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Samstag, 6. Februar 2021

Sportparadies vor dem Abriss: Die schönste Halle von Halle


Zwölf Jahre bis zur größten Ruine, mehr als 30 Millionen Euro bis zum Abriss: Was eigentlich hatte Ostdeutschlands größtes und modernstes Sportzentrum werden sollen, liegt in diesen Tagen in den letzten Zügen der Erwartung auf das Ende. Das "Sportparadies", vor mehr als 20 Jahren vom Leipziger Apotheker Holm Lischewski geplant und ab 2009 auf der Industriefläche eines früheren Buna-Kombinatsbetriebes am Böllberger Weg gebaut, wartet nur noch auf den Abriss. Klappt alles, werden zehn Jahre nach dem ursprünglich geplanten Eröffnungstermin des fast 13.000 Quadratmeter großen Sportkomplexes die Bagger anrücken. Und den beinahe fertiggestellten Bau zurückverwandeln in eine Brachfläche, die dann mit Wohnblöcken überbaut wird.


Wenig Ertrag für Investitionen in Höhe von angeblich mehr als 34 Millionen Euro und einer Bauzeit, die dem Berliner Hauptstadtflughafen Konkurrenz macht. Zumal ein Rundgang durch das imposante Gebäude - mit 183 Metern Länge fast zweimal so lang wie ein Fußballplatz - Erstaunliches zeigt. Was als "Bauruine" gehandelt wird, ist allem Augenschein nach alles andere als das: Die Wände sind von Graffitikünstlern verziert worden, aber trocken. Das Dach ist dicht.Und hinter den zugemauerten Verwaltungsbereichen, so erzählt einer der beteiligten Handwerker, seien sogar schon die Sanitäranlagen eingebaut. Auch die großen Seitenfenster kamen erst vor einigen Monaten, ebenso die Metallverblendung der Fassade. 

"Noch Parkett rein, fertig", kommentiert einer der neugierigen Besucher, die sich in Corona-Zeiten immer wieder durch die symbolisch aufgestellten Zäune quetschen, um sich selbst ein Bild von Sachsen-Anhalts berühmtesten Millionengrab zu machen. 

Es ist ja beileibe auch nicht nur das private Geld von Investor Holm Lischewski, das in dem riesigen Gebäude vergraben wurde. Der Landesrechnungshof nannte vor Jahren 3,8 Millionen Euro Städtebauförderung, die zwar nur zum Teil ausgezahlt worden seien, doch immer wieder wurden neue Fördermittel bewilligt, von denen nie richtig klar war, ob sie nun ganz, zum Teil oder gar nicht ausgereicht worden sind.

Denn schon vor dem ersten Spatenstich ruckelte und wackelte der Bau. Erst gefiel die schlichte Architektur dem Stadtrat nicht, im Gestaltungsbeirat wurde der erste Entwurf als "Baumarkt" kritisiert. Dann wurden in den Kellergeschossen der Ruine der früheren Buna-Fabrik auch Fledermäuse entdeckt, deren Obdach nun in die Bauplanungen einzubeziehen war.

Statt 2011 zu eröffnen, war der unglückselige Investor erstmal mit Umplanungen und Nachfinanzierung beschäftigt. Und als es endlich losging, dauerte es - gemessen am Baufortschritt - nicht lange, bis der Bau wieder stillgelegt wurde. 2015 ging es weiter, statt 13 Millionen Euro Bausumme war nun von 18 Millionen Euro die Rede, um eine Drei-Felder-Halle, eine Boulderhalle, einen Kletterturm und einen Freizeitbereich fertigzustellen, den die Sportplatz GmbH betreiben wollte, hinter der Lischewski selbst steht. 800 Personen könnten den Komplex gleichzeitig nutzen, versprach der Bauherr bei einer Baubegehung, als gerade wieder Hoffnung keimte.

Die hielt nicht allzu lange. Nachdem die Außenanmutung sich in einen Komplex mit wallendem Dach und abgestuften Traufhöhen verwandelt hatte und alle Fledermäuse gerettet waren, kippte die Finanzierung ganz weg. Dann fehlten auch die Fördermittel, oder umgekehrt, jedenfalls war nun wirklich Schluss. Die Ruine stand da wie ein Mahnmal, gelegentlich nur wurden neue Fenster eingebaut oder Zwischentüren zugemauert, um die Innenräume vor Plünderern und Metalldieben zu schützen.

