66 fährt, einer Autobahn, auf der heute eigentlich nirgendwo mehr eine Spur dieser legendären Zeit findet, zu der Steppenwolf, die Byrds und Jimi Hendrix den Soundtrack lieferten.
Ein paar Kilometer weiter, auf der alten Autobahn 66, wo keine Touristen zu sehen sind, befindet sich in der Nähe des Pine Breeze Inn "Richfield", eine winzige Geisterstadt mit einer verlassenen Tankstelle, an der "Easy Rider" gedreht wurde.
Dieser Ort ist nicht leicht zu finden, er liegt abgelegen zwischen einer Depot der Nationalgarde und dem camp der Navajo Feuerwehr. Nehmen Sie einfach die Ausfahrt 285 (Bellemont) der I-40, biegen Sie ab und fahren Sie eine einsame Straße ins Nichts - am Ende finden Sie links ein paar Holzkisten, ein rostiges Auto und eine abgeschabte Baracke, in der irgendjemand die Zeit eingefroren zu haben scheint.
Hier kommt kein Benzin mehr aus dem Hahn, kein Tankwart wartet und die Gegend ist so leer wie die Brieftasche der Easy Rider. Wer genau hinschaut, sieht im Fenster einige verstaubte Plakate hängen, auf denen "Easy Rider" immer noch lebt. Hopper und Fonda, die in der schockierenden Schlussszene des Films sterben müssen, leben hier für immer und ewig weiter: Junge Männer, die niemals mehr alt werden oder sterben.
Die aus dem Film bekannte Tankstelle. |
Irgendwer hat ein gepflegt heruntergewirtschaftetes Auto neben der Tankstelle abgestellt. |
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