Samstag, 11. November 2023

Acht Jahre: Romantiker und Menschenmagnet


Ich bin nicht hier, um zu gewinnen,
ich bin am Leben, um es zu verlieren.
Wo nichts verloren wird, ist nichts zu finden,
wer sich wärmen will, muss erstmal frieren.

Gerhard Gundermann

Beim Fußball hat er immer im Sturm gestanden. Natürlich im Sturm, ganz vorn, wo die Tore gemacht werden. Steffen Drenkelfuß war kein fleißiger Läufer, keiner, der das Spiel lenken wollte. Hier nicht. Hier, auf dem Platz, war er der, der seinen wuchtigen Körper mit ein paar schnellen Schritten in Position brachte und abschloss. Er war zielsicher, er war zur Verwunderung seiner Gegenspieler sogar schnell. Er war genau der, der er sein wollte. Ein Macher, ein Vollender. Ein Mann, der seinen Platz hatte und ihn ausfüllte.


Im Leben hat Steffen Drenkelfuß nach diesem Platz gesucht. Er liebte die lauten Runden, in denen über Gott und die Welt geredet wurde, die Abende am Lagerfeuer, an denen immer noch ein letztes Bier getrunken wurde, ehe es ins Zelt ging. Begann er zu erzählen, von den wilden Zeiten im Café Fusch, von seinen Reisen nach Afghanistan und Russland, von den Geschichten aus der Geschichte, die er liebte wie vielleicht kaum etwas sonst, dann wurden die Runden leise und alle hörten zu. Steffen Drenkelfuß war dann ein Menschenmagnet, ein wortgewandter Welterklärer, der allen einfachen Wahrheiten misstraute, weil er aus der Geschichte, die für ihn immer auch die Lebensgeschichte seiner geliebten Großmutter war, wusste, dass die Dinge nie einfach sind.

Steffen Drenkelfuß hielt es weniger mit den Gewinnern, die die Geschichte schreiben. Sein Herz schlug für die Verlierer, für die, die es versucht hatten und gescheitert waren.

Für sich selbst sah er das nicht vor. Meister seines Lebens zu sein, ein Mann, der seinen Weg geht, das war das Bild, das er von sich selbst hatte. Steffen Drenkelfuß war der Mann auf dem Kapitänsplatz hinten im Paddelboot, wenn es nach Schweden oder Polen ging. Tagsüber fuhr er ganz vorn im ersten Boot und abends war er der, der die Härten des Outdoorlebens bei jedem Wetter in vollen Zügen genoss – am liebsten nur in eine Plane gewickelt, der er seit der Armeezeit die Treue hielt. Er war ein Romantiker, er schlief auf einer Matte, die dreimal geflickt war, denn er hing an Dingen, die gelebt hatten.

Lange suchte er auch nach dem Ort, an dem er seine Fähigkeiten zeigen und verwenden konnte. Zum Glück für alle, die er auf seine Reise von der Universität zur Zeitungsredaktion, zum MDR und in die Stelle als Sprecher eines italienischen Hightech-Unternehmens mitnahm. Legende ist seines raue Imitation eines früheren MDR-Chefs, den er mit blitzenden Augen nachahmte. Auch seine absurden Anekdoten aus dem halleschen Rathaus hätten es verdient gehabt, ein Buch zu füllen. Und nie ließ er einen Zweifel daran, wie sehr er Falschheit und Größenwahn verachtete, wie sehr es ihn traf, wenn Aufschneider und Heuchler das Sagen hatten.

Steffen Drenkelfuß hätte es nie zugegeben, weil er sich für einen Realisten hielt. Doch er träumte von einer Welt, in der Leistungen zählen und nicht Bürokratie, Falschheit und das, was er Geschwätz nannte. Er selbst hat auf sich nie Rücksicht genommen, um seinem eigenen Anspruch an Leistung gerecht zu werden. Er arbeitete, akribisch, ausdauernd. Und wenn Freunde ihn brauchten, als Computerexperten, als Zuhörer, als Freund, war er da. So sehr, dass er oft den Vorwurf hörte, dass er nicht vergessen solle, dass da noch ein anderes Leben im Leben sein müsse.

