Sonntag, 20. März 2016

Landtagswahl: Zwei Frauen, zwei Schicksale

Die eine mit 10,6 Prozent die große Verliererin, aller Parteiämter ledig und ohne den sicher geglaubten Ministerposten.

Die andere mit nicht einmal halb so vielen Stimmen eine der Siegerinnen und demnächst mit einem Platz im Kabinett.

Eine Woche nach dem Urnengang künden vergessene Wahlplakate von zwei Frauen und zwei so verschiedenen Schicksalen. Katrin Budde und Claudia Dalbert.

Die eine vom Wähler hängengelassen, die andere von ihrer Partei.

Samstag, 19. März 2016

Peißnitz: Eine Autobahn in den Auenwald

Naturschutzgebiet Peißnitz: So sieht ein Weg aus, der wegen schwerer Flutschäden demnächst splitasphaltiert wird. 
Wofür Fluthilfegelder nicht alles gut sind. Man kann Sitzbänke aufstellen, wo vorher keine standen. Man kann Straßen sanieren, die keinen Tropfen Hochwasser abbekommen haben. Man kann ein denkmalgeschütztes Planetarium abreißen, weil es im Flutgebiet steht. Und es neu aufbauen - etwas flußaufwärts und wieder mitten im Flutgebiet. Man kann eine Eishalle schleifen, weil es für eine Sanierung keine Fördermittel gibt. Und hundert Meter tiefer in der Überflutungsfläche Fördermittel aus demselben Topf in die Sanierung einer Freilichtbühne mit Nebengebäuden pumpen.

Dass man aber sogar Wege aufwendig und tiefgründig reparieren kann, wo vorher keine Wege waren, ist doch erstaunlich. Und doch wahr: An der seit 1993 als Naturschutzgebiet ausgewiesenen Nordspitze der Peißnitzinsel findet laut Bauschild eine  "Hochwasserschadenbeseitigung" statt. Wo nach menschlicher Logik gar keine Schäden sein können. Denn der Uferweg dort ist schon seit Jahrhunderten ein unbefestigter, naturnaher Pfad, der bei Flut und Regen nass und schlammig und bei Trockenheit eben trocken war.

Wie dieser robuste, von keiner Naturgewalt angreifbare Weg aus Erde unter einer Flut gelitten haben soll, die vor knapp drei Jahren für wenige Wochen über ihn gewalzt ist, ist ein Rätsel. Dessen Lösung aber hat die Stadtverwaltung - wie so oft unter strikter Vernachlässigung aller durchaus verfügbaren Informationsmöglichkeiten - inzwischen angestoßen: Mit Bagger und Planierraupe, Unterbau und Asphalt wird aus dem gerade noch naturnahen Pfad eine Art Autobahn in die letzten Reste des unter Naturschutz stehenden Auenwaldes.

Der Weg im Naturschutzgebiet selbst, heißt es, solle später folgen. Nicht ganz so brachial planiert, sondern mit einer sogenannten wassergebundenen Decke versehen. Solche Wege werden derzeit auch im Park am Gut Gimritz gebaut. Mit leuchtend rotem Split gestreut. Sehenswert. Aber für ein Flutgebiet erfahrungsgemäß kaum sinnvoll.

Da kommt noch Asphalt drüber und dann ist alles schön versiegelt. 
In Sachsen etwa dürfen wassergebundene Decken im Hochwasser-Überflutungsbereich überhaupt nicht gebaut werden. Mit gutem Grund, wie gleich nebenan auf der Peißnitz zu besichtigen ist: Eine genau solche wassergebundene Decke befand sich bis vor wenigen Jahren auf der anderen Saaleseite auf der Höhe der Uni-Tennisplätze.