In der Stille um die Zukunft der größten Investruine des Landes sprossen Pläne für einen Neuanfang: Anfangs verkündete ein neuer Investor noch, er werde Teile abreißen, um Platz für Wohnbebauung zu schaffen. Später dann hieß es, alles komme weg und dafür entstünde der "Saalegarten" - ein "komplett neuer Stadtbaustein in bester Lage am Ufer der Saale – für Wohnen, Arbeit und Freizeit".

Die 34 Millionen teuren Reste des Sportparadieses sollen als Schotter für den Unterbau verwendet werden.



Freitag, 9. Oktober 2020

Peißnitz-Nordspitze: Trockenasphalt für den Auenwald

Es ist das letzte Stück unbetonierten Bodens auf der Peißnitzinsel, ein naturbelassener Weg einmal rund um die Nordspitze der Insel, umgeben von der fast schon urwaldartigen Vegetation des letzten Stückes Auenwald in der Stadt Halle. Seit Jahren schon aber weckt ausgerechnet dieses verlorene Ende Waldweg Begehrlichkeiten: Im Zuge der aus der Fluthilfe finanzierten "Reparaturen" von allerlei echten und ausgedachten Hochwasserschäden rückte vor fünf Jahren auch der festgetretene Erdpfad im Auenwald ins Visier der Bauplaner. Für eine sechsstellige Summe sollte der bei Joggern, Spaziergängern und Radfahrern zu jeder Jahreszeit beliebte Rudnweg mit einer sogenannten wassergebundenen Decke versehen werden. es ging nicht schnell, aber es ging voran. Und nun ist es soweit. Demnächst sollen die Bautrupps anrücken.


Roter Schotter für den Auenwald, roter Schotter, der zwar nur ein paar Wochen leuchtend rot bleibt, um sich gleich anschließend in einen Belag zu verwandeln, der sich von dem naturbelassenen nicht unterscheidet, der den Nordspitzenweg seit jeher bei jedem Wetter gut begehbar hält. Doch die "Hochwasserschadenbeseitigung" ist nun mal beantragt. Und auch sieben Jahre nach der Flut von 2013, die auf der Nordspitze keinerlei sichtbare Schäden hinterlassen hat, wird nun saniert und trocken asphaltiert. 

Widerstand ist zwecklos, und doch gibt es ihn. Zu einer Protestlaufrunde empörter Jogger laden Plakate ein, die Unbekannte überall auf der Peißnitz aufgehängt haben. "Joggen gegen Schotterflechte", heißt es da. Der geplante Bau bedrohe 300 Jahre alte Baumwurzeln und zerstöre ein Stück intakte Natur - in einer Stadt, die seit Jahren grüner werden will.

Erfolgsaussichten Null, denn ein Stadtrat, der beschließt, einen seit Jahrhunderten unbefestigten Pfad, der bei Regen nass und bei Sonnenschein trocken ist, als sanierungsbedürftig einzustufen, ist von einem Protestlauf wohl so wenig zu beeindrucken wie von der Petition, für die der Werbung macht. Zuletzt hatte die Mehrheit des Planungsausschusses sich der Ansicht der Verwaltung angeschlossen, dass es sinnvoller sei, die für die "wassergebundene Decke mit tragfähigem Unterbau" beantragten Fluthilfegelder in Höhe von 288.000 Euro zu verbauen, auch wenn es Geldverschwendung sei. Immerhin habe die Stadt bereits rund 40.000 Euro für die Planungskosten ausgegeben - Geld, das verloren wäre, würde man nicht die restliche Viertelmillion noch hinterherwerfen, einfach, weil sie nun mal da ist. 

So bekommt der Auenwald nun nach Jahrhunderten festen Boden unter die Füße von Läufern und Spaziergängern, selbst wenn die "Verordnung der Bezirksregierung Halle über die Festsetzung des Naturschutzgebietes "Nordspitze Peißnitz" von 1993 ausdrücklich festlegt, dass es "zur Vermeidung von Gefährdungen und Störungen" ausdrücklich verboten ist, im Schutzgebiet "bauliche Anlagen" zu errichten.

Dort dagegen, wo es die schon seit Anfang der 70er Jahre gibt und nun repariert werden müsste, was wegen fehlender Pflege in Jahrzehnten zerstört wurde, passiert nichts. Der südwestliche Rundweg an der Wilden Saale, entlang des in Trümmern liegenden früheren Freizeit- und Erlebnisbereiches mit Mini-Golf, Schachtischen und Schachplatten, ist nicht zuletzt durch die Jahrhundertflut von 2013 so schwer beschädigt worden, dass von der früheren Wegbeleuchtung nur noch kahle Masten und Sicherungskästen und von der einstigen Wegeschotterung nur noch Reste erkennbar sind. 

