Ein Experiment mit ungewissem Ausgang, ein Wagnis ohne Wiederkehr und ein Risiko für den eigenen Ruf - das etwa ist es, was den Schriftsteller, Fernsehmoderator und Grimme-Preisträger Roger Willemsen gereizt haben muss. Gereizt an einer Idee, die spannend klingt wie das Geräusch, das die Seiten einer eingestaubten Akte beim Umblättern machen. Wie wäre es denn, fragte sich der 59-jährige Germanist und Philosoph, würde man sich einfach mal für ein Jahr, ein ganzes Jahr, auf die Besuchertribüne des Reichstages setzen und aufschreiben, was so zu sehen und zu hören ist während der Parlamentsdebatten.
Einfacher gedacht als gemacht. Er habe unglaubliche bürokratische Hürden überwinden müssen, um die Genehmigung zu bekommen, wirklich an jedem Sitzungstag im Hohen Haus durchweg zugegen sein zu dürfen, beschreibt Willemsen, der sich in seinen Büchern zuletzt eher mit außenpolitischen Fragen wie die Lage in Afghanistan beschäftigt hatte. Komisch. "Es ist mein Parlament, dachte ich, es verhandelt meine Sache, wird von mir bezahlt", sinniert er, "warum sollte ich es nicht besuchen können, so oft und so lange ich möchte?"
Vielleicht, weil die Dinge anders sind als sie aussehen. Vielleicht, weil auch Institutionen es nicht mögen, wenn ihnen jemand permanent hinterherspitzelt wie die NSA der Kanzlerin. Nicht, dass der Bundestag etwas zu verbergen hätte. Als Roger Willemsen pünktlich zum ersten Beratungstag bereit steht, versehen mit einem Zugangsausweis, den er nun jede Woche wird erneuern müssen, breitet sich vor ihm der Alltag eines Parlamentsbetriebes aus, vor dem ein weniger begnadeter Schreiber hätte kapitulieren müssen. Das Herz der deutschen Demokratie, auf das Willemsen von der Tribüne herabschaut, entpuppt sich als ein allzuoft hohl dröhnender Baukörper, in dem sich die "Organe von Monologikern und der Chor der Jasager" auf eine Art überlagern, dass "man immer gleich weiß, wie die Erregungskurve im Saal ist".
Lau zumeist, wie der Autor bemerkt. "Ich hatte mich darauf eingestellt, eine Institution im Verblassen ihrer Bedeutung zu erleben", gesteht er. Im Krisenmodus sitzt die Exekutive am längeren Hebel: Wo Alternativlosigkeit regiert, braucht es keinen Meinungsstreit mehr, nur Handeln. Und im Erfolgsfall ist die nachträgliche Zustimmung reine Formsache.
Doch was dann im Plenarsaal auf den wortgewaltigen Protokollanten wartet, ist eine Mischung aus Rederoutine, Improvisationstheater und einigen großen wie seltenen Momenten, in denen die Parlamentarier ohne Masken voreinanderstehen und ohne Kalkül debattieren wie einst, als, so Willemsen, das Parlament noch der Raum war, in dem "Handeln durch Sprechen simuliert oder vollzogen wurde".
Lange her. Heute diene das Parlament nicht mehr dem Meinungsstreit, sondern der "Veröffentlichung von Politik", befindet er. Positionen werden gegeneinandergestellt, doch oft hört ein Redner dem nächsten nicht mal mehr zu. Doch nein, faul seien sie nicht, die Abgeordneten, denen das mit Blick auf den meist mehr leeren als vollen Sitzungssaal gern vorgeworfen wird. "Sie sind mit Verpflichtungen so befrachtet, dass sie oft bis an die Grenze der Belastbarkeit arbeiten." 1 000 Seiten zu diesem, 1 000 zu jenem. Abstimmen, Themenwechsel. Lesen. 1 000 Seiten. Abstimmen. Alles und immer aus einer Position nahe der Überforderung. Willemsen verurteilt nicht, er ordnet ein. Die Baugeschichte in die des Grundgesetzes, den Tagesschaubericht in das erlebte Plattitüdenbombardement einer Mammutsitzung. Und die eigenen, dezidiert linken Ansichten zu Armut und Rüstungsexporten in einen weiteren Blickwinkel, der nicht der eines emotionslosen Beobachters, sondern der eines Beurteilers ist.
