Normalerweise wären sie jetzt alle hier: Saleh, Mohammed, Fabi und all die anderen Kinder und Jugendlichen aus der Neustadt, die auf diesem Platz ihre zweite Heimat gefunden hatten. Auf dem ehemaligen Trainingsgelände des Halleschen Fußballclubs blieb ein schöner Kunstrasenplatz zurück, als der Viertligist seine Zelte ab-, und zu neuen Ufern aufbrach.
Ein Glücksfall für Dutzende Kinder und Jugendliche aus Halle-Neustadt, die keine 300 Meter entfernt leben. Jeden Nachmittag, vor allem aber am Wochenende war der Platz voll. Es wurde trainiert. Es wurde gespielt. Um die Goldene Ananas, aber mit Einsatz und Spaß.
Doch dann endete die kurze, glückliche Episode des Platzes. Bagger und Bauarbeiter rückten an. Innerhalb weniger Tage war der Kunstrasen Geschichte. Im Moment stehen noch ein paar Begrenzungen, daneben große Container mit sauber getrenntem Abfall. Holzreste, die Ballnetze, ein Tor, noch ein zweites – aber alles ist vorbei. Für immer.
Von der Erfolgsgeschichte zum Abriss
Für die Jugendlichen ist es eine Tragödie. Für die Stadt der Vollzug einer notwendigen Pflichtaufgabe. Was sich hinter der Zerstörung des einzigen öffentlichen Kunstrasenplatzes der Stadt verbirgt, ist allerdings eine Geschichte, die viel Deutschland im Jahr 2025 erzählt, als auf den ersten Blick zu sehen ist.
Die Fakten sind schnell aufgezählt: Gebaut wurde der Platz vom Halleschen Fußballclub, damals schon mit viel Unterstützung durch Fördermittel aus allerlei Töpfen. Die Spielfläche war das Herz des Leistungszentrums des Vereines, es wurden Ligaspiele ausgetragen, tagtäglich trainierten Männer, Frauen und Kinder in verschiedenen Altersklassen
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Tabula rasa. |
Dann kam das Jahr 2013 – und mit ihm das Jahrhunderthochwasser. Auch der Kunstrasenplatz wurde überflutet. Für gewöhnlich wäre das kein großes Problem: Das Plastik wird gereinigt und schon kann wieder gespielt werden. Doch diesmal suchten Verein und Stadt nach einer anderen Lösung. Der Fußballclub wollte das Gelände am Sandanger verlassen – zu hohe Kosten, zu alt die Gebäude, zu groß die Flutgefahr. Ein neues, modernes Nachwuchsleistungszentrum sollte entstehen, allerdings an einem anderen Standort, der sich besser eignet.
Bürokratie schlägt Herz
Nur der Kunstrasenplatz wurde plötzlich zum Problem. Um Fördermittel für das neue Leistungszentrum zu bekommen, musste das alte Gelände laut Flutrichtlinie als komplett zerstört und unbrauchbar gemeldet werden. Also war der Platz mit einem Mal offiziell unbespielbar – auch wenn weiterhin dort trainiert und gespielt wurde. Millionen Euro Fördermittel standen auf dem Spiel. Das fand in der Nachwuchsliga beinahe zehn Jahre lang weiter auf dem nach Aktenlage zerstörten Kunstrasengeläuf statt. Aber parallel dazu entstand das neue Leistungszentrum, das schließlich feierlich eingeweiht wurde.
Doch damit alles ordnungsgemäß abgerechnet werden kann, musste nun nur noch der alte Kunstrasenplatz nicht nur angeblich, sondern auch faktisch verschwinden. Eine rein verwaltungstechnische Entscheidung: Wenn der Rückbau der Altanlage zur Förderbedingung gehört, muss er erfolgen – egal, wie gut der Platz noch ist und wie viele Jahre er Freizeitsportlern noch gute Dienste leisten könnte.
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Der Rest vom Fußballfeld. |
Für die Verantwortlichen in den Büros ist der Unterschied zwischen kaputt und weg nicht groß. Aber für die Kinder und Jugendlichen, die hier Tag für Tag spielten, ist er riesig. Dieser Platz war nicht irgendein Fußballplatz. Es war der einzige Kunstrasenplatz der Stadt, der jederzeit für alle offenstand – ohne Vereinsmitgliedschaft, ohne Schließzeiten, ohne Nachbarn, die sich vom Lärm spielender Kinder gestört fühlen.
Als sie dann aber kamen, nichtsahnend, war alles weg. Der saubere Schnitt zwischen Neubau und Altanlage macht reinen Tisch und er hinterlässt eine Brache, auf die irgendwann Camper mit ihren Wohnmobilen ziehen sollen. Auf 50.000 Quadratmetern wäre Platz für etwa 500 Fahrzeuge, 70 sollen am Ende hinpassen.
Dass der Kunstrasenplatz fehlen wird, ist praktisch nur ein Gefühl der Betroffenen. Offiziell die Jugendlichen aus Halle-Neustadt den Platz nie nutzen dürfen. Dass die Spielfläche, einst mehr als eine halbe Million Euro teuer, die nächsten fünf, zehn oder 15 Jahre weiter hätte ihrem ursprünglichen Zweck dienen können, spielt auch keine Rolle. Verwaltungstechnisch war sie schließlich bereits seit zwölf Jahren abgeschrieben und unbenutzbar.
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Der Abriss geht auf Halde. |