Mittwoch, 5. Oktober 2016

Steven Wilson: In seiner eigenen Zeit

Als Steven Wilson anfing, ernsthaft Musik zu hören, näherte sich das Zeitalter der Megabands gerade dem Ende. Genesis und Pink Floyd wurden vom Punk weggefegt, junge Bands ätzten alle Verzierungen aus der Rockmusik. Das änderte aber nichts an Wilsons Überzeugung, dass die später progressive Rock genannte Mischung aus Art-Rock, Metal und Klassik weiter Berechtigung haben wird.

Wilson gründete erst die anfangs nur aus ihm selbst bestehende Band Porcupine Tree, um seine Mission umzusetzen. Richtig erfolgreich im breiten Markt aber ist der stets barfüßig auftretende 46-Jährige, seit er unter eigenem Namen Musik macht. Vor allem das Monumentalwerk "The Raven That Refused to Sing" katapultierte den Soundbastler, Gitarristen, Sänger und Komponisten aus einer Nische der Populärmusik in die Charts.

Der Nachfolger des ehrgeizigen "Raven"-Albums, das sich bemüht hatte, keinerlei musikalische Grenzen mehr anzuerkennen, wurde inspiriert von der wahren Geschichte einer jungen Frau aus London, die drei Jahre lang tot in ihrer Londoner Wohnung gelegen hatte, ehe sie vermisst wurde. Wilson macht daraus ein Stück dramatisches Musiktheater um Vereinsamung und Anonymität. Acht Stücke, eingespielt mit allem, worauf sich Töne erzeugen lassen und teilweise überlang, entwickeln eine bedrohliche, klaustrophobische Atmosphäre. Manchmal klingt das nach den frühen Marillion, manchmal nach Dream Theater oder King Crimson.

Für Musik, die ganz kompromissloser Ausdruck der künstlerischen Vision eines Mannes ist, keine schlechte Bilanz.

Mit dem jetzt gerade veröffentlichten Album "Transience" geht Wilson noch einen Schritt weiter. Die Sammlung aus älteren Aufnahmen und Coverversionen, die der Multiinstrumentalist ursprünglich für eine Serie von Singles eingespielt hatte, ist kompakter und gefälliger als die Eigenkompositionen des vielbeschäftigten Produzenten und Labelchefs. Hier gibt es mehr akustisch orientierte Musik, darunter eine Interpretation von Porcupine Trees "Lazarus" und von Alanis Morisettes Superhit "Thank you", den Steven Wilson auf die reine Essenz eindampft.

Der produktionstechnische Größenwahn, der das Schaffen des Spezialisten für audiophile 5.1-Mixe sonst prägt, fehlt völlig. "Transience" schwebt zwischen Rock wie in "Harmony Korine" und klaviergestütztem Pop wie in "Insurgentes". Ein Album, das als Tor ins Universum eines der großen Musikgenies der Gegenwart funktionieren könnte.

Musik, die in sich selbst ruht, abseits aller digitalen Hektik, aller sozialen Netzwerk-Trends. Nicht aus der Zeit gefallen, sondern der Zeit so weit hinterher, dass sie ihr schon wieder weit voraus ist.

Montag, 3. Oktober 2016

Deutsche Einheit: Vergangenheit im Fleischerhemd


Einmal haben wir über die kleinen Atomkraftwerke gesprochen. Diese unendlich hässlichen Dinger, die in jeder Kneipe auf jedem Tisch standen, damals, als wir noch Kinder waren. Links Salz, rechts Pfeffer. Und in der Mitte unter einer bunten Plastekuppel etwas grün-grau Vertrocknetes, das einmal Senf gewesen war.

Komischerweise erinnerten wir uns alle an das drollige Löffelchen, das unter der Haube im hartgetrockneten Mostrich stak. "Das war der Spatel", sagte einer, und wir wussten noch, dass stets mindestens eine Zigarettenkippe genau da steckte, wo beim echten Atommeiler die Brennstäbe sind.

Wir haben daraufhin fast so laut gebrüllt vor Lachen wie dieses andere Mal, als wir uns über die Turnschuhe unserer Kindheit unterhalten haben, die "Botas" hießen und "Germina", in einem Laden verkauft wurden, der sich "Schnees" nannte, und die mit den Turnschuhen von heute soviel Ähnlichkeit hatten wie unsere farbechten Boxer-Hosen mit richtigen Jeans.

