Mittwoch, 9. März 2016

Wahlserie Grüne: Sie reden wieder vom Wetter


Grünen-Chef Özdemir erinnert sich gut an den grünen Wahlkampf 1990. "Alle reden von Deutschland, wir reden vom Wetter", plakatierte seine Partei damals. Die Wähler bestraften so viel Ignoranz mit Abstinenz, die Grünen flogen aus dem Bundestag.

Zeichen an der Wand, 26 Jahre später. Alle reden von Flüchtlingen, von Obergrenzen, von Integration. Die Grünen aber plakatieren stur ein Schwein, ein Rind und eine Biene unter dem Slogan "Grün für Mutter Natur". Im Internet lobt sich die Partei dafür, im Landtag Debatten über besseren Klima- und Naturschutz" angestoßen zu haben. Zudem habe man "die quälerischen Bedingungen in der industriellen Tierhaltung zum Thema gemacht und Debatten über Qualität in der Bildung energisch vorangetrieben".

Brennende Themen, von denen nur unklar ist, ob sie die Wählerinnen und Wähler entzünden werden und die sie noch rechtzeitig als ihre entdecken, um der in Sachsen-Anhalt stets an der Fünfprozenthürde wackelnden Ökopartei eine Verlängerung im Landtag zu bewilligen. Daneben haben die Grünen nur noch im Angebot, wogegen sie sind: "Grün gegen TTIP" und "Grün gegen Nazis". Man muss die Grünen deshalb aber nicht wählen. Man sich auch für zehn Euro ein T-Shirt bestellen, auf dem ein Lego-Nazi durchgestrichen ist.

Özdemir selbst ist auch schon aufgefallen, dass die Wahlstrategie seiner Parteifreunde in Sachsen-Anhalt vielleicht nicht ganz optimal ist. Er hat aber einen Ausweg gefunden. Wenn niemand nach den alten urgrünen Themen fragt, weil Ozonloch, Klimawandel und Überfischung der Weltmeere derzeit kaum jemanden interessieren, erklärt man eben andere Themen zu urgrünen. Bildung bietet sich an, denn die grüne Spitzenkandidatin Claudia Dalbert kennt sich da aus. Dass niemand die Spitzenkandidatin kennt, "das wird sicherlich noch besser werden", sagt Cem Özdemir. Es klingt wie "und wenn wir Glück haben, reicht es noch mal".

Bei der Kommunalwahl in Hessen war seine Partei mit einem landesweiten Minus von 6,7 Prozentpunkten größter Verlierer aller Parteien. In Sachsen-Anhalt kann das zumindest nur theoretisch passieren. Die SPD ist hier als größter Wahlverlierer gesetzt. Umfragen sagen ihr Verluste um fünf Prozent voraus. Die Grünen hatten zuletzt, in ihrem besten Jahr, überhaupt nur sieben.

Viel Luft nach unten ist da nicht. Dabei böte der reine, pure Einzug in den Landtag aufgrund der allgemeinen Konstellation erstmals die Garantie, eine Regierungsbeteiligung quasi geschenkt zu bekommen. Die Grünen hätten es sich leicht machen und konsequent für grüne Grundüberzeugungen kämpfen können: Ja zu offenen Grenzen, ja zum Zuzug ohne Obergrenzen, ja zu mehr Europa, ja zu mehr Geld für Integration.

Wäre, hätte, wenn und aber. Wenn die Angst vor dem Wähler nicht wäre. Aber Cem Özdemir fragt: "Mehr Integration, wie wollen Sie das denn plakatieren".





Dienstag, 8. März 2016

Wahlserie FDP: Waschen, ohne nass zu werden


Sachsen-Anhalt war einmal eine Hochburg des Liberalismus, damals, als der noch das Gesicht von Hans-Dietrich Genscher über die Marktplätze trug. Als diese Ära endete, endete auch die Ära der FDP im Landesparlament. Das Grausame daran: Niemand vermisste die Partei, die 1990, nach der Übernahme der ehemaligen DDR-Blockparteien LDP und NDPD mehr als 24.000 Mitglieder hatte, diesen Bestand aber bis 2014 auf nurmehr fünf Prozent zurückfahren konnte..

