Immer noch beeindruckend, welche Präsenz dieser Mann selbst auf dieser seiner letzten Bühne gehabt hat, die nur ein kleines Boot auf dem Ammersee in Bayern war. Stefan Diestelmann spielte noch einmal sein ganzes Leben - und nicht nur den Blues. Den aber konnte er besonders gut - heute vor zehn Jahren ist der erfolgreichste und wichtigste Bluesmusiker der DDR.
Die genauen Umstände sind immer noch unbekannt, vermutlich werden sie auch nie offenbar werden, weil die einzigen Freunde, die der Gottkönig des DDR-Blues am Ende seines bewegten Lebens noch hatte, auf seine Bitten hin schweigen.
Fast wäre sogar der Tod des Ost-West-Wanderers unbekannt geblieben, weil der gebürtige Bayer Diestelmann es vorzog, nach seiner Rückkehr in die alte Heimat und dem künstlerischen Scheitern dort langsam und dann immer schneller aus der Öffentlichkeit und den Konzertsälen zu verschwinden.
Diestelmann, ein Leben lang ein begnadeter Geschichtenerzähler, der jede seiner verrückten Storys auch selbst zu glauben schien, pflegte den Nimbus des Total-Aussteigers. Kein Blues mehr, kein Applaus und keinerlei Kontakte. „Er hat sich der Familie entzogen", erinnert sich sein Onkel Jürgen Diestelmann. Wenn Touristen aus dem Osten ihn erkennen und fragen, warum er denn nicht mehr spiele, lässt er sie wissen, dass die Musik ihm zu wichtig sei, "dass ich sie als Broterwerb betreiben will". Aus dem wichtigsten Blues-Mann der DDR wird ein Freizeitkapitän, der sein Boot über den Ammersee steuert und behauptet, die Musik gar nicht zu vermissen.
Dabei war er für die wie geschaffen. Zu Hause geschlagen von einem Vater, der ein Leben lang wütend auf seine eigene Entscheidung war, zugunsten der Karriere von West nach Ost zu ziehen und in der Schule als Wessi gemobbt, flüchtete Stefan Diestelmann früh in den Blues. "Es war der Rhythmus im Blues, der mich angemacht hat", sagt er später, "das Primitive, in dem alles steckt."
Mit der Gitarre ist er wer, wenn er singt, empfängt er Bewunderung. Es ist dies das Hochgefühl, dem Stefan Diestelmann nun stets nachjagen wird: im Mittelpunkt stehen, der sein, zu dem alle aufschauen. Er wird tatsächlich zum Star, er verdient viel Geld, er wird gefeiert und mit Preisen bedacht. Er bekommt einen Berufsausweis, obwohl er nie eine musikalische Ausbildung genossen hat, sondern stattdessen - zumindest nach eigenen Angaben - nach einem Fluchtversuch in der Besserungsanstalt landet.
Mit der Gitarre ist er wer, wenn er singt, empfängt er Bewunderung. Es ist dies das Hochgefühl, dem Stefan Diestelmann nun stets nachjagen wird: im Mittelpunkt stehen, der sein, zu dem alle aufschauen. Er wird tatsächlich zum Star, er verdient viel Geld, er wird gefeiert und mit Preisen bedacht. Er bekommt einen Berufsausweis, obwohl er nie eine musikalische Ausbildung genossen hat, sondern stattdessen - zumindest nach eigenen Angaben - nach einem Fluchtversuch in der Besserungsanstalt landet.
1984 nutzt Diestelmann einen Auftritt im Westen, um der DDR den Rücken zu kehren. Drüben taucht der König des Blues ab. Er dreht jetzt Werbefilme für Hotels und behauptet, sehr glücklich zu sein. Er ist immer noch ein großer Geschichtenerzähler, ein Mann, der abendliche Runden ganz allein unterhalten kann. Er spricht viel von früher. Er macht Witze. Er macht keine Musik mehr.
Er starb dann, wie er am Ende lebte: Umgeben von zwei, drei Menschen, zu denen er noch Kontakt hatte. Und vergessen von den Hunderttausenden, die einst seine Platte "Hofmusik" gekauft hatten.