Zugegeben, es war Sonntagabend, wir saßen beim Bier und lachten vielleicht nicht nur, weil es komisch war, über Sachen zu reden, die längst vergessen gehört hätten. Aber gelacht haben wir. Gelacht über Einkaufsnetze von unglaublicher Dehnbarkeit. Über blau-weiß gestreifte Baumwollblusen, die aus Buna stammten, aus unerfindlichen Gründen jedoch "Fleischerhemden" genannt wurden. Gelacht auch über Handbewegungen wie die, mit der wir Bierflaschen aus dem Kasten nahmen, sie herumdrehten und schräg gegen das Licht hielten, um nach dem Anteil an Schwebteilchen die Wahrscheinlichkeit dauernder Gesundheitsschäden nach dem Genuss abzuschätzen. Oder den routinierten Griff, der den Plastik-Milchbeutel an einem Zipfel aus der Kiste hob und gemessen abtropfen ließ, um zu sehen, wie viele Lecks er wohl heute wieder habe.

Genauso gelacht haben wir früher, als wir uns in einer anderen Kaschemme treffen mussten, weil es die Kellnerschaft dort nicht so genau nahm mit dem Jugendschutz. Der Spaß damals war: Die Kneipe lag direkt gegenüber dem Hauptquartier der Staatssicherheit, und nicht nur der Brotfahrer, der für die MfS-Küche unterwegs war, trank am Nebentisch sein Feierabendbier, während wir uns amüsierten, wie seltsam das Land war, in das es uns verschlagen hatte.

So ist das gewesen in der Neubausiedlung, in der wir groß geworden sind. Es war grau und es war grässlich und wir hatten jede Menge Spaß. Es gab das Jahr, in dem alle AC/DC hörten. Dann kam der recht bizarre NVA-Jacken-Boom. Und schließlich begann die Zeit, in der jeder Gitarre spielen lernte und im Sommer nach Ungarn fuhr, um in Indien gepresste Platten von Queen und Levis-Jeans zu kaufen.

Eine Jugend in Deutschland, auch wenn die Gegend für den Moment anders hieß.  Einmal haben wir in einem seltsamen Anflug von Humor "Proletarier aller Länder, reinigt Euch!" riesengroß an eine Wand gesprüht, ein andermal den Durchgang an der Schule, in dem wir in der Pause unsere kratzigen "Karo" rauchten, mit flattrigen Fettstiftzeichnungen des Sängers Sting verziert. Es war eine Jugend in einem Land, das man Leuten, die nicht dort gelebt haben, nicht erklären kann.

Wir sind nie erwischt worden. Wir sind die glückliche Generation. Wir haben auch nicht wirklich in der DDR gelebt wie unsere Eltern. Wir hielten uns dort auf, ja, schon, natürlich. Allerdings waren wir in Gedanken bei der Hessenhitparade mit Werner Reinke, Udo Lindenberg war unser Held, Freddie Mercury eine Lichtgestalt und alle unsere Träume handelten von Mädchen und Musik, nicht von Mangelwirtschaft.

Daheim waren wir nicht in den Wohnblöcken, sondern auf den Bänken dahinter. Wir hätten immer noch weggehen können, wenn es eines Tages wirklich zu blöd geworden wäre.

Nicht einmal das mussten wir. Der Fettstift-Sting war noch nicht ganz verblasst, da war die DDR verschwunden. Einer ist dann nach Frankreich gezogen, eine nach England, eine nach Argentinien, ein anderer nach Bangkok. Ein paar wohnen heute im Westen, ein paar in Berlin und einer will in die Türkei auswandern.

Je größer die Welt wird, desto kleiner ist das Stückchen, das wir Zuhause nennen können. Durch Halle-Neustadt fahren wir mittlerweile selten, außer einem von damals wohnt dort auch keiner mehr. Ein paar von den anderen sieht man manchmal in der Kneipe oder bei Partys.

Die übrigen kommen hin und wieder zu Besuch in der Vergangenheit.

Freitag, 30. September 2016

Robert Carl Blank: Tanzen auf dem Dach


Pop. Robert Carl Blank selbst sagt das Wort, wenn er über sein neues Album "Fairground Distractions" spricht. Es ist das vierte des Mannes mit den bunten Hippie-Jeans und dem Faible fürs Fallschirmspringen. Und nachdem erst im Vorjahr das dritte Werk "Room for Giants" erschienen war, ist die Scheibe ein überraschend schneller Nachfolger.