Er liegt allerdings auch nicht in einem Naturschutzgebiet. 

Im Uhrzeigersinn: Weg, der Trockenasphalt braucht, Weg, der keinen Trockenasphalt braucht, Detailaufnahme von sanierungsbedürftigem Weg und nicht-asphaltierter Weg, der in Kürze befestigt werden soll.

Freitag, 17. Mai 2019

Stasi-Vize: Die keinen Mil­li­me­ter zu­rück­wei­chen

Die Stasi-Bar in Halle-Neustadt.
Am Ende geht es darum, Geschichte zu schreiben. Geschehen ist sie schon längst, unverrückbar stehen die Ereignisse in der Zeit. Aber wie sie zu deuten sind, das wird gerade festgelegt, das weiß auch Werner Großmann, bis 1989 der Vize-Chef des Ministeriums für Staatssicherheit. Und aus genau dem Grund lässt der 88-Jährige auch nicht nach: Mit "Der Überzeugungstäter" (Edition Ost, 251 Seiten, 16,99 Euro) hat der einstige Generaloberst ein Buch vorgelegt, in dem er seine Sicht auf die Stasi vor dem Hintergrund seiner Biografie schildert.

Nicht der erste Versuch des aus der Nähe von Pirna stammenden Zimmermannssohnes, aber vielleicht der letzte. Großmann gehört wie sein Vorgänger als Chef der Auslandsspionage Markus Wolf und der letzte NVA-Vize Fritz Streletz zur Zwischengeneration der DDR-Führung. Im Dritten Reich zur Schule gegangen, landet Großmann noch beim Volkssturm, von dem er umgehend abhaut. Als sein Vater aus der Gefangenschaft zurückkehrt, schließt er sich der KPD an. Am selben Tag tritt auch Sohn Werner bei, er ist gerade 17 und auf der Suche nach einem Neuanfang. Über die Jugendorganisation FDJ landet er in einer Funktionärslaufbahn, die Führung entdeckt ihn als "Kader" und wählt ihn schließlich aus, die im Aufbau befindlichen "bewaffneten Organe" zu verstärken.

Für Großmann, bis Oktober 1990 einer der großen Unbekannten des MfS, ein Lebensweg, den er bis heute mit aller Überzeugung vertritt. Bauingenieur oder Lehrer habe er werden wollen, doch als jemand ihn für eine Schule in Berlin wirbt, lockt die Hauptstadt. Großmann sagt Ja und geht zum "Außenpolitischen Nachrichtendienst" wie die spätere Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) anfangs noch heißt.

Aus der Sicht des Mannes, der der letzte Chef des weltweit gefürchteten Spionagedienstes von Markus Wolf sein wird, ist das ein Job wie viele andere auch. Großmann hat nie etwas mitbekommen von illegalen Methoden, von Machtkämpfen im Parteiapparat oder Mordplänen gegen Abtrünnige. "Gerüchte, mehr nicht", sagt er. Es habe weder ein Mordkommando gegeben, noch Pläne, den "Verräter" Werner Stiller mit Gewalt zurück in die DDR zu holen.

Überhaupt stellt Werner Großmann das MfS als normale Behörde dar, etwas neurotisch, weil unentwegt in Angst, unterwandert zu werden. Aber selbst die Auslandsabenteuer seiner HVA erklärt der Sachse mit der großen Systemauseinandersetzung. Die andere Seite sei nie besser gewesen, man selbst aber immer bester Absicht. Warum sich also Asche aufs Haupt streuen? Es geht darum, Geschichte zu schreiben.

Dienstag, 2. April 2019

Verwaltungsgespräch: Ein Dialog für die Tonne


Das sieht auf dieser Wiese immer aus wie Sau! Wir brauchen zusätzliche Müllkübel.

Gute Idee! Die müssen wir aber auf ein festes Fundament stellen, sonst schmeißen die uns die Dinger ständig um.

Ja, feste Fundamente sind gut. Die gießen wir richtig sicher in den Rasen, zwanzig Zentimeter tief, dürfte reichen. Okay, nein, lass und 25 machen.

25 klingt super. Und dann so einen Mast dahinter, wo wir die Kübel festketten können.

