Mittwoch, 19. August 2015

Mörder-Duo auf der Spur der Schweine

Die Krimi-Königin Anne Holt hat wieder ein Buch mit ihrem Bruder geschrieben.

Das US-amerikanische Cleveland. London auf der englischen Insel. Und Baerum bei Oslo - wenn die norwegische Krimi-Queen Anne Holt einen Thriller schreibt, dann internationalisiert sie gern. Die Handlung springt über Kontinente, der FBI-Ermittler müht sich mit Fällen in Skandinavien ab und der kleine Mord steht gern in einem großen globalen Zusammenhang.

Auch in „Infarkt“, dem zweiten Buch, das die Auflagenmillionärin aus Larvik zusammen mit ihrem Bruder Even geschrieben hat, hängt alles mit allem zusammen. Ein spektakulärer Kunstraub bringt den millionenschweren Unternehmer Najib Aysha um drei wertvolle Gemälde, außerdem sterben in einem von Aysha ausgehaltenen Fußballklub durchtrainierte Sportler an seltsamem Herzversagen.

Die norwegische Kardiologin Sara Zuckerman, vor fünf Jahren schon im ersten Holt&Holt-Roman „Kammerflimmern“ Hauptperson, wird gebeten, sich um die Lösung des Rätsels zu kümmern.
Die Arbeitsteilung unter den Holts ist klar: Even Holt, hauptberuflich Chefkardiologe eines Osloer Krankenhauses, liefert die fachlichen Hintergründe. Anne Holt, seit ihrem Debütroman „Blinde Göttin“ vor fast 25 Jahren eine zuverlässige Lieferantin hochwertiger Thriller-Kost, sorgt für Handlungsablauf, Spannungsaufbau und Personenzeichnung.

Auf den knapp 450 Seiten von „Infarkt“ funktioniert das hervorragend. Anne Holt, studierte Juristin, Ex-Fernsehjournalistin und danach sogar eine Zeit lang norwegische Justizministerin, schreibt in dem flüssigen US-Thrillerstil, den auch Stars wie James Patterson oder Hakan Nesser pflegen. Auf knappe Dialoge folgen pointierte Beschreibungen von Orten und Seelenlagen; Schauplätze, handelnde Personen und Blickwinkel wechseln im Kapiteltakt. Und sobald eine offene Frage beantwortet ist, wird der Leser mit wenigstens zwei neuen konfrontiert.

„Pageturner“ nennen die nie um blumige Bezeichnungen verlegenen Amerikaner diese Art von Büchern, die beste deutsche Übersetzung dafür ist vielleicht „Saugschmöker“: Ein Buch, das sich, einmal angefangen, nicht mehr aus der Hand legen lässt.

Bei den beiden Holts treibt die Ahnung auf dunkle Abgründe irgendwo in der Vergangenheit die Neugier. Statt andauernder Schießereien, Explosionen und viel Blut vertrauen die ehemalige Polizeijuristin und der Arzt auf den Thrill, der beim Abtauchen in moralische Abgründe entsteht. Es geht um Dopingschweinereien, um Geheimdienste, um die Unmoral, die jedem professionell betriebenen Sport innewohnt, und um Wissenschaftler, die ihr Gewissen im Namen des Fortschritts für viel gutes Geld verkaufen. „Infarkt“ ist ernst gemeinte Unterhaltungsliteratur. Ein Strandbuch, das Schatten spendet.

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