2016 ist die Partei wieder da, angeführt von einem neuen Parteichef, der sich mit neuen Farben schmückt. Und was sind das für Farben!

Alles drin, alles dran, alle Zwischentöne dabei. In Rosa, Gelb, Hellblau, Schwarz und Rot, abgetupft mit Grau und Weiß werben die wiedergeborenen Liberalen um Wähler, eher grell als geschmackvoll, eine Polit-Bonboniere, die an Baumarktwerbung erinnert. In der ist alles drin: Datenschutz und Bargelderhalt, mehr Polizisten wie bei allen Parteien. Dazu was mit Schule, was mit Wirtschaft, was mit Investitionen. Wie alle anderen kein Wort zur Flüchtlingskrise. Vermutlich war das Programm schon fertig.

Es könnte trotzdem zum Landtagseinzug reichen, wenn auch nicht, weil die FDP unter Frank Sitta so stark ist. Sondern weil die Parteien, die zuletzt im Landtag saßen, so schwach sind. "Das Ende des Stillstands beginnt mit ihrer Stimme" und "Jetzt spricht die Jugend" lockt die Partei gemäßigte Protestwähler, die der Linken nicht mehr trauen und der AfD noch nicht.

Ein Geschäftsmodell, das letzten Umfragen zufolge ganz knapp aufgehen könnte. Das "Sitta-Projekt" namens "Sachsen-Anhalt neu starten – Wir machen was draus!“ beschreibt die FDP als "positive Protestpartei". Man ist dagegen, in dem man dafür ist. Man kann sich hier waschen, ohne nass zu werden.

Bisherige Teile der Wahlserie:

Linke: Und immer reicht es nicht
CDU: Ich bin euer Herbergsvater
SPD: Wahl ohne Kampf

Montag, 7. März 2016

Wahlserie Linke: Am Ende reicht es nie


Als Wahlkämpfer ist Wulf Gallert Spitze. Der Mann, der für die Linke Ministerpräsident werden will, macht die richtigen Gesichter zur richtigen Botschaft, er kann, er will, er wird, er ist "Frauenversteher" und "Wirtschaftskenner" und auch sonst noch so allerlei. Wahlsieger aber wird er wieder nicht, nun schon zum dritten Mal. Was für eine Tragik.

Für Gallert ist immer zur falschen Zeit Wahltag. Als seine Partei noch regierte, war er Student. Als sie dann von den anderen Parteien als eine Art extremistische Fortsetzung der DDR mit demokratischem Mäntelchen bezeichnet wurde, machte er Kommunalpolitik. Mit Gallert stieg auch die SED, PDS und spätere Linke auf, ihr Stimmenanteil von ehemals zwölf Prozent verdoppelte sich binnen zweier Jahrzehnte. Die Stimmen, die die Linkspartei als ewiggestrig bezeichneten, wurden leiser. Und Wulf Gallert hatte gute Aussichten, eines Tages zusammen mit der SPD selbst regieren zu können.

Wäre nicht die Flüchtlingskrise dazwischengekommen, wäre das vielleicht passiert. So aber wendet sich ausgerechnet ein Teil der Stammwählerschaft der Linken seit Monaten den Rechten zu. Und ein anderer Teil sucht die wohlige Wärme einer bekannten und beliebten Herberge. Keine Experimente!

Ist der Wahlkampf der SPD nicht vorhanden und der der CDU darauf bedacht, einschläfernd zu wirken, poltert Wulf Gallert nun notgedrungen mit Parolen durch die Lande, die wie aus der Zeit gefallen scheinen. Frühkindliche Bildung, Wirtschaftsförderung ohne Skandale, ein "Transparenzgesetz ein Open-Data-Portal" und "gute Arbeit, unbefristet, gut bezahlt, gleich verteilt zwischen den Geschlechtern" - wo Gallert draufsteht, ist Gestern drin.

