Freitag, 22. April 2016

Conny Ochs: Ein Reisender in großem Gefühl



Das neue Album des Hallensers Conny Ochs heißt „Future Fables“. Es will mehr als die Region.

Mit seiner Band Baby Universal ist der Hallenser Cornelius Ochs seit mehr als einem Jahrzehnt eine der wichtigsten, bekanntesten und erfolgreichsten Figuren des Rocks in der Region. Zuletzt legte die Lieblingsband von Kult-Regisseur Quentin Tarantino mit „Slow Shelter“ ein Meisterwerk vor, das den Mix aus Brit-Pop und Hard-Rock um Folkelemente erweiterte.

Eine Mischung, die Conny Ochs nun auch auf seinem neuen Solo-Album „Future Fables“ pflegt. Zwölf Songs hat der Hallenser mit der unverwechselbaren Stimme im Kabumm-Studio in Golzow eingespielt, alle zwölf orientieren sich mehr an seinen gemeinsamen akustischen Alben mit der US-Doom-Legende Scott „Wino“ Weinrich (St. Vitus) als am treibenden elektrischen Sound seiner Band.

Lieder mit Herz, Lieder mit Seele sind das, vom Auftakt mit dem auf zwei Gitarren hereinschleichenden „Hole“ bis zum Finale mit der dunklen Klavierballade „Make some room“. Conny Ochs singt flehentlich, er flüstert, zeigt aber bei „Killer“ auch, dass er Nirvana ebensogut kann.
Songkunst, der Sachsen-Anhalt, der Osten und ganz Deutschland spätestens seit den gemeinsamen Tourneen mit Scott Weinreich zu klein geworden ist.

Wie ein moderner Troubadour zieht Ochs durch Europa, um die Welt, er spielt in Quedlinburg und Venedig, in der Schweiz und Tschechien. Seine zwischen Mark Lanegan, Lou Reed und Nick Drake pendelnde Musik, mit dem Debüt „Raw Love Songs“ entworfen, mit „Black Happy“ vervollkommnet und mit „Future Fables“ nun für erste vollendet, wird überall verstanden werden.

Direkt zum Künstler:
connyochs.com

Donnerstag, 21. April 2016

Suddenly Human: Große Fragen in großen Hymnen



Kleine Stadt, großer Wurf - die hallesche Band Suddenly Human und ihr Debüt-Album „Elements on changing ways“

Kein Album in der Tasche, aber auf England-Tournee gehen, so etwa funktioniert die hallesche Band Suddenly Human. Über ihr Tour-Abenteuer auf der Insel haben Sänger Philipp Saaler, Gitarrist Hannes Kiesewetter, Basser Konstantin Brandt und Trommler Kurt Thomas Noack einen Film gedreht, den sie nach einem Motiv von Georg-Friedrich Händel „The trumpet shall sound“ genannt haben. Ein Road-Movie mit Musik und Stromausfall und Erbsen vom Notkocher, das nach Wurzeln sucht, von Abenteuern berichtet und von einer Band erzählt, die es ernst meint.

Das ist auch die Botschaft von „Elements on changing ways“, dem Debütalbum der Hallenser, das nun ein Jahr nach der Tour-Doku erscheint. Mit dem Anspruch, „etwas Bleibendes zu kreieren und dabei sehnsuchtsvolle Wirklichkeit mit pittoresker Alltäglichkeit zu vereinen“, wie die Band selbst sagt. Ehe sie daran geht, ihn in zwölf Stücken zwischen klassischem Rock, himmelsstürmender U2-Hymne und Britpop einzulösen.

Vom Opener „I’ve seen the lanterns“ drehen die vier Hallenser das ganz große Rad. Chöre, Rhythmuswechsel, Echo, übereinandergeschichtete Tonspuren - Produzent Jürgen Block, der schon mit Keimzeit und City gearbeitet hat, lässt die Newcomer von der Saale mal klingen wie die Strokes, mal winken Interpol aus der Kulisse, mal grüßen Muse und Placebo von fern. Klein und bescheiden können andere, in Songs wie „Horus“ und „Artefacts“ geht es in assoziativen Texten um den Menschen und die Welt, den Sinn des Lebens und die Angst vor dem Tod.

„Suddenly Human“ heißt „plötzlich menschlich“, ist aber keine Parole, sondern der Titel einer Star-Trek-Episode, in der die Enterprise-Besatzung einem von Aliens aufgezogenen Menschenjungen sanft klarmachen muss, dass er in Wirklichkeit kein Talarianer ist.

Das passt. Wenn Philipp Saaler in „Ink-World“ die Stimme kippen lässt, während die Musik immer schneller zu werden scheint, entwickelt „Elements“ einen Sog, wie ihn Alben der Isländer Sigur Rós in der Regel erzeugen: Die Akkorde drehen sich, es wird laut und leise, der Sänger flüstert und dann schreit er. Die Gitarren tosen und es ist nicht mehr das einzelne Wort, das beim Hörer ankommt. Sondern eine Atmosphäre und ein Gesamtgefühl, das keinen Gegenstand mehr hat, sondern nur noch die Töne, den Sound, die Musik.

