Freitag, 24. März 2017
Hochwasser: Jemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen
So ähnlich wird die neue Mauer aussehen, die ab 2018 den Gimritzer Damm flankiert. |
Erst nach dreieinhalb Jahren wird nun langsam deutlich, wohin die Reise geht: Es wird kein neuer Damm gebaut, nicht an neuer Stelle wie ursprünglich vom Oberbürgermeister angestrebt, und nicht an alter, wie immer schon von der Verwaltung abgelehnt. Stattdessen entsteht ab 2018 neben dem alten Deich eine sogenannte Spundwand, wie sie heute schon in der Nähe von Barby an der Elbe zu bewundern ist (Bild oben).
Der Landesbetrieb für Hochwasserschutz hat die Absicht, eine 1.240 Meter lange Mauer zu bauen, immer entlang des alten Dammes - und höher als dessen Krone heute.
Benutzt werden für eine solche „tragende und dichtende Wand auf einer aufgelösten Bohrpfahlgründung“, wie es offiziell heißt, in der Regel Spundwandsegmente aus Stahl, die mehrere Meter tief in die Erde reichen. Nach oben überragt die künftige Stahlmauer zwischen Neustadt und der Peißnitz nach Fertigstellung jeden Menschen, sie zerschneidet die Verbindung zwischen Neustadt und Altstadt, sie verleiht der Naturidylle am Rande der Peißnitzinsel die Atmosphäre einer Industriebrache.
Sprayer werden sich freuen, Spaziergänger erschüttert sein. Für das Bauwerk weichen muss der komplette Bewuchs auf der Saaleseite des Dammes vom Sandanger bis zur Heideallee, geschätzte 500 Bäume, teilweise 30 bis 50 Jahre alt.
An ihrer Stelle wächst ein Stahlriegel im Vorfeld des Dammes, der in Zukunft als "unüberwindliche Barriere für Tiere und Baumwurzeln" (Eigenwerbung) wirkt.
Sonntag, 5. März 2017
Zwei Jahre lang im Dschungelcamp
Der amerikanische Bestsellerautor T.C. Boyle lässt seine "Terranauten" scheitern.
Ein Käfig voller Narren, die sich im Namen der Wissenschaft für zwei Jahre einsperren lassen. Vier Frauen, vier Männer. So war es damals wirklich, Anfang der 90er Jahre, als das "Biosphere"-Projekt ausloten wollte, ob und wie eine kleine Gemeinschaft von Menschen in einem geschlossenen Wirtschaftskreislauf existieren kann.
T.C. Boyle hat aus Motiven der wahren Geschichte um den Garten Eden in der Wüste von Nevada den Roman "Terranauten" gestrickt - einen über 600 Seiten wuchernden Hybriden aus Kammerspiel, Wissenschaftsthriller und Psychokrimi. Es hängt was in der immer wieder aufbereiteten Luft, die die beiden Erzähler Dawn und Ramsay drinnen atmen, während die ausgebootete Linda von draußen eifersüchtig durch die Glasfenster zuschaut.
Wie die echte Biosphäre, die nach einem Jahr nur noch überleben konnte, weil Sauerstoff von außen zugeführt wurde, kämpft auch die literarische Neuauflage mit technischen wie menschlichen Problemen. So sehr sich zumindest einige Akteure auch schwören, in der Kuppel zu handeln als flögen sie zum Mars, so nah bleibt doch die Überwachungsmaschine draußen. Und mit ihr die Gewissheit, wenn etwas Ernstes passieren würde, ginge die Schleuse auf.
Dieses Wissen verändert das Zusammenleben und es verändert die Gruppendynamik. Abwechselnd aus der Perspektive von Dawn, Ramsay und Linda erzählt, kommt die Höllenfahrt ohne Ortswechsel fast ohne dramatische Momente aus: Kakerlaken und Spatzen bedrohen das Öko-Gleichgewicht, wie im Dschungelcamp geht es irgendwann darum, wer mit wem ins Bett geht. Und als Dawn schwanger wird, ist die Versorgungslage ohnehin schon angespannt und das große Experiment steht vor dem Scheitern.
T.C. Boyle, eigentlich ein Meister der packenden Schilderung überschaubarer Konflikte, hat an dieser Stelle leider schon das Interesse an seiner Story verloren. Er lässt sie irgendwie zu Ende gehen.
Für die einen so. Für andere so.
