Der Fluch der NVA-Soldaten erwischte ihn, und er merkte es nicht einmal. Erst im Stasi-Gefängnis wurde dem Dresdner Klaus AUERSWALD damals klar, dass ihm mehr droht als eine Disziplinarstrafe wegen des Hörens von West-Radiosendern. Es ist der Sommer 1968, Truppen des Warschauer Paktes sind gerade in die Tschechoslowakei einmarschiert und die DDR-Behörden reagieren empfindlich auf Systemkritik, wie der Wehrpflichtige AUERSWALD sie im Kameradenkreis geäußert hatte: Der Einmarsch sei unrechtmäßig, die SED unterdrücke die Meinungsfreiheit und der Sozialismus sei überhaupt reif für Reformen, fand der gerade 20-Jährige.
Für seinen Bataillonskommandeur ein klarer Fall. Angeblich um eine zehntägige Arreststrafe abzubrummen, wird der bekennende Beat-Fan ins Stasi-Untersuchungsgefängnis gebracht. Dort eröffnet ihm ein Vernehmer, dass er unter dem Verdacht stehe, "staatsfeindliche Hetze" begangen zu haben.
In den folgenden zwei Jahren lernt Klaus AUERSWALD den Alptraum aller DDR-Soldaten kennen. Das Militärgefängnis Schwedt ist die zentrale Strafanstalt für die sogenannten Bewaffneten Organe, die seit 1956 über eine eigene Militärgerichtsbarkeit verfügen. Für kleinere Vergehen verhängen Vorgesetzte direkt Disziplinarstrafen, um alles andere kümmern sich Militärgerichte, Militärobergerichte und das Militärkollegium des Obersten Gerichtes der DDR.
Dienststellen der Militärstaatsanwaltschaft ermitteln wegen Fahnenflucht und Schlägereien, sie untersuchen Angriffe auf Vorgesetzte, Missbrauchsfälle etwa im Zusammenhang mit der EK-Bewegung, aber auch Fälle von Diebstahl, Waffenbenutzung oder staatsfeindlichen Äußerungen. So wurde 1981 der Stasi-Hauptmann Werner TESKE wegen versuchtem Landesverrat von einem Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Auch der Offizier, der für das Unglück verantwortlich gemacht wurde, bei dem am 24. August 1965 ein NVA-Schwimmpanzer PT 76 35 Ferienlagerkinder auf dem Riewend-See bei Brandenburg an der Havel mit in die Tiefe riss, landete in Schwedt.
Klaus AUERSWALD erlebt einen Prozess, der nicht öffentlich vor dem Militärobergericht des Militärbezirkes 3 in Leipzig stattfindet. Der Angeklagte bekommt zuvor weder die Klageschrift oder Beweise zu sehen, seinen Verteidiger spricht er wenige Tage vor der Verhandlung für eine halbe Stunde.
Das Urteil steht sowieso fest. Der gelernte Elektromonteur geht für seine Gesinnung hinter Gitter - für ein Jahr und acht Monate nach Schwedt, die Strafanstalt, deren Name allein Generationen von NVA-Angehörigen in Furcht versetzt. In zwei Kompanien, die von als "positiv" eingeschätzten Gefangenen befehligt werden, findet hier ein Strafvollzug auf Strafarbeitsbasis statt, bis 1982 noch unter der Regie des Innenministeriums, später dann unter direkter Leitung der NVA. "3.45 Uhr war Wecken", erinnert sich AUERSWALD, "dann Morgensport, dann Frühstück und 5.30 Uhr Abfahrt ins Betonwerk." Schläge gehören dazu, "der Knüppel klatschte regelmäßig in die Kniekehlen", heißt es in AUERSWALDs NVA-Knastbuch "… sonst kommst Du nach Schwedt!" (Greifenverlag), in dem der Sachse sich die Last der Erinnerungen vom Leibe zu schreiben versucht.
Die Strafgefangenen, unter denen wegen politischer Delikte Verurteilte ebenso sind wie Gewalttäter und Leute, die etwa "aus Versehen" jemanden erschossen haben, arbeiten Zwölfstunden-Schichten an sechs Tagen der Woche, es gibt nur wenig zu essen, dafür aber an zwei Wochenenden jedes Monats militärische Ausbildungsübungen mit Holzgewehren. Die Strafe schützt die meisten vor dem Wehrdienst nicht: Offiziell gelten alle nach Militärstrafrecht Verurteilten weiter als NVA-Angehörige, ihre nach der Strafverbüßung verbleibende Dienstzeit müssen sie in der Regel bis zum letzten Tag der regulären Dienstzeit nachdienen. 50 Tage sind es im Fall von Klaus AUERSWALD. Und draußen vor dem Kasernentor warten anschließend schon die Stasi-Spitzel.
