Ich erinnere mich deutlich daran, dass Sting seinerzeit total was dagegen hatte, dass wir Bilder von seinem Auftritt in Leipzig im Internet zeigen. Wir hätten nicht gefragt, meinte sein Management. Auf Sting.com, sagte mir gerade ein Leser, steht meine komplette Besprechung des damaligen Konzerts.
Gefragt haben die natürlich nicht.
Das durchsichtige Negligè muss bei den Dreharbeiten zu ''Dune'' Mitte der 80er liegengeblieben sein. Damals war Gordon Sumner, den alle nur Sting nennen, schon unterwegs zu neuen Ufern, fort von der Drei-Mann-Insel The Police, mit der er in nur fünf Jahren eine Handvoll Hits und ein Kapitel Rockgeschichte geschrieben hatte. Das Hemdchen aber passt ein Vierteljahrhundert später noch wie angegossen. Sting, 57 Jahre alt, trägt zum Comeback der gemeinsamen Combo mit Gitarrist Andy Summers und Drummer Steward Copeland imposante Stahlmuskeln und einen malerischen Dreitagebart.
Grußlos stürzt sich das Trio vor nahezu ausverkauftem Haus in 'Message in the Bottle', vor knapp drei Jahrzehnten ein Welthit, zur Revivalshow geliftet mit neuen Schlagzeugrhythmen. Die Messehalle 1, ein Haus mit dem Charme eines Großtanklagers, tobt. Fingerkuppenklein sind die drei Männer auf der schwarz ausgeschlagenen Bühne, Stings noch immer fast makelloses Falsett aber greift mühelos bis ganz nach hinten, wo die älteren Fans der Wiederkehr der New-Wave-Helden auf Sitztribünen beiwohnen. Wer lange nichts macht, kann eben nicht viel falsch machen.
The Police veröffentlichten zwischen 1979 und 1983 fünf bahnbrechende Alben, die sie für kurze Zeit zur wichtigsten Rockband überhaupt werden ließen. Dann waren die musikalischen Mittel erschöpft, die Akteure voneinander gelangweilt. Sting wandte sich komplizierteren musikalischen Strukturen und tiefgründiger gemeinten Botschaften zu. Neue Musik aus dem Polizeirevier gab es seither nicht mehr. Das erspart den Dreien die Pflichtausflüge zu lästigem neuen Material und beschert dem Publikum einen Abend voller Hits. Das Programm gleicht geradezu verblüffend dem der letzten Tour vor dem Abschied der Polizisten. Von 'Walking On The Moon' geht es zu 'Can't Stand Losing You', von 'Every Little Thing' zu 'Don't Stand So Close To Me'. Evergreens, die jeder kennt.
Die Unterschiede liegen in den Details. Bestand Police-Musik ursprünglich aus einer quasi patentierten Kombination von geraden Reggae-Rhythmen, einer säurescharfen Gitarre und Stings Sirenengesang, gefällt es den drei Briten heute, unterzumischen, was einst verpönt gewesen wäre. Hier ein Gitarrensolo, dort eine Glockenspieleinlage. Die Zehntausend im Saal stört das nicht weiter, so lange der Refrain erkennbar bleibt. Und das ist versprochen. Schwieriger Stoff wie 'Invisible Sun' wird mit bedeutungsschwangeren Kinderbildern auf der Leinwand schnittiger geschliffen, obskure Einlagen wie das quengelnde 'Voices Inside My Head' werden nur angedeutet.
Sting ist der Mittelpunkt der Show. Was er singt, jodelt die Masse nach. Wenn Andy Summers, mit 66 der Senior der Band, Reggae-Riffs aus der schon etwas steifen Hüfte schießt, jubelt das Volk. Mit einer ausufernden Sieben-Minuten-Version der Rotlicht-Moritat 'Roxanne' kommen The Police zum Zugabenteil zurück, es folgen 'King Of Pain' und 'Every Breath You Take'. Dann geht das Licht an und der Saal singt ''ihh-ohh, ihhh-ohh, ijohooo'', bis Sting sich den Bass doch noch einmal umhängt. ''Ich bin stolz, dass wir nochmal zusammengekommen sind'', sagt Sting, ''aber ich bin auch stolz, dass wir es jetzt beenden.'' Gestern Abend spielte die Band im Londoner Hyde-Park ihr letztes Konzert daheim, noch drei Konzerte in Spanien und das war es. Für immer. ''Eine ära endet'', hatte Sting vorher angekündigt. Aber von der Bühne ruft er dann doch ''auf Wiedersehen, Leipzig!''.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen