Im Sommer vergangenen Jahres war das Schreckgespenst tot. Die AfD in Sachsen-Anhalt war ein tief zerstrittener Torso aus Liberalen und Rechten, Machtgierigen und Naiven, die einander bei Versammlungen gegenseitig aussperrten, sich vor Gericht zerrten, einander im Internet schmähten, Gruppen bildeten und Allianzen schmiedeten. Alle in der AfD misstrauen einander und sie sprachen über die jeweilige Gegenseite schlimmer als über das, was im Parteisprech "Altparteien" genannt wird. Eine ehemals legitim scheinende Idee stand vor dem Ende, ausgezehrt und in Kleinkriegen zerrissen.
Dann aber kam der Flüchtlingszustrom. Und allerorten das Gefühl auf, die großen Parteien seien nicht eben daran interessiert, das Thema öffentlich mit ihren Wählern zu diskutieren. Die in Talkshows vielbeschworene größte Herausforderung der letzten Jahre wurde zu einer Verwaltungsaufgabe. Und plötzlich lief es für die AfD, als hätte sie diese Krise eigens aus Wahlkampfzwecken bestellt.
Viel mehr ist seitdem nicht passiert. Alle anderen Parteien versuchen, den Elefanten im Zimmer tunlichst zu ignorieren. Die AfD reitet ihn. Die anderen Wahlkämpfer suchen den Windschatten oder sie wollen wenigstens den Schwanz zu fassen bekommen. Und in den Umfragen triumphiert das Original, seinem inneren Zustand nach eine Resterampe der Enttäuschten und Empörten, aber aufrecht im Gegenwind, weil der jeden Start erleichtert.
Alle Arten, die selbsternannte neue Kraft zu bekämpfen, sind vorerst gescheitert. Das Ignorieren hat nicht geklappt, das Denunzieren ebensowenig. In der Phase der Demaskierung der AfD – personell voller Leichtgewichte, inhaltlich voller Obrigkeitsstaat – glaubt schon kein Wähler mehr, dass es noch darauf ankommt.
Die AfD wird nicht wegen ihrer Inhalte gewählt werden, sondern trotz. Nicht wegen ihres Personals, sondern völlig unabhängig davon. Die Parteispitze hätte statt des Burgenländers André Poggenburg vermutlich einen Plüschbären als Spitzenkandidaten nominieren können, und die Umfragewerte wären nicht viel niedriger. Das Programm könnte ein Bierdeckel mit dem Wort „Nein“ sein und es schadete nicht.
Die Kraft dieser Partei liegt einzig in der komatösen Schwäche der rund um den unbekannten, zusehends scheuer werdenden Wähler herumtaktierenden anderen Parteien: Deren Sowohlalsauch treibt traditionelle Wähler der Linken genauso wie SPDler und CDU-Anhänger erst in den Zweifel. Und dann in die Versuchung, ein Signal an die Etablierten zu senden: So nicht!
Es wird nicht ankommen, und das, nicht der Parlamentseinzug der AfD, ist das einzig wirklich besorgniserregende an der Situation. Wenn ein Land durchgeschüttelt wird vom Zuspruch zu einer Partei, die weder eine Idee noch einen Plan noch wenigstens charismatische, glaubwürdige Figuren an der Spitze hat, dann steht es schlecht um die gesellschaftlichen Verhältnisse.
Bisherige Teile der Wahlserie:
FDP: Waschen, ohne nass zu werden
Grüne: Sie reden wieder vom Wetter
Linke: Und immer reicht es nicht
CDU: Ich bin euer Herbergsvater
SPD: Wahl ohne Kampf
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