Wegen der häufigen Überflutungen dort, nach denen jeweils eine komplette Grundsanierung des Weges nötig wurde, weil das Wasser den obenliegenden Split weggespült und den Untergrund verschlammt hatte, beschloss die Stadtverwaltung seinerzeit über Nacht eine komplette Asphaltierung, die dann ohne öffentliche Ankündigung in die Praxis umgesetzt wurde.
Wege übers Land, im Uhrzeigersinn: Links oben ein seit 2011 asphaltierter Weg, der früher eine wassergebundene Decke hatte. Rechts daneben Vorbereitung für die  anstehende Asphaltierung. Darunter ein durch die letzte Flut völlig zerstörter naturbelassener Weg außerhalb des Naturschutzgebietes. Ganz unten links Reste eines Weges mit wassergebundener Decke nach zwei Überschwemmungen. Mitte: Schotterbett für Asphaltierung. Rechts völlig zerstörter naturbelassener Weg im Naturschutzgebiet, der demnächst eine wassergebundene Decke bekommen soll. 

Freitag, 11. März 2016

Wahlserie: Das wird das Endergebnis


Den letzten Alarm schlägt gerade das ZDF-Politbarometer: In Sachsen-Anhalt führt die CDU die finale Umfrage vor der Landtagswahl mit 32 Prozent an, die Linke kommt auf 21 Prozent, die SPD nur noch auf 14 Prozent und die AfD wird mit 18 Prozent der Stimmen sofort drittstärkste Kraft im Magdeburger Landtag.

Allerdings: In der Vergangenheit lagen die Demoskopen mit ihren Voraussagen stets mehr daneben als richtig. Die Abweichungen der Vorhersagen von Infratest Dimap und der Forschungsgruppe Wahlen summierten sich bei der letzten Landtagswahl über alle sechs größeren Parteien auf 7,2 (Infratest) beziehungsweise 8,2 Prozent. Während die beiden für ARD und ZDf tätigen Institute bei der CDU mit nur einem halben Prozent Abweichung noch nahe am Endergebnis lagen, schafften sie bei der SPD übereinstimmend eine Differenz von 2,5 Prozent. Bei einer Vorhersage von 24 Prozent kam die SPD letztlich nur auf 21,5, sie war vorher offenbar weit überschätzt worden.

Fast so groß war die Differenz auch bei der Linke. Die sahen beide Institute zu vor bei 25 (Infratest) und 24 Prozent. Es waren dann 23,7 .

Ein Muster, das nicht neu ist. Schon 2006 stimmten Vorhersagen und Endergebnis bei der CDU nahezu überein: 36 und 37 Prozent waren vorgesagt, 36,2 Prozent wurden es. Bei der SPD dagegen dasselbe Problem wie 2011: Vorhergesagt waren 25 und 23 Prozent. Es wurden nur 21,4. Bei der Linken damals andersherum: Vorgesagt 22 und 23 Prozent, am Ende aber entfielen 24,1 Prozent auf die damalige PDS.

Und auch bei der Landtagswahl 2002 sieht es so ähnlich aus, erweitert allerdings um die CDU, die seinerzeit ganz entschieden unterschätzt wurde. 34 und 32 Prozent sagten die Umfragen voraus. 37,3 Prozent wählten die Union. Bei der SPD genauso: 24 und 25 Prozent sollten es werden. Schmale 20 Prozent wurden es. Die Linke hingegen wurde auch damals schon unterschätzt. Ihre vorhergesagten 22 bzw. 23 Prozent kletterten am Wahlabend auf 24,1.

Für den kommenden Sonntag sind das keine guten Nachrichten für die SPD. Streuen die Vorhersagen wieder in dieselbe Richtung wie meist, landet die CDU tatsächlich bei 31 bis 33 Prozent, die einst so stolze Arbeiterpartei aber könnte statt der zumindest noch sicher geglaubten 14 bis 17 Prozent auch bei nur zwölf Prozent landen. Die Linke hat ihr Umfragepotential zuletzt immer übertroffen, hat also wohl 21 Prozent sicher, mit Tendenz Richtung 22 Prozent.

Bei den kleineren Parteien, denen die Institute derzeit fünf Prozent vorhersagen, sind die Abweichungen zwischen Umfragen und Endergebnissen traditionell nicht größer, aber prozentual bedeutsamer. Die FDP hatte 2002 10 und neun Prozent vorhergesagt bekommen, landeten aber bei 13,3 Prozent. 2006 steigerte sie ihre sechs Prozent aus den Umfragen auf 6,7 am Wahlabend. Die Grünen legten 2002 eine Punktlandung hin - aus 2 und 2 Prozent wurden 2 Prozent an der Urne. 2006 wurden aus 4 und 4 Prozent 3,6.