Aber auch das hatte er, etwa wenn er am Pool bei seinen Eltern auf der Sonnenliege saß und bei einem Bier Gespräche mit seinem Vater  führte. Wenn er in Oebisfelde auf Fotopirsch zur Grenzerbank ging, aus der er mit seinen Bildern ein Kultmotiv machte. Oder wenn er abends zu Hause saß und über Max Höltz, Ernst Ottwalt oder Nestor Machno las. Bücher, die ihn beeindruckten, konnte er kapitelweise auswendig nachsprechen. Mit Gesten und ganzem Körpereinsatz holte er die Vergangenheit dann ins Heute. Er war begeistert und begeisterte andere. Er war lebendig. Er war glücklich.

Auch in der Musik. Er war dann melancholisch, romantisch, still. Gerhard Gundermann, Christian Haase, Natalie Merchant waren seine Säulenheiligen, immer wieder fand er aber auch zurück zum Punk seiner Jugendjahre. Den zornigen jungen Mann, der er damals gewesen war, trug Steffen  auch jenseits der 40 noch irgendwo in sich. Milde können andere sein, sagte er. Steffen urteilte präzise und schnell, sein moralischer Kompass schlug sicher aus, und wenn er eine Position gefunden hatte, dann verteidigte er sie vehement. Bis das letzte Bier ausgetrunken und das Feuer zu kalter Asche heruntergebrannt war.

Steffen Drenkelfuß ist am 11. November 2015 gestorben.
Er ist nur 45 Jahre alt geworden.

Steffen Drenkelfuß bei Facebook

Samstag, 21. Oktober 2023

Popstar der Politik: Audienz bei Wagenknecht

Sie tut erst gar nicht so, als gehe es um eine Buchlesung. Sahra Wagenknecht weiß, dass die Leute ihretwegen kommen. Das Buch haben die meisten schon, auch wenn sie an diesem Abend noch eins kaufen werden. "Ist ja bald Weihnachten", sagt der Einpeitscher, der vorher auftritt wie früher bei "rund" im DDR-Fernsehen. Stimmung machen, den Saal einschwören.

Heute Abend ist das einfach, denn die, die hier sind, sind Fans der Frau im hellblauen Blazer, die mit frenetischem Applaus begrüsst wird. Wagenknecht lächelt schmal und macht es kurz: "Ich lese jetzt aus meinem Buch, das wird etwa 40 Minuten dauern." Sie lese nur das Vorwort, das sei am aktuellesten. "Obwohl auch der Rest nach wie vor aktuell ist."

39 Minuten offizieller Teil


Nach genau 39 Minuten ist der offizielle Teil rum. Jetzt kommt die Fragerunde, absolviert unter Zuhildenahme zweier mitgebrachter Stichwortgeber, die wissen, was sie fragen sollen. Sahra Wagenknecht bekommt Gelegenheit, alle Register zu ziehen. Es ist so leicht im Augenblick, den Leuten zu sagen, was sie hören wollen.

Nickende Köpfe im Saal bestätigen, dass Wagenknecht so ziemlich alles richtig macht, wenn sie auf das Heizungsgesetz schimpft, auf Bevormundung, Sprechverbote, das Gendern, die grenzenlose Einwanderung, die Waffenlieferungen, die Benachteilung der Ostdeutschen, die niedrigen Löhne und niedrigen Renten, die hohen Preise und die verrückte Energiepolitik, aber auch darauf, wie der Krieg im Osten von Deutschland aus betrachtet werde. "Man kann eine Atommacht nicht besiegen", warnt sie und zitiert John F. Kennedy, der mal gesagt habe, man dürfe eine Atommacht nie vor die Wahl stellen, eine demütigende Niederlage zu akzeptieren oder auf den Knopf zu drücken. Da nicken alle. Kann man sich vorstellen. Genau so ist das.



Jubel überall im Saal


Sahra Wagenknecht sieht sich als Stimme der Vernunft inmitten von "Verrückten", wie sie die politischen Mitbewerber nennt. Die einen zu grün, die anderen zu rechts, die SPD eine Partei für Staatsbeamte, die Linke eine für die Avantgarde der Lastenradfahrer in Berlin Mitte, die keinen Schimmer davon haben, was draußen im Lande los ist, wo keine U-Bahn fährt und keine Inflationsprämie bezahlt wird. Da nicken geht weiter.

Die Frau, die angetreten ist, die Linkspartei in einem tiefen, tiefen Loch zu begraben, sitzt hinter ihrem Tischchen wie festgefroren. Die Runde mit den bestellten Fragen absolviert sie ohne Regung, souverän wie Eis. Was sie sagt, stimmt alles. Und wenn es mal nicht stimmt, etwa als Wagenknecht beklagt, dass die Deutsche Bahn die Kapazitäten im Güterverkehr halbiert habe, glauben es ihr die Zuhörer trotzdem. 

Im Saal sitzen Fans, Menschen, die auf eine Wagenknecht-Partei warten, weil sie sonst nicht mehr wissen, was sie wählen sollen. Sie sehe eine "Repräsentationslücke", sagt Sahra Wagenknecht, und in die wolle sie mit ihrem "Bündnis Sahra Wagenknecht -  für Vernunft und Gerechtigkeit" (BSW) stoßen. Die ehemalige Internationalistin sorgt sich ums Vaterland. So könne es nicht weitergehen. "Irgendwann schaut man ja mal auf sen Leben zurück und ich will mir dann nicht sagen müssen, dass ich etwas hätte tun können." Pilzesammeln mit ihrem Mann Oskar Lafontaine sei in jedem Fall entspannender. Aber im Saarland sehe es derzeit ohnehin noch schlecht aus mit Steinpilzen im Wald.

Fragerunde wie geschmiert


In der zweiten Fragerunde, bei der das Publikum das Mikrophon bekommt - "aber bitte nur kurze Fragen!", fordert der Einpeitscher - gibt es Solidaritätserklärungen und Schwüre, dass das nun endlich eine echte Alternative für Deutschland sei. Fragen danach, wie Wagenknecht ihre Vorstellung von  vernünftiger Politik um setzen will, wie und mit wem, kommen nicht. Dafür aber aus dem Oberrang die Bitte, zu erklären, warum sich das ehemals als beinharte Kommunistin auftretende neben Gregor Gysi bekannteste Gesicht der Linken nicht dafür einsetzen wolle, den Kommunismus aufzubauen. 


Der Fragesteller bezeichnet sich selbst mit einem Wagenknecht-Zitat als "Angehörigen einer skurrilen Randgruppe", ein Begleiter rollt eine Regenbogenfahne aus. Später wird bei Facebook behauptet werden, dass er "niedergebrüllt" worden sei. Aber das muss an einem anderen Abend in einem anderen Saal gewesen sein. Hier im altehrwürdigen Steintor folgt der Frage ein unterdrücktes Lachen aus den Sitzreihen und Wagenknechts Geständnis, dass sie schon lange nicht mehr glaube, dass eine Art DDR-Planwirtschaft Wohlstand schaffen könne. "Nein, das halte ich für ausgeschlossen."

Die Fahne wird ohne weitere Diskussionen eingerollt. Der Saal applaudiert. Es folgt nun der für viele wichtigste Teil: Lange Schlangestehen vor der Bühne, um ein Buch signiert zu bekommen. Ein ruhiger, mechanischer Prozess, überwacht von drei locker aufgestellten Personenschützern. Die meisten, die nach vorn drängen, kennen das noch von früher. 


Samstag, 21. Januar 2023

Josephskreuz im Harz: Der türkise Riese


Es ist nur ein ganz kleiner Berg, auf dem der große Turm steht, von dem aus man weit ins Land blicken kann. Mit einer Höhe von gerade einmal 580 Metern ist die Josephshöhe im Vorharz zwischen Stolberg im Südwesten und Straßberg im Nordosten, offiziell die Südspitze des Großen Auerbergs, nicht einmal der Name, nicht sehr beeindruckend, aber leicht zu besteigen. Vielleicht war das der Grund, warum hier im 17. Jahrhundert ein schlichter Fachwerk-Aussichtsturm mit vier Aussichtsluken errichtet wurde.

Das größte Doppelkreuz der Welt aus Eisen.

Kein Bauwerk, das lange Bestand hatte: 1768 wurde der von Wind und Wetter angegriffene Turm gestürzt, weil er baufällig war und mit Besuchern auf seiner Aussichtsplattform einzustürzen drohte. Interessant, wie es abgerissen wurde: Bergleute, von denen es in der Region viele gibt, haben es untergraben, bis es einfach zusammenbrach. Genau zu der Zeit, als in der Nähe der letzte Wolf des Harzes erschossen wurde.


Damals hat man aus Erfahrung gelernt, dass es etwas Besonderes braucht, um Massen von Menschen anzuziehen. In dieser Zeit wurden vielerorts hölzerne Aussichtstürme errichtet, um Tiuristen anzulocken, aber der Graf Joseph zu Stolberg-Stolberg, ein Mann mit fein entwickeltem Kunstgeschmack, hatte den Plan, in seinem Reich einen Turm von besonderer Schönheit errichten zu lassen.