Ein "Buch aus Bürger-Perspektive" nennt Willemsen seine 400 Seiten, wobei er zugesteht, dass er in seinem Jahr im Parlament Vorurteile in Sachen Arbeitsbelastung und Sachverstand gegenüber den Abgeordneten korrigieren musste. Dass "Das Hohe Haus" dennoch kein fröhliches, sondern ein überaus kritisches, in Teilen galliges Buch geworden ist, sieht er am Ende im Licht seiner Erfahrungen: "Keine Kritik kann härter sein als jene, mit der die Parlamentarier einander überziehen."
Einfacher gedacht als gemacht. Er habe unglaubliche bürokratische Hürden überwinden müssen, um die Genehmigung zu bekommen, wirklich an jedem Sitzungstag im Hohen Haus durchweg zugegen sein zu dürfen, beschreibt Willemsen, der sich in seinen Büchern zuletzt eher mit außenpolitischen Fragen wie die Lage in Afghanistan beschäftigt hatte. Komisch. "Es ist mein Parlament, dachte ich, es verhandelt meine Sache, wird von mir bezahlt", sinniert er, "warum sollte ich es nicht besuchen können, so oft und so lange ich möchte?"
Vielleicht, weil die Dinge anders sind als sie aussehen. Vielleicht, weil auch Institutionen es nicht mögen, wenn ihnen jemand permanent hinterherspitzelt wie die NSA der Kanzlerin. Nicht, dass der Bundestag etwas zu verbergen hätte. Als Roger Willemsen pünktlich zum ersten Beratungstag bereit steht, versehen mit einem Zugangsausweis, den er nun jede Woche wird erneuern müssen, breitet sich vor ihm der Alltag eines Parlamentsbetriebes aus, vor dem ein weniger begnadeter Schreiber hätte kapitulieren müssen. Das Herz der deutschen Demokratie, auf das Willemsen von der Tribüne herabschaut, entpuppt sich als ein allzuoft hohl dröhnender Baukörper, in dem sich die "Organe von Monologikern und der Chor der Jasager" auf eine Art überlagern, dass "man immer gleich weiß, wie die Erregungskurve im Saal ist".
Lau zumeist, wie der Autor bemerkt. "Ich hatte mich darauf eingestellt, eine Institution im Verblassen ihrer Bedeutung zu erleben", gesteht er. Im Krisenmodus sitzt die Exekutive am längeren Hebel: Wo Alternativlosigkeit regiert, braucht es keinen Meinungsstreit mehr, nur Handeln. Und im Erfolgsfall ist die nachträgliche Zustimmung reine Formsache.
Doch was dann im Plenarsaal auf den wortgewaltigen Protokollanten wartet, ist eine Mischung aus Rederoutine, Improvisationstheater und einigen großen wie seltenen Momenten, in denen die Parlamentarier ohne Masken voreinanderstehen und ohne Kalkül debattieren wie einst, als, so Willemsen, das Parlament noch der Raum war, in dem "Handeln durch Sprechen simuliert oder vollzogen wurde".
Lange her. Heute diene das Parlament nicht mehr dem Meinungsstreit, sondern der "Veröffentlichung von Politik", befindet er. Positionen werden gegeneinandergestellt, doch oft hört ein Redner dem nächsten nicht mal mehr zu. Doch nein, faul seien sie nicht, die Abgeordneten, denen das mit Blick auf den meist mehr leeren als vollen Sitzungssaal gern vorgeworfen wird. "Sie sind mit Verpflichtungen so befrachtet, dass sie oft bis an die Grenze der Belastbarkeit arbeiten." 1 000 Seiten zu diesem, 1 000 zu jenem. Abstimmen, Themenwechsel. Lesen. 1 000 Seiten. Abstimmen. Alles und immer aus einer Position nahe der Überforderung. Willemsen verurteilt nicht, er ordnet ein. Die Baugeschichte in die des Grundgesetzes, den Tagesschaubericht in das erlebte Plattitüdenbombardement einer Mammutsitzung. Und die eigenen, dezidiert linken Ansichten zu Armut und Rüstungsexporten in einen weiteren Blickwinkel, der nicht der eines emotionslosen Beobachters, sondern der eines Beurteilers ist.
Ein "Buch aus Bürger-Perspektive" nennt Willemsen seine 400 Seiten, wobei er zugesteht, dass er in seinem Jahr im Parlament Vorurteile in Sachen Arbeitsbelastung und Sachverstand gegenüber den Abgeordneten korrigieren musste. Dass "Das Hohe Haus" dennoch kein fröhliches, sondern ein überaus kritisches, in Teilen galliges Buch geworden ist, sieht er am Ende im Licht seiner Erfahrungen: "Keine Kritik kann härter sein als jene, mit der die Parlamentarier einander überziehen."
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