Denn so funktioniert die Karriere des 40-jährigen Gitarristen und Sängers mit tschechischen Wurzeln bisher nicht. Blank, erst spät berufen, spielte zwar schon mit seiner ersten Band im Vorprogramm von Elton John, Whitney Houston und Eros Ramazotti. Doch es gefiel ihm nicht, und so warf er alles hin und fing von vorne an.

Blank hat sich als Straßenmusiker neu erfunden. Nur mit seiner Gitarre um den Hals zog er um die Welt, Monat für Monat, Land für Land. Für Studioaufnahmen blieb da nur selten Zeit und manchmal war auch nicht genug Geld für die Studiomiete da. Zwei Alben schaffte er so. In sieben Jahren. Und nun sind es zwei in zwei Jahren.

Aus dem großgewachsenen Mann mit der schnellen Zunge, der auf der Bühne Songs zur akustischen Gitarre singt und unterhaltsame Geschichten vom Herumreisen in der Welt erzählt, ist auf "Fairground Distractions" ein Entertainer in Magical-Mystery-Tour-Jacke geworden, der das ganz große Pop-Gefühl beschwört: runde Melodien, emotionale Refrains, Kopfstimme, Banjo. Noch nie zuvor war ein Blank-Album so prall produziert, mit so einem satten Sound.

"Ich hatte nie einen Zweifel an der Richtung, in die es geht", sagt Robert Carl Blank selbst. 15 Musiker haben mit ihm, der sonst ein Einzelkämpfer ist, an den zwölf neuen Songs gearbeitet - und genauso klingen die Jahrmarkt-Ablenkungen auch.

Es geht nicht mehr wie zuletzt um das oft einsame Gewerbe des reisenden Sängers zwischen Himmel und Erde, der sich mit langen Wegen, Buckelstraßen, zu wenigen Zuschauern und zu vielen kleinen, kalten Hotelzimmern herumschlagen muss, die die Seele nicht wärmen können. "Fairground Distractions" geht es größer an: Blank singt vom Leben, vom Lieben und Leiden. "Fairground Distractions" ist eine "Symphony in your head" (Liedtitel) mit Bläsern und Geigen und Celli, die nicht jammert oder verzagt, sondern das Dasein in allen Facetten feiert.

Manches verblasst hier wie in "The Photographer", anderes schmerzt wie in "The Price", manches geht zurück bis in die 50er wie "Many ways in" und manchmal meint man, jeden Moment müsse Paul McCartney hereinkommen, um zu fragen, ob er sich das Lied für ein neues Beatles-Album leihen könne ("Your Life"). Wird nicht passieren. Robert Carl Blank hat sich vor Jahren, als er in Australien Gitarre spielen lernte, für ein Leben als fahrender Sänger entschieden. Als der ist er auch weiter unterwegs. Nun allerdings mit einem Album im Gepäck, das auch in die Hitparade passen würde.

Direkt zum Künstler:
www.robertcarlblank.de

Sonntag, 11. September 2016

9/11, 15 Jahre danach: Die Mutter aller Lügen


Verräter. Verbrecher. Verschwörer. Falsche Bärte und gefälschte Fährten, kalte Spuren und heiße Eisen. Nein, auch nach 15 Jahren ist noch nicht alles über den 11. September 2001 erzählt, noch nicht jede Möglichkeit ausgelotet. Das hat William Cooper gerade erst bewiesen: Mit dem mühsam zusammengekehrten Video "10 erschütternde Fakten zu 9/11" holte er sechs Millionen Klicks bei Youtube. Zuschauer waren die, die auch nach anderthalb Jahrzehnten noch an den unzähligen Rätseln rund um den Angriff auf Amerika knabbern. Was heißt auch. Erst recht.

Natürlich, denn Khalezov bezichtigt nicht nur die US-Regierung der Lüge über die Anschläge. Das tun sie alle, die Wahrheitssucher und Verschwörungstheoretiker, die Aufdecker und Aufklärer. Auch der in Palästina geborene Isländer Elias Davidsson, im Hauptberuf Komponist, weiß genau, wie es nicht war: So, wie es offiziell behauptet wird.


Atombombe im Fundament


Das World Trade Center wurde am 11. September 2001 gar nicht von Flugzeugen getroffen! Es gab keine Flugzeuge. Es gab keinen Mohammed Atta, jedenfalls keinen, der ein Attentäter war. Wie alle anderen Männer, der der Mittäterschaft an den Anschlägen beschuldigt werden, ist Atta für Davidsson ein "unschuldiger Muslim". Für alles andere gebe es keine Beweise.