Die Aussicht von oben ist atemberaubend

Bezüglich Stolberg-Stolberg fragte niemand geringerer als der geniale klassizistische Baumeister Karl-Friedrich Schinkel, ob er eine Idee habe. Schinkel, der die Königswache (Neue Wache), das Schauspielhaus und das Alte Museum in Berlin gebaut hatte, fand die Idee interessant und entwarf einen Turm in Form eines aufrechten vierteiligen rotationssymmetrischen lateinischen Kreuzes, den der Stolberger Zimmermeister Schatz zeichnete aus 365 Eichen waren in den umliegenden Wäldern geschlagen worden.


Aber auch der neue Turm hielt nicht lange. Das Richtfest von Schinkels Holzturm in Form eines Doppelkreuzes wurde am 24. September 1833 gefeiert, aber nicht einmal 50 Jahre später das nach seinem Bauherrn „Josephskreuz“ benannte Gebäude, das keine Treppen hatte und nur stehen konnte kletterte mit Leitern, wurde vom Blitz getroffen. Dann brannte der Turm ab – zum Unmut der Familie zu Stolberg-Stolberg, die nun den Bau eines massiven Turms planten.

1896 wurde es fertiggestellt, diesmal als 38 Meter hohes Bauwerk mit stattlichen 125 Tonnen Gewicht, das von rund 100.000 Nieten zusammengehalten wird. Es dauerte nicht einmal ein halbes Jahr und kostete nur 50.000 Mark, um das unverwechselbare Wahrzeichen auf den Berg zu setzen, das heute das größte aus Eisen gefertigte Doppelkreuz der ganzen weiten Welt ist.


Die mächtige Eisenkonstruktion, die inzwischen zum Anziehungspunkt für hunderttausende Besucher geworden ist, ruht auf einer riesigen Betonplatte, die auch Platz für eine Schutzhalle bietet, die 400 bis 500 Personen Platz bietet. Um zur Aussichtsplattform zu gelangen, müssen Sie 200 Stufen erklimmen, ein schwieriger, aber lohnenswerter Weg. Die Treppen schlängeln sich bergauf, man hört den Atem wie auf einem richtigen Gipfelspaziergang. Der Blick weitet sich immer mehr, man sieht die Nieten und spürt den Wind, der die Konstruktion ein wenig bewegt.



Keine Angst vor einem neuen Zusammenbruch! Zum 100-jährigen Jubiläum 1987 wurde das Wahrzeichen der ganzen Region rekonstruiert, 2003 erfolgte dann eine grundlegende Renovierung. Geblieben ist die einprägsame Farbe des Gebäudes, ein kupfernes Türkis, das einen wunderbaren Kontrast zum Grün der umliegenden Wälder bildet der blaue Himmel über dem Harz. Bei gutem Wetter und klarer Sicht geht der Blick von hoch oben über die Landschaft des Unterharzes bis zum Brocken im Hochharz, der Große Inselsberg ist zu sehen und sogar das 60 Kilometer Luftlinie entfernte Magdeburg, dessen Domtürme deutlich zu sehen sind sichtbar. 

Englisch: Hier

Samstag, 26. November 2022

Erinnerung: Das siebte Jahr


Ich bin nicht hier, um zu gewinnen,
ich bin am Leben, um es zu verlieren.
Wo nichts verloren wird, ist nichts zu finden,
wer sich wärmen will, muss erstmal frieren.

Gerhard Gundermann



Beim Fußball hat er immer im Sturm gestanden. Natürlich im Sturm, ganz vorn, wo die Tore gemacht werden. Steffen Drenkelfuß war kein fleißiger Läufer, keiner, der das Spiel lenken wollte. Hier nicht. Hier, auf dem Platz, war er der, der seinen wuchtigen Körper mit ein paar schnellen Schritten in Position brachte und abschloss. Er war zielsicher, er war zur Verwunderung seiner Gegenspieler sogar schnell. Er war genau der, der er sein wollte. Ein Macher, ein Vollender. Ein Mann, der seinen Platz hatte und ihn ausfüllte.


Im Leben hat Steffen Drenkelfuß nach diesem Platz gesucht. Er liebte die lauten Runden, in denen über Gott und die Welt geredet wurde, die Abende am Lagerfeuer, an denen immer noch ein letztes Bier getrunken wurde, ehe es ins Zelt ging. Begann er zu erzählen, von den wilden Zeiten im Café Fusch, von seinen Reisen nach Afghanistan und Russland, von den Geschichten aus der Geschichte, die er liebte wie vielleicht kaum etwas sonst, dann wurden die Runden leise und alle hörten zu. Steffen Drenkelfuß war dann ein Menschenmagnet, ein wortgewandter Welterklärer, der allen einfachen Wahrheiten misstraute, weil er aus der Geschichte, die für ihn immer auch die Lebensgeschichte seiner geliebten Großmutter war, wusste, dass die Dinge nie einfach sind.

Steffen Drenkelfuß hielt es weniger mit den Gewinnern, die die Geschichte schreiben. Sein Herz schlug für die Verlierer, für die, die es versucht hatten und gescheitert waren.

Für sich selbst sah er das nicht vor. Meister seines Lebens zu sein, ein Mann, der seinen Weg geht, das war das Bild, das er von sich selbst hatte. Steffen Drenkelfuß war der Mann auf dem Kapitänsplatz hinten im Paddelboot, wenn es nach Schweden oder Polen ging. Tagsüber fuhr er ganz vorn im ersten Boot und abends war er der, der die Härten des Outdoorlebens bei jedem Wetter in vollen Zügen genoss – am liebsten nur in eine Plane gewickelt, der er seit der Armeezeit die Treue hielt. Er war ein Romantiker, er schlief auf einer Matte, die dreimal geflickt war, denn er hing an Dingen, die gelebt hatten.

Lange suchte er auch nach dem Ort, an dem er seine Fähigkeiten zeigen und verwenden konnte. Zum Glück für alle, die er auf seine Reise von der Universität zur Zeitungsredaktion, zum MDR und in die Stelle als Sprecher eines italienischen Hightech-Unternehmens mitnahm. Legende ist seines raue Imitation eines früheren MDR-Chefs, den er mit blitzenden Augen nachahmte. Auch seine absurden Anekdoten aus dem halleschen Rathaus hätten es verdient gehabt, ein Buch zu füllen. Und nie ließ er einen Zweifel daran, wie sehr er Falschheit und Größenwahn verachtete, wie sehr es ihn traf, wenn Aufschneider und Heuchler das Sagen hatten.

Steffen Drenkelfuß hätte es nie zugegeben, weil er sich für einen Realisten hielt. Doch er träumte von einer Welt, in der Leistungen zählen und nicht Bürokratie, Falschheit und das, was er Geschwätz nannte. Er selbst hat auf sich nie Rücksicht genommen, um seinem eigenen Anspruch an Leistung gerecht zu werden. Er arbeitete, akribisch, ausdauernd. Und wenn Freunde ihn brauchten, als Computerexperten, als Zuhörer, als Freund, war er da. So sehr, dass er oft den Vorwurf hörte, dass er nicht vergessen solle, dass da noch ein anderes Leben im Leben sein müsse.



Aber auch das hatte er, etwa wenn er am Pool bei seinen Eltern auf der Sonnenliege saß und bei einem Bier Gespräche mit seinem Vater  führte. Wenn er in Oebisfelde auf Fotopirsch zur Grenzerbank ging, aus der er mit seinen Bildern ein Kultmotiv machte. Oder wenn er abends zu Hause saß und über Max Höltz, Ernst Ottwalt oder Nestor Machno las. Bücher, die ihn beeindruckten, konnte er kapitelweise auswendig nachsprechen. Mit Gesten und ganzem Körpereinsatz holte er die Vergangenheit dann ins Heute. Er war begeistert und begeisterte andere. Er war lebendig. Er war glücklich.

Auch in der Musik. Er war dann melancholisch, romantisch, still. Gerhard Gundermann, Christian Haase, Natalie Merchant waren seine Säulenheiligen, immer wieder fand er aber auch zurück zum Punk seiner Jugendjahre. Den zornigen jungen Mann, der er damals gewesen war, trug Steffen auch jenseits der 40 noch irgendwo in sich. Milde können andere sein, sagte er. Steffen urteilte präzise und schnell, sein moralischer Kompass schlug sicher aus, und wenn er eine Position gefunden hatte, dann verteidigte er sie vehement. Bis das letzte Bier ausgetrunken und das Feuer zu kalter Asche heruntergebrannt war.

Steffen Drenkelfuß ist am 11. November 2015 gestorben.
Er ist nur 45 Jahre alt geworden.




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