Die Linke hat es aber auch besonders schwer, beim Hauptthema des Wahlkampfes Stellung zu beziehen. Um gegen die CDU zu punkten, braucht es weit offene Arme für Geflüchtete, weiter und offener als Angela Merkels Arme sind. Doch selbst wenn das anatomisch möglich sein sollte: Es wäre auch die Garantie dafür, dass noch größere Teile der konservativen Stammwählerschaft in Richtung AfD abwandern.

Ein Dilemma, dem Wulf Gallert Wahlkampfzentrale mit einem Spagat zwischen den Standardfloskeln jedes linken Wahlkampfes ("Solidarität", "Gerechtigkeit") und einem vorsichtig angedeuteten Bezug zu Merkels Migrationspolitik ("So schaffen wir das") zu entkommen sucht.

Zum Schluss wird es so wieder nicht reichen, zum dritten Mal.



Samstag, 5. März 2016

Wahlserie CDU: Ich bin euer Herbergsvater


Läuft für Ministerpräsident Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt. Die mitregierende SPD hat alle Bemühungen um einen eigenen Wahlsieg eingestellt. Die Grünen bangen unter ferner liefen. Die AfD und die Linke besetzen die Außen und setzen sich vor allem gegenseitig unter Druck.

Haseloff, ein eher farbloser Mann, der das Land Sachsen-Anhalt seit Jahren mehr verwaltet als regiert, wird in dieser Wahlkampf-Konstellation mit einem Mal zum "Landesvater". Ein Wort, das nichts verspricht außer, dass alles so bleiben kann, wenn ausreichend Kreuze an der richtigen Stelle gemacht werden. Rote Laterne? Geringste Lebenserwartung? Ganz hinten bei der Arbeitslosigkeit, ganz vorn bei der schlechten Laune. Man habe gut regiert in den letzten Jahren, sagt Haseloff, und er spricht von spürbaren Erfolgen und der Notwendigkeit, diese nun auch mal zu bewahren.

Stehenbleiben als Fortschritt, "damit alle am weiteren wirtschaftlichen Aufschwung Anteil haben können“. Zuletzt stieg das Bruttoinlandsprodukt in Sachsen-Anhalt um ein Drittel langsamer als in ganz Deutschland, so dass der Abstand zu den wachstumsstärksten Bundesländern eigentlich weiter wuchs. Aber es ging, so sehen Erfolge hier aus, immerhin langsamer als noch ein Jahr zuvor, als Sachsen-Anhalt es gerade auf 0,4 Prozent Wachstum brachte, während Deutschland insgesamt um 1,6 Prozent zulegte.

Man muss zwischen Harz und Elbe, der Börde und dem Burgenland keine Erfolge haben, man muss sie nur selbstbewusst verkaufen. Haseloffs CDU konzentriert ihre Wahlwerbung denn auch vollständig auf die Betonung des status quo. Wer in unsicheren Zeiten "stabile Verhältnisse" (CDU) will, wählt CDU. Wer rechts nicht weill, wählt CDU. Wer links nicht will, wählt CDU. Wer "keine Zeit für Experimente" (CDU) hat, wählt CDU. Wer die "Sachsen-Anhalt-Partei" mag, wählt CDU. Und wer den "Landesvater" kennt, wählt sowieso CDU. Denn Haseloff ist "unser Ministerpräsident" (Wahlplakat). Und das, ihr wollt es doch auch, soll er bleiben.

Wird er. Für Haseloffs CDU, die in Umfragen mit plusminus ein, zwei bei 30 Prozent steht, so sehr die Erde ringsum auch wackelt, gilt: Wer nicht kämpft, hat schon gewonnen. Haseloff ist der Herbergsvater der hässlichsten Baracke im Bundeslager, ein zuweilen in den eigenen Sätzen verlorengehender Garant eines verlässlichen Weiterso, von dem, das glauben ihm die Leute, nie etwas zu hören sein wird, was einen in Unruhe versetzt.

Schönes, langes, mit Du gespicktes Interview von Thilo Jung mit unserem Reiner: