Der nächste Tag führt uns nach Schönberg, wo wir schon wieder eine sterbende Stadt erleben. Der Ort, an dem Westdeutschland einst von der DDR seine Abfälle vergraben ließ, ist heute ein Gebiet unübersehbaren Niedergangs. Früher flossen hier zumindest ein paar der Abermillionen harter D-Mark hin, die der Westen dem Osten zahlte. Heute nichts mehr, wie es aussieht. Schönberg hatte mal eine Gaststätte. Aber die ist geschlossen. Es hatte auch mal ein Kino, und auch das ist seit Ewigkeiten zu. Der einzige Ort, an dem man etwas zu essen bekommt, ist ein freundlicher türkischer Döner-Grill, den ein ursprünglich aus Vietnam stammendes Ehepaar betreibt.
Es sind nun die letzten Kilometer bis zum Meer. Aber unser Wasser-Problem wird wieder akut. Wenn wir dort oben an der Küste den ehemaligen Kolonnenweg entlanglaufen wollen, werden wir zwei ganze Tage lang kein frisches Wasser finden. Hinter Dassow liegt nur noch ein Imbiss namens "Seestern" am Weg. Und laut Landkarte keine Quellen, Toiletten oder andere Orte mit einem Wasserhahn. Das bedeutet, dass wir alles, was wir brauchen, in unseren Rucksäcken tragen müssen, die ohnehin schon 20 Kilogramm schwer sind, wenn wir nur zwei Liter Wasser für den Tag mitnehmen. Jetzt gehen wir mit sechseinhalb pro Kopf weiter.
Es fühlt sich ein bisschen an wie eine Ameise unter einem Berg. Nach zehn Minuten brauchen wir die erste Pause. Die Sonne ist wieder draußen und brennt, die Temperatur steigt. Das Gewicht zwingt uns, mehr zu trinken, als wir vorher gedacht haben. Ein Teufelskreis. Aber das Meer zu sehen, ist den ganzen Ärger wert. Und der Wegabschnitt, den wir jetzt gehen, ist auch einer der schönsten auf der ganzen Strecke. Die Harkenbäkniederung und das Salzhaff sind das Gegenteil vom Rest der deutschen Ostseeküste. Wo sonst überall Hotels, bewirtschaftete Strände und Geschäfte das Ostseegefühl monetarisieren, ist hier nichts davon zu sehen. Der Weg führt am Meer entlang, links ist ein schmaler Waldstreifen und rechts sind Felder. Und noch mehr Felder. Und noch viele weitere Felder.
Die Touristen in dieser Gegend sind selbstverständlich auch alle auf Fahrrädern unterwegs. Sehr ärgerlich für uns Wanderer, weil sie ständig von hinten und vorne kommen. Klingel. Bimmel. Und kaum einer grüßt. Nur wenige Kilometer von unserem Start entfernt sehen wir dann ein riesiges Holzkreuz direkt am Weg: "Keine Zukunft ohne Erinnerung" erzählt eine Tafel in der Nähe des Kreuzes, das für die Opfer einer der größten Katastrophen in der Geschichte der Seefahrt errichtet wurde. Am Ende des Zweiten Weltkrieges versuchten die beiden Schiffe "Cap Arcona" und "ThieIbek" nach Lübeck zu gelangen, aber in der Nacht zum 3. Mai 1945 versanken beide nach einem Angriff britischer Bomber. 7.000 KZ-Häftlinge starben, ihre Leichen wurden monatelang an die Strände geschwemmt.
Eine Tragödie, die ohne das Holzkreuz keine Spuren hinterlassen hätte, so wie der ehemalige Eiserne Vorhang auch. Der Kolonnenweg, dem wir seit Salzwedel folgen, ist der gleiche Weg, den wir jetzt gehen, aber nur auf wenigen und kurzen Abschnitten sieht man noch die typischen Kekse aus Beton, aus denen der Grenzweg gemacht war. Am Abend suchen wir nach einem schönen Platz am Strand, um unser Zelt direkt am Wasser aufzuschlagen.
Es ist ein sehr leerer Platz, unsere Nachbarn sind nur Vögel und einige späte Gäste, die nach Bernstein und Hühnergöttern suchen. Die Wellen rauschen leise und die Sonne geht im Westen unter, wo die Skyline von Timmendorfer Strand blinkt. Ein Traum, den wir noch mal mit unserem besonderen Gesundheitscocktail bejubeln. Am nächsten Tag geht es entspannt auf die letzten paar Kilometer unserer Trekking-Tour auf dem Kolonnenweg. Fast 250 Kilometer liegen schon hinter uns und vor uns liegt das Meer.
The first episode of our hike you can read here.This is the second one and here are third, four,five, six, seven, eight, nine, ten, 11 and 12.
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