Immerhin, wieder etwas richtig Originelles im seit zehn Jahren währenden Streit um den wahren 11. September. Seit dem Tattag ist schon so ziemlich alles enthüllt worden: Es gab keine Flugzeuge, nur eine kontrollierte Sprengung. Es gab keine Attentäter, sondern einen "Inside Job" von US-Regierungskreisen. Ins Pentagon schlug kein Flieger ein, sondern eine Rakete. Dafür wurde die von Passagieren zurückeroberte vierte Maschine von einem Jäger abgeschossen.



Die "Mutter aller Lügen" nennen bekennende Ungläubige die Ereignisversion der US-Regierung, in der Al-Qaida-Terroristen, begünstigt durch allerlei Schlampereien, vier Flugzeuge entführen und zu Waffen umfunktionieren konnten.


Denn das wäre viel zu einfach. Und keine Erklärung für die Unmenge an Ungereimtheiten, die ein Blick auf den Bericht zutage fördert, den der US-Kongress 441 Tage nach den Anschlägen vorlegte. Wie etwa konnte es den Terroristen gelingen, trotz Einreiseverbotes in den USA Flugunterricht zu nehmen? Wie schafften es Terrorpiloten, denen Fluglehrer jede Befähigung zum Steuern einer Kleinmaschine absprachen, große Jets zielgenau in die WTC-Türme zu steuern? Wieso wurden die Stahlträger der Türme vom brennenden Kerosin geschmolzen, obwohl doch der Schmelzpunkt von Stahl weit über der Verbrennungstemperatur von Flugzeug-Treibstoff liegt?

Anzeichen für Sprengungen

Weshalb schließlich sahen Augenzeugen vor dem Einsturz Anzeichen für Sprengungen? Warum stürzte das Hochhaus WTC 7 ein, obwohl es kaum von Trümmern getroffen worden war? Wie konnte eine Boeing von 38 Metern Breite nach dem Angriff auf das Pentagon in einem nur fünf Meter breiten Loch verschwinden? Und wie schafften es Passagiere in den entführten Flugzeugen, mit ihren Handys zu telefonieren? Wo doch später Versuche ergaben, dass es unmöglich ist, eine Verbindung zu bekommen?

Abweichende Antworten haben Dauerkonjunktur, vor allem im Internet. In zahllosen Foren diskutieren selbsternannte "Truther" seit anderthalb Jahrzehnten ruhelos angebliche und wirkliche Widersprüche. Wahrheitsfilme wie "Zeitgeist" oder "Loose Change" erreichen ein Millionenpublikum. Vortragsreisende von Elias Davidsson knibbeln lose Ende zusammen und drehen der offiziellen Version einen Strick. Zuletzt speiste sich das Phänomen der Tea-Party in den USA aus dem Lager der "9/11 Truther", in dem sich die versammeln, die die amtliche Geschichte vom Angriff der Attentäter aus den Bergen von Afghanistan nicht glauben wollen.

Der Zweifel ist nicht nur im Zielland der Anschläge eine Industrie geworden, die sich von den zahllosen ungeklärten Widersprüchen der offiziellen 911-Geschichte ernährt. Vielmehr markiert das Zweifeln nach dem 11. September den Beginn einer Ära, in der immer mehr Menschen an immer mehr Dingen zweifeln.

Früher Fall für Gespensterjäger

Früher waren Verschwörungstheorien ein Fall für Gespensterjäger. Die Mondlandung gefälscht, der Ufo-Unfall von Roswell. Oder die Ermordung John F. Kennedys , der natürlich nicht von einem einzelnen Schützen erschossen, sondern im Auftrag von CIA, dem Vizepräsidenten und der Militärindustrie hingerichtet wurde. Ebenso übrigens wie Prinzessin Diana , von der man leider bis heute nicht weiß, wie sie die Pläne der geheimen Weltregierung störte. Aber tot ist sie, was nach der Überzeugung von Verschwörungstheoretikern ganz klar beweist, dass sie jemanden im Wege gewesen sein muss. warum sonst sollte sie tot sein?

Wer Spaß an Fantasiespielen hatte, spann die Geschichten vom "Unternehmen Capricorn" weiter. Manche verglichen Fotos. Anderen lachten über die "Mothman-Prophezeiungen".  „Nur weil du paranoid bist, heißt das nicht, dass sie nicht hinter dir her", hat der US-Schriftstelle Joseph Heller schon vor vielen Jahren festgestellt. Und so war es ja auch.

