Wenn die Helfer im Boot kommen, könnte Ralf Seilitz das Gewehr rausholen. "Preschen hier lang, volle Pulle", schimpft er, "gerade haben wir alles ein bisschen trocken gekriegt, da spülen die uns alles wieder rein." Seilitz ist sauer, aber ist das ein Wunder? Am dritten Tag der großen Flut, die das kleine Örtchen Jeßnitz überschwemmte wie noch keine Flut jemals zuvor, leben die Menschen, die trotz aller Evakuierungsaufforderungen in den Dachgeschossen ihrer Häuser ausharren, nur noch von der Hoffnung.
Der Hoffnung etwa, die nächste Welle möge nie kommen. Der Hoffnung auch, das Wasser möge vielleicht doch schneller verschwinden, als alle jetzt noch fürchten. Und der Hoffnung auch, die Versicherungen, die Regierung, die EU oder sonstwer mögen Geld geben, damit das schmucke Dörfchen auferstehen kann aus den Ruinen, die erst richtig zutage treten werden, wenn die Flut getrocknet ist. "Was bleibt uns denn sonst?", sagt Christel Luge, die mit ihrem Mann Frank, ihrem gehbehinderten Vater und Nachbarin Beate Gase ausharrt im Haus Anger 49. Längst ist kein Strom mehr im Haus, kein Wasser und kein Gas. Luges aber halten durch. "Sollen wir in eine Turnhalle ziehen?", fragt die resolute Frau. "Alles hier zurücklassen, ohne zu wissen, was passiert?"
Nein, schüttelt Beate Gase da den Kopf: "Verzweifelt sein können wir hier genauso gut." Draußen fahren die Männer vom Technischen Hilfswerk (THW) die Anwohner vorbei, die nach dem Dammbruch ein paar Meter entfernt vor der Mulde flüchteten und nun zum ersten Mal wieder nachschauen wollen, was aus Häusern, Haustieren und Autos geworden ist. "Ich bin nur bis zu meiner Haustür gekommen", erzählt Ria Geller, die als ortskundiger Lotse auf dem Boot sitzt. Mehr habe sie sich nicht zumuten wollen: "Warum muss ich wissen, dass alles hinüber ist, solange das Wasser steht?" Solange das Wasser steht wird Ria Geller, die eigentlich beim Ordnungsamt für Umweltfragen zuständig ist, gemeinsam mit der Unterstufenlehrerin Heike Scholz Rettungsdienst fahren. Fahren wie seit Montag, ohne viel Schlaf, ohne große Pausen. "Es gibt immer noch Leute, die einfach rauswollen", sagt sie. Und irgendwer müsse sie schließlich holen.
Es sind Schiffe voller Verzweiflung, voller Tränen und Zukunftsangst, die die beiden Frauen vorbei an versunkenen Autos und überspülten Briefkästen lotsen. Ein Ehepaar hatte sein Haus gerade renoviert. Jetzt ist alles zerstört. Ein junger Mann kommt, sich seinen Neubau anzuschauen. Wortlos fährt er zurück, rücksichtsvoll flüstern andere sich zu: "Bei dem stand das Wasser bis zum Kronleuchter." In 82 Jahren hat es so etwas nicht gegeben, da ist sich Helene Günther sehr sicher. "Wir hatten immer Hochwasser", sagt die 82-Jährige, "aber dass es uns den Damm wegschlägt, das war noch nie." Sohn Frank und die Nachbarn vom Halleschen Tor haben gekämpft bis zuletzt.
Als die Verwaltung die Helfer von THW und Feuerwehr am Mittwochnachmittag abrücken ließ, weil Jeßnitz als verloren galt, warfen sich Günther und die anderen allein in die Fluten. "Wir wollten den Damm halten, irgendwie", beschreibt Alfred Tschisgale, "denn wir wussten, wenn der bricht, ist alles vorbei." Zusätzliche Sandsäcke haben sie herangekarrt, verzweifelt geackert und die Löcher fast so schnell gestopft wie sie aufbrachen. "Aber dann war Schluss", beschreibt Frank Günther, "der Damm brach auf zwölf Metern Länge ein, und wir sind gerannt wie die Hasen, um nicht mitgerissen zu werden." Jetzt schwappt es im Garten, in der Laube, in der Werkstatt, im Keller und im Wohnzimmer, und ein Geruch nach Diesel und Moder hängt in der Luft. "Es ist alles kaputt", sagt Günther, "Heizung, Fernseher, Tiefkühltruhe, alles."