Ein Käfig voller Narren, die sich im Namen der Wissenschaft für zwei Jahre einsperren lassen. Vier Frauen, vier Männer. So war es damals wirklich, Anfang der 90er Jahre, als das "Biosphere"-Projekt ausloten wollte, ob und wie eine kleine Gemeinschaft von Menschen in einem geschlossenen Wirtschaftskreislauf existieren kann.
T.C. Boyle hat aus Motiven der wahren Geschichte um den Garten Eden in der Wüste von Nevada den Roman "Terranauten" gestrickt - einen über 600 Seiten wuchernden Hybriden aus Kammerspiel, Wissenschaftsthriller und Psychokrimi. Es hängt was in der immer wieder aufbereiteten Luft, die die beiden Erzähler Dawn und Ramsay drinnen atmen, während die ausgebootete Linda von draußen eifersüchtig durch die Glasfenster zuschaut.
Wie die echte Biosphäre, die nach einem Jahr nur noch überleben konnte, weil Sauerstoff von außen zugeführt wurde, kämpft auch die literarische Neuauflage mit technischen wie menschlichen Problemen. So sehr sich zumindest einige Akteure auch schwören, in der Kuppel zu handeln als flögen sie zum Mars, so nah bleibt doch die Überwachungsmaschine draußen. Und mit ihr die Gewissheit, wenn etwas Ernstes passieren würde, ginge die Schleuse auf.
Dieses Wissen verändert das Zusammenleben und es verändert die Gruppendynamik. Abwechselnd aus der Perspektive von Dawn, Ramsay und Linda erzählt, kommt die Höllenfahrt ohne Ortswechsel fast ohne dramatische Momente aus: Kakerlaken und Spatzen bedrohen das Öko-Gleichgewicht, wie im Dschungelcamp geht es irgendwann darum, wer mit wem ins Bett geht. Und als Dawn schwanger wird, ist die Versorgungslage ohnehin schon angespannt und das große Experiment steht vor dem Scheitern.
T.C. Boyle, eigentlich ein Meister der packenden Schilderung überschaubarer Konflikte, hat an dieser Stelle leider schon das Interesse an seiner Story verloren. Er lässt sie irgendwie zu Ende gehen.
Für die einen so. Für andere so.
Mittwoch, 22. Februar 2017
Science Fiction: Irgendwo ist immer jetzt
Überall sind Bildschirme, Kameras, Sensoren, elektronische Spione. Alles muss sicher sein, vorhersagbar, kontrolliert, denn die große, kluge Maschine, der die Menschheit ihr Überleben anvertraut hat, kann schlecht mit Variablen rechnen. In einem gigantischen, gewalttätigen Akt hat sie deshalb alles vernichtet, was störenden Einfluss nehmen könnte. Milliarden Menschen sind tot, die Natur wurde begradigt, Menschsein ist zur Erfüllung einer Aufgabe geworden.
Und doch sind da immer noch Störenfriede in Stephan R. Meiers Debütroman „Now“. Stark zum Beispiel ist eigentlich der Erbe des totalitären Gebildes namens „Now“, eines Supercomputernetzwerkes, in dem unschwer reale Vorbilder wie Google, Facebook oder Apple zu erkennen sind. Stark, der Sohn eines der gutwilligen, mit allerbesten Absichten gestarteten Gründer des allwissenden Algorithmus, kippt angesichts einer ungeplanten Liebe zu einer „Wilden“ aus der Restwelt aus der Matrix.
Er wird zum Feind der Maschine, die 99 Prozent der Menschheit geopfert hat, damit das restliche Prozent endlich in nachhaltigem Gleichgewicht mit der geschundenen Natur leben kann.
Ein Konflikt, an dem Stephan R. Meier scheitert. Zwar beschreibt der Sohn des früheren Verfassungsschutzchefs Richard Meier, der zuvor nur Sachbücher über seinen Vater und über den Terroristen Carlos geschrieben hat, die Entstehungsgeschichte des Now-Computers mit filigranem Strich. Doch die Personen drumherum bleiben so blass wie ihre Motive.
Dasselbe gilt für die Handlung, die mehrfach dazu ansetzt, Fahrt aufzunehmen, etwa als Now den Strom abschaltet und die Zivilisation binnen kurzem außer Rand und Band gerät. Doch Meier wollte wohl keinen temposcharfen Thriller schreiben, sondern eine teilweise als philosophische Belehrung verkleidete Abhandlung über Moral und die Verführbarkeit des Menschen durch Macht.
Das immerhin wäre ihm dann sehr gut gelungen.
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