Geht es danach, ist die FDP mit ihren fünf vorhergesagten Prozent eher drin, die Grünen dagegen wären mit ihren fünf Prozent künftig eher draußen.

Genau weiß man das aber natürlich erst, wenn am Sonntag der 18-Uhr-Gong ertönt.

Donnerstag, 10. März 2016

Wahlserie AfD: Ein Plüschbär auf Siegeszug


Im Sommer vergangenen Jahres war das Schreckgespenst tot. Die AfD in Sachsen-Anhalt war ein tief zerstrittener Torso aus Liberalen und Rechten, Machtgierigen und Naiven, die einander bei Versammlungen gegenseitig aussperrten, sich vor Gericht zerrten, einander im Internet schmähten, Gruppen bildeten und Allianzen schmiedeten. Alle in der AfD misstrauen einander und sie sprachen über die jeweilige Gegenseite schlimmer als über das, was im Parteisprech "Altparteien" genannt wird. Eine ehemals legitim scheinende Idee stand vor dem Ende, ausgezehrt und in Kleinkriegen zerrissen.

Dann aber kam der Flüchtlingszustrom. Und allerorten das Gefühl auf, die großen Parteien seien nicht eben daran interessiert, das Thema öffentlich mit ihren Wählern zu diskutieren. Die in Talkshows vielbeschworene größte Herausforderung der letzten Jahre wurde zu einer Verwaltungsaufgabe. Und plötzlich lief es für die AfD, als hätte sie diese Krise eigens aus Wahlkampfzwecken bestellt.

Viel mehr ist seitdem nicht passiert. Alle anderen Parteien versuchen, den Elefanten im Zimmer tunlichst zu ignorieren. Die AfD reitet ihn. Die anderen Wahlkämpfer suchen den Windschatten oder sie wollen wenigstens den Schwanz zu fassen bekommen. Und in den Umfragen triumphiert das Original, seinem inneren Zustand nach eine Resterampe der Enttäuschten und Empörten, aber aufrecht im Gegenwind, weil der jeden Start erleichtert.

Alle Arten, die selbsternannte neue Kraft zu bekämpfen, sind vorerst gescheitert. Das Ignorieren hat nicht geklappt, das Denunzieren ebensowenig. In der Phase der Demaskierung der AfD – personell voller Leichtgewichte, inhaltlich voller Obrigkeitsstaat – glaubt schon kein Wähler mehr, dass es noch darauf ankommt.

Die AfD wird nicht wegen ihrer Inhalte gewählt werden, sondern trotz. Nicht wegen ihres Personals, sondern völlig unabhängig davon. Die Parteispitze hätte statt des Burgenländers André Poggenburg vermutlich einen Plüschbären als Spitzenkandidaten nominieren können, und die Umfragewerte wären nicht viel niedriger. Das Programm könnte ein Bierdeckel mit dem Wort „Nein“ sein und es schadete nicht.

Die Kraft dieser Partei liegt einzig in der komatösen Schwäche der rund um den unbekannten, zusehends scheuer werdenden Wähler herumtaktierenden anderen Parteien: Deren Sowohlalsauch treibt traditionelle Wähler der Linken genauso wie SPDler und CDU-Anhänger erst in den Zweifel. Und dann in die Versuchung, ein Signal an die Etablierten zu senden: So nicht!

Es wird nicht ankommen, und das, nicht der Parlamentseinzug der AfD, ist das einzig wirklich besorgniserregende an der Situation. Wenn ein Land durchgeschüttelt wird vom Zuspruch zu einer Partei, die weder eine Idee noch einen Plan noch wenigstens charismatische, glaubwürdige Figuren an der Spitze hat, dann steht es schlecht um die gesellschaftlichen Verhältnisse.


Bisherige Teile der Wahlserie:

FDP: Waschen, ohne nass zu werden
Grüne: Sie reden wieder vom Wetter
Linke: Und immer reicht es nicht
CDU: Ich bin euer Herbergsvater
SPD: Wahl ohne Kampf