Richtig fest, genau. Und was nehmen wir für Kübel?

Habe ich schon bestellt, so große, schwarze. Die bekleben wir dann mit lustig gemalten Bildern von städtischen Künstlern, die städtische Motive malen.

Großartiger Einfall. Hast du schon bestellt? Die Kübel?

Ja, zwei Dutzend Sulo-120 Liter, klasse Dinger, ganz stabil. Fahrbar, aus speziell entwickeltem hochmolekularem Niederdruckpolyäthylen, verrottungsfest, frost-, hitze-, chemikalienbeständig.

Die sind aber aus Plastik, oder?

Ähm, ja. Schon irgendwie. Wieso?

Weil die da grillen, die grillen da, dauernd.

Naja, Grillen. Ich meine, die sind hitzebeständig.

Und wenn da einer Glut reinschmeißt? Meinste, das gilt dann noch mit dem hitzebeständig?

Könnte, naja, ich hoffe doch. Außerdem…

Was außerdem?

Außerdem werfen die da keine Glut rein, ganz sicher nicht. Das sieht doch jeder, dass die Tonnen aus Plastezeug sind. Das will doch keiner, dass es da brennt. Denkste nicht? Das verklebt doch dann die ganzen schönen Fundamente. Und die klasse Festschnallmasten gehen kaputt.

Und die künstlerischen Bilder mit Stadtmotive.

Ja, die auch.

Das wäre traurig.

Ganz traurig wäre das.

Ganz traurig.


Sonntag, 17. März 2019

Kahlschlag auf der Peißnitz: Baum-Mord auf Raten


Es ist der Traum vom reinen Wald wie ganz früher, einer Natur ohne "Fremdgehölze", auch wenn die wie der amerikanische Eschen-Ahorn (Acer negundo) schon seit 300 Jahren in Deutschland wächst. Als Neophyt geranntmarkt, steht er auf der "Schwarzen Liste" der Gewächse wie die Silber-Weide und die Schwarz-Pappel verdrängt, deren deutsche Standgeschichte noch länger währt.

Gegen diese "Invasion" (hallelife) hilft nach Meinung von Experten die sogenannte "Ringelung" am besten. Dabei wird dem Baum ein mehrere Zentimeter breiter Streifen der Rinde am unteren Teil des Stammes ringförmig abgeschnitzt. So soll, das zumindest ist der feste Glaube der Ringler, dem geringelten Baum der Saftstrom abgeschnittenn, so dass der Transport von Nährstoffen von den Wurzeln in Äste und Zweige und Blättter gestoppt wird.

Vor vier Jahren begann eine große Ringelaktion auf der unter Naturschutz stehenden Nordspitze der Peißnitzinsel, auf der seit einigen Jahren auch wieder mehrere Biber heimisch sind. Wie die Pläne zur Schotterung der Waldwege gehört auch das gezielte Absterbenlassen von Bäumen zur Umsetzung städtischer Pläne, sogenannte "invasive Neothyten" mit Hilfe hochrangiger Helfer aus der Politik zu bekämpfen, weil sie heimischen Pflanzen und damit auch Tieren die Lebensgrundlage entzögen.

In der Theorie reicht es, die in der DDR ihrer pflegeleichten Wuchsfreudigkeit achtlos angepflanzten Bäume ausgiebig zu ringeln, um sie binnen dreier Jahre in Totholz zu verwandeln. Mit dem aufwendigen Verfahren soll vermieden werden, dass gefällter Eschen-Ahorn bereits im zweiten Jahr Stockausschläge bildet, die dazu führen, dass mehr Eschen-Ahorn wächst statt weniger. Geringelte Bäume hingegen sind nach drei Jahren abgestorben, kahles Stämme, die nur noch abgesägt und abtransportiert werden müssen.

Wenn sie nicht in der Praxis selbst andere Absichten erkennen lassen, wie das die geringelten Bäume auf der Nordspitze tun. Statt zu sterben und damit Raum zu schaffen, in dem sich "die naturnahe Aue" (Koordinationsstelle invasive Neophyten in Schutzgebieten Sachsen-Anhalts) wiederherstellen lässt, weigern sich die Geringelten, beim Kahlschlag mitzumachen. Mit Erfolg: Auch in diesem Jahr schlagen die totgeweihten Ringelbäume auf der Nordspitze wieder zuverlässig aus, ebenso wie ihre bereits vor noch längerer Zeit geringelten Artgenossen am Ufer der Wilden Saale (Foto Mitte).