Donnerstag, 22. Januar 2015

An der Wiege der Kriege

Ein Grund, Krieg zu führen oder Anschläge zu verüben, findet sich immer: Eine unterdrückte Religion wehrt sich, eine benachteiligte Volksgruppe will Freiheit oder die Armen stehen wütend auf gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung. So zumindest erzählt es das gefühlte Wissen über die Geschichte.

Falsch, sagt der Bremer Zivilisationsforscher Gunnar Heinsohn. Er sieht die Ursache für bewaffnete Konflikte und Terrorismus vielmehr in einem Phänomen, das auf Englisch "Youth Bulge", übersetzt also etwa Jugendblase heißt. Heinsohn beschreibt mit diesem Begriff "im Inneren brennende Nationen", die unter einer so gewaltigen Bevölkerungsexplosion leiden, dass zahllose dritt- und viertgeborene Söhne keinerlei Karrierechance innerhalb der Gesellschaft haben.

Den Irak etwa identifiziert der Chef des Bremer Instituts für Genozidforschung in seinem Buch "Söhne und Weltmacht" (Piper) als ein Land, das unter diesem Ohnmachtsdruck von unten leidet. 1950 lebten fünf Millionen Menschen zwischen Euphrat und Tigris, 2050 werden es bereits 55 Millionen sein. Auch im Jemen, in dem die Hälfte der heutigen Bevölkerung unter 15 Jahren alt ist, werden in den kommenden Jahrzehnten Millionen von jungen Männern nach Beschäftigung suchen. Weiteren hundert Ländern vor allem der Dritten Welt steht eine ähnliche Entwicklung bevor - Mitte des Jahrhunderts werden auf je zwei Jungen in Ländern des Westens etwa 25 Jungen in den Entwicklungsländern kommen.

Die suchen nach einem Platz in der Welt, nach Lebenschancen und Entwicklungsmöglichkeiten. Sie wollen Familien gründen und sie ernähren können. Doch die Zahl der auskömmlichen Positionen wächst nicht im gleichen Maße wie die Zahl der nachkommenden Jungen.

Die überzähligen Männer, erläutert Heinsohn anhand von Beispielen aus der Historie, ziehen also aus, sich anderswo Platz zu erobern: Länder mit "Youth Bulges" waren in der Geschichte immer aggressiv. Die jetzt aufbrandende Sohneswelle aber ist größer als alles, was es bisher gab: Während die entwickelte Welt bei der Gesamtbevölkerung noch ein gutes Fünftel der Menschheit umfasst, wird ihr Anteil beim Nachwuchs in wenigen Jahren auf ein Zehntel gefallen sein.

Die Kriege der Zukunft, glaubt der Forscher, werden deshalb keine der Kulturen, sondern Kämpfe um akzeptable Positionen sein, die sich als Konflikte zwischen verschiedenen Kulturen und Religionen tarnen. Einen Grund zu Beruhigung sieht der Experte darin nicht.

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