Wie im Film „Fletschers Visionen", in dem Mel Gibson als New Yorker Taxifahrer Jerry Fletcher die von Julia Roberts gespielte Staatsanwältin Alice Sutton so lange mit verqueren Verschwörungstheorien behelligt, bis sich herausstellt, dass es tatsächlich eine ganz hoch angebundene Verschwörung gegen den US-Präsidenten gibt, zeigt sich in der wahnhaften Furcht vor Beobachtung und Überwachung ein notwendiger Überlebensreflex. Es ist ja so, und es ist eigentlich noch viel schlimmer.

Seit Snowden ist das bekannt. Das Ausmaß der Überwachung des öffentlichen Lebens durch westliche Geheimdienste ist größer als es sich Verschwörungstheretiker je hatten erträumen lassen. Seit  der NSU ist klar, dass Geheimdienste und Nazi-Terroristen einander immer zuarbeiteten. Die Unverletzlichkeit der Wohnung und die Behauptung, es gebe ein vom Gesetzgeber geschütztes Fernmeldegeheimnis, sind dahin.

Und mit ihnen auch das Vertrauen weiter Teile der Bevölkerung in die eigene Urteilskraft.

Die Spinner haben Recht

Die Spinner hatten Recht! Die Wahnsinnigen wussten mehr über das wahre Leben als Klugen, entspannt zurückgelehnt lebenden Internetauskenner! Ein Schock, dessen Nachwirkungen inzwischen überall zu beobachten sind.

Nicht nur bei den 9/11-Forschern, sondern auch bei den Reichsbürgern, nach deren Ansicht die Bundesrepublik nicht existiert, wenn man sich selbst zum Staat ausruft.

Die Gewissheiten sind mit demselben Tempo verschwunden, mit dem der Staat selbst Hand an seine Rechtsgrundlagen legte. Die EU-Verträge waren irgendwann nur noch Papier, in den EZB-Rechtsvorschriften fand sich eine monetarisierbare Lücke. Die Grenzen gingen auf, das vertrauen ging runter.

Inzwischen halten Teile der Bevölkerung nicht mehr nur Roswell, Hitlers Flucht nach Argentinien und die Existenz von Reptiloiden für durchaus möglich. Sondern auch, dass Angela Merkel  bei der Stasi war und bis heute in Erich Honeckers Auftrag handelt.

Denn wenn es möglich ist, dass, wie die Bundesregierung tapfer schwört,  niemand davon gewusst hat, dass die CIA die Kanzlerin abhört, dann gibt es eigentlich nichts mehr, was mit einiger Fantasie nicht auch noch vorstellbar wäre. In einem Hangar auf der amerikanischen Air Force Base Wright- Patterson lebt ein Außerirdischer? Jemand hat einen Vergasermotor entwickelt, der nur acht Liter Benzin auf 500 Kilometer verbraucht, die Autokonzerne aber haben das Patent aufgekauft und halten es unter Verschluss? Microsoft-Chef Bill Gates ist in Wirklichkeit der Teufel persönlich, denn korrekt heißt er William Henry Gates III. Wenn man die Buchstaben seines Namens in Codes der Computersprache ASCII umwandelt, ergibt das 666, die Ziffer des Gottseibeiuns. Vielleicht gibt es sogar ein Abhörsystem namens Echelon, mit dem die CIA jedes Telefongespräch, jede E-Mail und jedes Fax weltweit abfangen und mitlesen kann?

Echelon - vom Gerücht zur Tatsache in 30 Jahrem

Gibt es. Wirklich. Echelon etwa war drei Jahrzehnte lang ein unbestätigtes Gerücht. Jeder konnte die riesigen Abhöranlagen in Bad Aibling oder dem malloiquinischen Puig Major de Son Torrella sehen. Aber selbst europäische Spitzenpolitiker beteuerten, worum es sich handele, sei nicht ganz klar. Erst 2001 gelang es einer offziellen Untersuchungskommission des europäischen Parlaments, die bereits 1976 durch den NSA-Mitarbeiter Winslow Peck öffentlich gemachte Existenz des Systems sicher zu bestätigen. 2015 besuchte die Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff den Stützpunkt. Sie fand massive Rechtsverstöße, "die herausragende Bedeutung haben und Kernbereiche der Aufgabenerfüllung des BND betreffen". Zwölf offizielle Beanstandungen ausgesprochen. Weiter geschah nichts.

Das Volk protestierte nicht. Es nahm vielleicht nicht einmal zur Kenntnis. Es erwartete wohl auch gar nichts anderes.

Vertrauen lässt sich nur einmal verlieren, dann ist es für immer weg.