Montag, 12. September 2011

Einer für Halle


Hier hat alles angefangen, damals, als der große Mann in der schwarzen Jacke noch ein schmaler kleiner Junge war. Ralf Schmidt, den in Halle alle "Schmatt" nannten, steht wieder hier, vorm Opernhaus, der ersten großen Bühne, auf der er gesungen hat. Eigentlich nur, weil der Bäcker in der Südstraße, in der er mit seiner Familie lebte, immer so sauer war. "Ich habe gesungen, wenn ich aus der Schule kam", erinnert sich Ralf Schmidt heute, "das hallte so schön im Treppenhaus". Doch dem Nachtarbeiter aus der Nachbarschaft fehlt jedes Verständnis für die große Kunst des Kleinen. Ultimativ forderte der Kunstverächter, Mutter Schmidt möge ihren Sohn doch gefällig irgendwo hinbringen "wo er singen kann, ohne die Leute zu stören."

Das war vor vier Jahrzehnten. Ralf Schmidt, der im halleschen Industrieviertel zwischen Karosseriefabrik und Pumpenwerk aufwuchs, marschierte von hier aus über den Stadtsingechor, die Opernbühne und lokale Rockbands zur Deutschrock-Institution Stern Meißen, der der junge Mann von der Saale binnen weniger Monate eine musikalische Frischzellenkur verordnete, die ihr das Leben rettete.

Seitdem ist viel passiert. Ralf Schmidt hat die Wanderjahre, die die DDR nicht gestattete, nachgeholt. Er spielte Heavy Metal, arbeitete als Fotograf und Fotomodel in den USA. Bis er plötzlich wieder Lieder fühlte. Seitdem ist der Sänger, Pianist und Gitarrist, der Neil Young, Leonhard Cohen und Tom Waits liebt, ruhelos unterwegs. Alben, Tournee, Alben. Das aktuelle heißt „Hautlos“ und zeigt den 50-Jährigen als einen der letzten seiner Art: Große Themen in kleinen Versen, verpackt in unwiderstehliche Melodien, akustische Gitarren, Klavier, viel Gefühl.

Seine Ankündigung aus dem Titelsong, "irgendwann kehr´ ich immer zurück" hat Falkenberg unterdessen wahrgemacht. „Ich mußte mich zwischen Hamburg und Halle entscheiden“, sagt der langjährige Wahlberliner, „aber schwer ist das nicht gefallen.“ Ein paar Runden durch die alte Stadt, ein paar Abend in neuen Kneipen, alte Freunde und Musikerkollegen treffen, mit denen er vor 30 Jahren zusammengespielt hatte. „Man sieht plötzlich, was sich verändert hat“, glaubt er, „und man merkt, was immer bleibt.“

Die kleine Stadt, die viel mehr ist als die Summe ihrer Stadtteile. Falkenberg, der inzwischen ganz in der Nähe des Opernhauses lebt, in dem alles anfing, hat sich inspirieren lassen von den altbekannten Straßen, von Plätzen, Parks und Menschen. „Die Stadt, die keiner kennt“ hat er das Lied genannt, das die schönste Hymne ist, die Halle jemals verehrt bekommen hat. Zum ersten Mal live spielen wird er das Werk, das die Eigenheiten der Hallenser und ihrer Stadt ebenso liebevoll wie zielsicher beschreibt, bei seinem Geburtstagkonzert zur Spieleröffnung im Neuen Theater.

Ein besonderer Abend für den Rückkehrer, der an derselben Stelle im vergangenen Jahr begeistert gefeiert wurde. „Es ist die Heimpremiere des neuen Albums“, sagt er, „und zum ersten Mal seit unserer Zeit bei Klink spiele ich wieder Holger "Scotti" Gottwald und Roland "James" Dietze am Bass“. Einer für Halle, einer für alle – mehr Heimkehr geht nicht.

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