Fundstück bei Klaus Auerswalds Blog
Für seinen Bataillonskommandeur ein klarer Fall. Angeblich um eine zehntägige Arreststrafe abzubrummen, wird der bekennende Beat-Fan ins Stasi-Untersuchungsgefängnis gebracht. Dort eröffnet ihm ein Vernehmer, dass er unter dem Verdacht stehe, "staatsfeindliche Hetze" begangen zu haben.
In den folgenden zwei Jahren lernt Klaus AUERSWALD den Alptraum aller DDR-Soldaten kennen. Das Militärgefängnis Schwedt ist die zentrale Strafanstalt für die sogenannten Bewaffneten Organe, die seit 1956 über eine eigene Militärgerichtsbarkeit verfügen. Für kleinere Vergehen verhängen Vorgesetzte direkt Disziplinarstrafen, um alles andere kümmern sich Militärgerichte, Militärobergerichte und das Militärkollegium des Obersten Gerichtes der DDR.
Dienststellen der Militärstaatsanwaltschaft ermitteln wegen Fahnenflucht und Schlägereien, sie untersuchen Angriffe auf Vorgesetzte, Missbrauchsfälle etwa im Zusammenhang mit der EK-Bewegung, aber auch Fälle von Diebstahl, Waffenbenutzung oder staatsfeindlichen Äußerungen. So wurde 1981 der Stasi-Hauptmann Werner TESKE wegen versuchtem Landesverrat von einem Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Auch der Offizier, der für das Unglück verantwortlich gemacht wurde, bei dem am 24. August 1965 ein NVA-Schwimmpanzer PT 76 35 Ferienlagerkinder auf dem Riewend-See bei Brandenburg an der Havel mit in die Tiefe riss, landete in Schwedt.
Klaus AUERSWALD erlebt einen Prozess, der nicht öffentlich vor dem Militärobergericht des Militärbezirkes 3 in Leipzig stattfindet. Der Angeklagte bekommt zuvor weder die Klageschrift oder Beweise zu sehen, seinen Verteidiger spricht er wenige Tage vor der Verhandlung für eine halbe Stunde.
Das Urteil steht sowieso fest. Der gelernte Elektromonteur geht für seine Gesinnung hinter Gitter - für ein Jahr und acht Monate nach Schwedt, die Strafanstalt, deren Name allein Generationen von NVA-Angehörigen in Furcht versetzt. In zwei Kompanien, die von als "positiv" eingeschätzten Gefangenen befehligt werden, findet hier ein Strafvollzug auf Strafarbeitsbasis statt, bis 1982 noch unter der Regie des Innenministeriums, später dann unter direkter Leitung der NVA. "3.45 Uhr war Wecken", erinnert sich AUERSWALD, "dann Morgensport, dann Frühstück und 5.30 Uhr Abfahrt ins Betonwerk." Schläge gehören dazu, "der Knüppel klatschte regelmäßig in die Kniekehlen", heißt es in AUERSWALDs NVA-Knastbuch "… sonst kommst Du nach Schwedt!" (Greifenverlag), in dem der Sachse sich die Last der Erinnerungen vom Leibe zu schreiben versucht.
Die Strafgefangenen, unter denen wegen politischer Delikte Verurteilte ebenso sind wie Gewalttäter und Leute, die etwa "aus Versehen" jemanden erschossen haben, arbeiten Zwölfstunden-Schichten an sechs Tagen der Woche, es gibt nur wenig zu essen, dafür aber an zwei Wochenenden jedes Monats militärische Ausbildungsübungen mit Holzgewehren. Die Strafe schützt die meisten vor dem Wehrdienst nicht: Offiziell gelten alle nach Militärstrafrecht Verurteilten weiter als NVA-Angehörige, ihre nach der Strafverbüßung verbleibende Dienstzeit müssen sie in der Regel bis zum letzten Tag der regulären Dienstzeit nachdienen. 50 Tage sind es im Fall von Klaus AUERSWALD. Und draußen vor dem Kasernentor warten anschließend schon die Stasi-Spitzel.
Fundstück bei Klaus Auerswalds Blog
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