Mittwoch, 29. August 2012

Das beste Jahr


12 Uhr. Es ist ein gutes Jahr bis dahin, dieses 1979. Im Oktober steht der HFC Chemie auf Tabellenplatz 3. Es wächst Großes im Kurt-Wabbel-Stadion, in das die Leute strömen wie schon lange nicht mehr. 12.30 Uhr Die Fans aus Halle-Neustadt kommen zu Fuß. Es geht vorbei an dem Punkthochhaus, in dem HFC-Spieler Jürgen Schliebe wohnt. Wie stets steht Hausmeister Werner Lohs auf dem Balkon und ätzt sein "na, geht ihr wieder verlieren" herunter.. Unterwegs wird der Zug länger, Flaschen und Spekulationen machen die Runde. Es geht heute gegen Erzfeind Magdeburg. Wieviel Polizei wird da sein? Im Stadion läuft der Vergleich der Nachwuchs-Teams. Auf dem Schwarzmarkt vor dem Stadion wird mit Programmen und Westzeitungen gehandelt.

 13 Uhr. Willkommen auf dem Ersatzschlachtfeld! Stadien wie das Wabbel sind in den 70ern exterritoriales Gebiet. Hier darf gerufen werden, was sonst nicht einmal gedacht werden soll. "Bullen raus", schallt es eine aus der Fankurve, die die Gegengerade ist. Im Block regieren Typen wie Hörle, ein Schläger, eigentlich aber nett. Zwar nehmen sich ältere wie er gern ungefragt eine Zigarette von Jüngeren. Aber im Ernstfall sind sie auch die, die das Schlachtfeld erst verlassen, wenn der letzte rot-weiße Schal zurückerobert ist.

 13.30 Uhr Heute ist Magdeburg ist schwach vertreten unter den 25.000 im Stadion. Schiedsrichter Prokop, dem der Ruf eines Betrügers vorauseilt, pfeift an. "Wir wollen den Heimvorteil nutzen", hat HFC-Trainer Kohl vorher angekündigt. Zwar dominiert der FCM die erste Viertelstunde. Doch nach zwei ausgelassenen Torchancen schlägt der HFC zurück.

 13.45 Uhr. Holger Krostitz bereitet das erste Tor vor, Werner Peter erzielt es. Nun dreht der Gastgeber richtig auf,. Die Fangerade singt den "Chemiewalzer", bei dem die Schals über den Köpfen tanzen. Magdeburg ist müde, Halle steigert sich in einen Rausch.

 14.15 Uhr Der macht die 2. Halbzeit zur vielleicht besten, die jemals eine HFC-Elf gespielt hat. Nach zehn Minuten fällt Pastor im Strafraum. Foul.. Krostitz trifft zum 2:0. Zehn Minuten später macht der „Blitz aus Hohenmölsen“ auch das 3:0. Und nochmal zehn Minuten danach schießt er das 4:0. Magdeburg ist k.o., tot und begraben. Gipfel der Demütigung: Der kleine Peter trifft zum 5:0. Mit dem Kopf.

 14.50 Uhr Achim Streich macht das 5:1, aber das macht nichts, Halle feiert. Die meisten Magdeburger schon abgefahren. Die Schlägereien auf dem Weg zum Bahnhof, den der HFC-Anhang nach jedem Heimspiel absolviert, fallen aus. Alle wissen, sie haben Geschichte. Selbst Hausmeister Lohs, der immer noch auf dem Balkon wartet, hetzt nur leise, "na, doch mal gewonnen".

Abpfiff. In den Wochen danach schlägt der HFC den Hauptstadtklub BFC mit 3:1 und den Angstgegner Jena mit 1.0. Das Ende beginnt dann mit einer Niederlage gegen Dresden. Nun stürzt Chemie noch auf Platz 7. Die Zahl von 237.000 Zuschauern, die in der Saison nach dem 5:1 gegen den FCM ins Kurt-Wabbel-Stadion kamen, hat der Club in den 30 Jahren seitdem nie wieder erreicht.  

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