Mittwoch, 11. April 2012

Woodstock in der Saaleaue


Jahrzehntelang war die Peißnitzbühne Halles Madison Square Garden

Die Hintertür stand offen für die, die Bescheid wußten. Der Weg führte über die Schwanenbrücke auf die Peißnitzinsel, dann die Schienen der Pioniereisenbahn entlang, schließlich schnell über den Gehweg ins Unterholz. Und von dort hinein in Halles größte Konzertarena.

In der waren sie zu DDR-Zeiten sozusagen alle kostenlos zu erleben, die Stars des Ost-Rock, aber auch ausländische Bands, sogar aus England und Amerika. Auf der Bühne, die so etwas wie Halles Madison Square Garden war, standen City und Silly, Karussell und die Puhdys, dazu Lokalhelden wie The Next oder Rengering. Das Publikum strömte vor allem bei internationalen Größen: Einmal stieg der Geist von Woodstock an der Saale hernieder, als Keyboard-Zauberer Czeslaw Niemen seine Orgel-Gebirge aufbaute. Vor ihm auf der Wiese lagerten Tausende aus der ganzen DDR, die Tage vorher angereist waren und die Wartezeit campierend im Unterholz verbracht hatten.

Lärm, Müll und Menschenmassen waren kein Problem. Schließlich ging es bei den vom VEB Naherholung ab 1972 organisierten „Jugendkonzerten“ darum, „der jungen Generation Unterhaltung auf höchstem Niveau“ zu bieten. Für drei Mark Eintritt gab es anfangs Blasmusik und Schlager mit Frank Schöbel. Später dann auch Rockbands wie Fonograf, Magdeburg und Modern Soul.

Die Begeisterung war riesig. Häufig konnten die Konzerte nur beendet werden, indem die Kulturaufseher die Scheinwerfer auf dem Dach des Versorgungsgebäudes gnadenlos anschalteten. Tamara Danz von Silly sang trotzdem weiter, auch der Engländer Geff Harrison ließ sich nicht beirren. Im Regen auf der dachlosen Bühne rockte er, als sehe er weder Stromschlag-Gefahr noch Licht.

Nach dem Mauerfall ging das Rathaus daran, die Konzertarena auszubauen. Ein eine Million Euro teures Dach überspannte nun die Bühne. Und machte Probleme. „Das Dach ist zu niedrig“, klagten Bob Dylans Techniker. Auch Heinz Rudolf Kunze hatte Mühe, seine Lautsprecher unterzubringen.

Dennoch – in den 90ern erlebte die Inselbühne eine Renaissance. Die Stars standen Schlange: David Bowie und Iggy Pop, Caught in the Act, Die Ärzte, Chris de Burgh, Tracy Chapman, Ich + Ich, Deep Purple, Pur und die Prinzen begeisterten Zehntausende. Festivals wie die Turntable Days begrüßten Gäste wie das Supermodel Eva Padberg.

Allerdings mit abnehmender Tendenz. 1991 hatten Stadt und Umweltgruppen vereinbart, dass es nur drei Rockkonzerte pro Jahr auf der Peißnitz geben darf. Damit sollten „Lärmschäden bei Pflanzen und Tieren“ vermieden werden, die laut Auenwaldschützern drohten, wenn „mehr Großereignisse der geschützten Landschaft zugemutet werden“.

Der Anfang vom Ende. Spielten zu DDR-Zeiten im Sommer jede Woche Bands auf der Peißnitz, ist der Konzertkalender spätestens mit dem Aus für den von Rockkonzerten begleiteten „Kinosommer“ auf ein, zwei Gastspiele zusammengeschnurrt. Das Woodstock in der Saaleaue hat ausgedient, der „Madison Saale Garten“ geschlossen.

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