Die wird später zuweilen zickig, das Hymnenhafte geht ihr in „Welcome to the sanatorium“ ganz ab. Dafür aber entpuppt sich der Song über die „Vita 31“ als perfekter Gegenentwurf zum idyllischen „Hotel California“ der Eagles. Keine Akustik-Gitarren, dafür Police-Riffs. Keine falsche Hoffnung, für niemanden. Aber zum Glück ist das kalte Buffet eröffnet.

Ein frappierendes Album, das vor Ideen sprüht und dem Hörer trotzdem Platz für Fantasie lässt. Wer das irgendwann in seiner Karriere hinbekommt, hat alles richtig gemacht. Wer es auf seinem Debütalbum vollbringt, könnte wie weiland Händel nach England gehen.

www.suddenlyhuman.com
facebook.com/suddenlyhuman

Mittwoch, 6. April 2016

Iggy Pop: Tanz die De­pres­sion


Mit einem kühlen Album voller karger Rocksongs meldet sich der 68-jährige Rock 'n' Roll-Wüterich Iggy Pop zurück - begleitet von Wüstenrocker Josh Homme.

Jetzt, wo sein Freund David Bowie tot ist, ist es irgendwie an Iggy Pop zu klingen wie David Bowie. Kann er, immer noch! Die ganzen kleinen Soundfitzelchen sind da auf "Post Pop Depression", dem 19. Soloalbum des "Godfather of Punk" seit 1977. Die wackelnde Stimme, die zickigen Gitarren, das Umsichkreisen der Melodie, Bowie hätte es nicht besser hinbekommen können.

Pop, dessen bürgerlichen Namen James Osterberg niemand mehr erinnert, hat aber auch lange auf dieses Album gespart. Vier Jahre kam nichts Neues aus der Werkstatt des einstigen Rock-Berserkers, den die Branche für abgeschrieben hielt.

Dann aber kam Josh Homme, der Erfinder des Stoner Rock und Begründer wie Chef der Queens of the Stone Age, den Pop per SMS kontaktiert hatte. "Hey, es wäre toll, wenn wir irgendwann mal zusammen was schreiben könnten", schrieb der legendäre Sänger dem legendären Hardrock-Gitarristen. Und irgendwie passierte es dann wirklich - ohne Plan und Plattenfirma spielten die beiden gemeinsam mit Dean Fertita (Queens of the Stone Age) und Matt Helders, dem Schlagzeuger der Arctic Monkeys, neun Songs ein, mit denen sich Iggy Pop auf der großen Rock-Bühne zurückmeldet.

Das liegt vor allem daran, dass ihm hier weder Selbstironie noch Selbstmitleid in die Quere kommen. "I'm gonna break into your heart", singt er gleich am Anfang, und auch noch dass er unter ihre Haut kriechen möchte. Iggy Pop, zu Beginn seiner Karriere mit den Stooges eine Naturgewalt, später aber immer mehr und immer häufiger zu einer Art Abziehbild seiner selbst geschrumpft, will ernstgenommen werden - und wie es Johnny Cash mit Hilfe von Rick Rubin gelang, glückt es ihm hier mit Unterstützung von Josh Homme.

Der zieht die Fäden im Hintergrund und bestimmt den Sound. Der aber ist keineswegs derselbe wie bei seinen Queens oder dem Supergroup-Nebenprojekt Them Crooked Vultures. Für den um ein Vierteljahrhundert älteren Iggy Pop schneidert Homme ein karges, rockiges Grundgerüst aus Klängen, die immer wieder Pops Freund, Partner und Idol Bowie belehnen. Kein Salongesäusel mehr wie auf "Préliminaires", dem letzten richtigen Solo-Album vor fast sieben Jahren. Aber auch keine ausgestellte Wurzelpflege mit nachgebautem Ur-Punk im Stooges-Stil.

Stücke wie die bettelnde Liebesgeschichte "Gardenia" oder das voller Fragen steckende "American Valhalla" klingen ähnlich sehnig und muskulös wie Pop immer noch aussieht. Keine Ruhe, nirgends. "I've shot my gun / I've used my knife / this hasn't been an easy life", knarzt der Sänger, dessen Stimme noch nie eine der schönsten war, der sich dafür aber immer mit voller Wucht in seine Lieder geworfen hat.

In seiner "Post Pop Depression", der Titel darf durchaus vieldeutig interpretiert werden, ist kein Geschrei, hier sind auch die berühmten Glasscherben weit weg, es wird nicht gespuckt und kaum geflucht. Iggy Pop schaut zurück und sieht ein Scheitern, nicht nur bei sich selbst, sondern im Grunde bei allem, was seine Generation sich einst gewünscht hat. "Where is American Valhalla / death is the pill that's hard to swallow", singt er und "ich habe nichts / außer meinem Namen".

Da kokettiert der Barde natürlich nicht zu knapp, ebenso bei "German Days", das die gemeinsame Zeit mit Bowie in West-Berlin heraufzubeschwören scheint, dann aber in Wirklichkeit eher nicht nach Bahnhof Zoo der 1970er, sondern nach der 1920er Jahre-Wehmut klingt. Kein Grund, traurig zu sein, alles wird gut. "I'm gonna go heal myself now", singt Pop ganz zum Schluss und schiebt ein "Yeah" hinterher.

Donnerstag, 31. März 2016

Ohne Moos nix los

Es grünt so grün im Unterholz, vor allem auf der Ostseite des Naturschutzgebietes Peißnitz Nordspitze. Ohne Moos wäre hier gar nichts los.