Donnerstag, 26. Mai 2016

Eissporthalle: Der letzte Atemzug eines Toten



Wie ein riesiger Dinosaurier greift der Bagger nach den Metallsäulen. Es knirscht, es kracht. Der Bagger fährt zurück, wieder vor, er zottelt am Dach, drückt gegen die Verstrebungen. Es dauert Minuten, denn die Reste dessen, was einmal Halles Eissporthalle war, wehren sich nach Kräften gegen den Angriff der Abrisskolonne. Doch zwei Außenseiten der 1968 errichteten Halle sind schon weg, gegen eine dritte stürmt das Abrisskommando an diesem trüben Mittwochabend gerade an.

Es staubt und stinkt nach dem Taubendreck von Jahrzehnten, als die Wand fällt. Der letzte Akt einer langen Agonie, die eigentlich schon begann, als die Baupolizei die seit der Wende aufgetaute Halle auch für Chemiepokal, Hallenfußball und Konzerte sperrte. was eben noch Mitteldeutschlands etablierteste Veranstaltungsarena war, stand tot in der Landschaft herum. Statt Rammstein, Jethro Tull und Brian May traten nur nur Schrottdiebe auf. Das einzige Interesse der Stadt war es, das ehemals als offene Eisfläche gebaute Gebäude loszuwerden.

Es waren dann zwei ehemalige Eishockeyspieler, die dem Eissport in Halle wieder Leben einhauchten. Nicht mehr ganz so wie früher, als Dynamo Berlin hier eine Siegesserie im Europapokal hingelegt hatte. Aber was mit ein paar Alt-Internationalen anfing, die noch einmal ihre stockigen Dresse überzogen, endete nach ein paar Pleiten und Vereinsneugründungen schließlich mit den Saale Bulls, die sich im Mittelbau der deutschen Eishockey-Ligen etablierten.

Nicht erst als im Sommer 2013 die große Flut kam, knirschte es hinter den Kulissen. Die Kosten für den Unterhalt der Eissporthalle ließen den Eigentümer Stadt und die Pächter Busch und Werkling immer wieder aufeinanderknallen. Über abenteuerliche Rechtskonstruktionen wurde versucht, den Clinch um Nebenkosten und Zuschüsse dauerhaft beizulegen. Vergeblich.

Das Hochwasser brachte nun die Chance für einen Neuanfang ohne vertragliche Altlasten. Dazu wurde die Halle zu einem "wirtschaftlichen Totalschaden" - wirtschaftlich, weil das Gebäude von Näherem betrachtet auch für Gutachter nicht wie ein Totalschaden aussah. Aber es lohnt eben nicht, ein altes Auto zu reparieren, wenn man für - so die beiden Pächter - ein zehnmal mehr Geld auch ein neues bekommen kann.

Zumindest nicht, wenn das Geld kein eigenes ist. Und im Falle der Eissporthalle sprudelten die Fluthilfequellen. Selbst das Angebot eines Klettervereins, die Halle zu übernehmen und trocken als Kletterhalle zu betreiben, musste abgelehnt werden: Bedingung für eine Übernahme von Abriss- und Neubaukosten aus dem Nottopf für Hochwasserschäden ist es, dass dort, wo bisher eine Halle war, danach keine mehr steht.

Was bleibt, sind die nostalgischen Erinnerungen derer, die hier früher Eislaufen gelernt haben. Die zum unvermeidlichen "Weißes Boot" von den Roten Gitarren beim öffentlichen Eislaufen verbotene Bandenhasche gespielt haben. Die mit der in Halle üblicherweise nur „Eishalle“ genannten Eissporthalle Konzerterlebnisse, Jugendsünden und Boxtriumphe verbinden.

Das Dach ist schon weg, zwei Seitenwände ebenso. Die Eissporthalle ist wieder, was sie ganz zu Anfang war, eine nach oben offene Betonfläche. Es ist 18.20 Uhr, als dann auch die vorletzte Seitenwand fällt. Noch mehr Metallschrott stürzt auf den Berg aus Beton, Glas und Eisen, der übrigbleibt, wenn Geschichte planiert wird.

Ende Mai soll der Abriss abgeschlossen sein.


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