Die Nachbarn nicken, denn allen hier geht es so, alle wissen nicht weiter und fangen deshalb einfach an, aufzuräumen, was aufzuräumen geht inmitten der Wogen. Paul Meissner hat den Grill rausgeschoben und ein paar Würste gebraten. "Wir haben auch Bier gefunden", sagt sein Sohn Michael betont fröhlich. Helene Günther birgt das Gesicht in den Händen und schüttelt den Kopf: "Nur dass die Sonne scheint, macht einem noch Hoffnung."
Der Hoffnung etwa, die nächste Welle möge nie kommen. Der Hoffnung auch, das Wasser möge vielleicht doch schneller verschwinden, als alle jetzt noch fürchten. Und der Hoffnung auch, die Versicherungen, die Regierung, die EU oder sonstwer mögen Geld geben, damit das schmucke Dörfchen auferstehen kann aus den Ruinen, die erst richtig zutage treten werden, wenn die Flut getrocknet ist. "Was bleibt uns denn sonst?", sagt Christel Luge, die mit ihrem Mann Frank, ihrem gehbehinderten Vater und Nachbarin Beate Gase ausharrt im Haus Anger 49. Längst ist kein Strom mehr im Haus, kein Wasser und kein Gas. Luges aber halten durch. "Sollen wir in eine Turnhalle ziehen?", fragt die resolute Frau. "Alles hier zurücklassen, ohne zu wissen, was passiert?"
Nein, schüttelt Beate Gase da den Kopf: "Verzweifelt sein können wir hier genauso gut." Draußen fahren die Männer vom Technischen Hilfswerk (THW) die Anwohner vorbei, die nach dem Dammbruch ein paar Meter entfernt vor der Mulde flüchteten und nun zum ersten Mal wieder nachschauen wollen, was aus Häusern, Haustieren und Autos geworden ist. "Ich bin nur bis zu meiner Haustür gekommen", erzählt Ria Geller, die als ortskundiger Lotse auf dem Boot sitzt. Mehr habe sie sich nicht zumuten wollen: "Warum muss ich wissen, dass alles hinüber ist, solange das Wasser steht?" Solange das Wasser steht wird Ria Geller, die eigentlich beim Ordnungsamt für Umweltfragen zuständig ist, gemeinsam mit der Unterstufenlehrerin Heike Scholz Rettungsdienst fahren. Fahren wie seit Montag, ohne viel Schlaf, ohne große Pausen. "Es gibt immer noch Leute, die einfach rauswollen", sagt sie. Und irgendwer müsse sie schließlich holen.
Es sind Schiffe voller Verzweiflung, voller Tränen und Zukunftsangst, die die beiden Frauen vorbei an versunkenen Autos und überspülten Briefkästen lotsen. Ein Ehepaar hatte sein Haus gerade renoviert. Jetzt ist alles zerstört. Ein junger Mann kommt, sich seinen Neubau anzuschauen. Wortlos fährt er zurück, rücksichtsvoll flüstern andere sich zu: "Bei dem stand das Wasser bis zum Kronleuchter." In 82 Jahren hat es so etwas nicht gegeben, da ist sich Helene Günther sehr sicher. "Wir hatten immer Hochwasser", sagt die 82-Jährige, "aber dass es uns den Damm wegschlägt, das war noch nie." Sohn Frank und die Nachbarn vom Halleschen Tor haben gekämpft bis zuletzt.
Als die Verwaltung die Helfer von THW und Feuerwehr am Mittwochnachmittag abrücken ließ, weil Jeßnitz als verloren galt, warfen sich Günther und die anderen allein in die Fluten. "Wir wollten den Damm halten, irgendwie", beschreibt Alfred Tschisgale, "denn wir wussten, wenn der bricht, ist alles vorbei." Zusätzliche Sandsäcke haben sie herangekarrt, verzweifelt geackert und die Löcher fast so schnell gestopft wie sie aufbrachen. "Aber dann war Schluss", beschreibt Frank Günther, "der Damm brach auf zwölf Metern Länge ein, und wir sind gerannt wie die Hasen, um nicht mitgerissen zu werden." Jetzt schwappt es im Garten, in der Laube, in der Werkstatt, im Keller und im Wohnzimmer, und ein Geruch nach Diesel und Moder hängt in der Luft. "Es ist alles kaputt", sagt Günther, "Heizung, Fernseher, Tiefkühltruhe, alles."
Die Nachbarn nicken, denn allen hier geht es so, alle wissen nicht weiter und fangen deshalb einfach an, aufzuräumen, was aufzuräumen geht inmitten der Wogen. Paul Meissner hat den Grill rausgeschoben und ein paar Würste gebraten. "Wir haben auch Bier gefunden", sagt sein Sohn Michael betont fröhlich. Helene Günther birgt das Gesicht in den Händen und schüttelt den Kopf: "Nur dass die Sonne scheint, macht einem noch Hoffnung."