Freitag, 13. Juni 2014

Imperium der Bälle: Die Weltmacht hinter der WM

Vor der Halbzeit noch da, nach der Halbzeit auf Fifa-Anweisung abgehängt: Die Halle/S.-Fahne kollidiert mit dem Anspruch des Weltverbandes auf exklusive Sichtbarkeit für zahlende Sponsoren.
Zahlt kaum Steuern, beherrscht ihren Markt weltweit monopolistisch, agiert verdeckt und bekommt aller vier Jahre dennoch die Aufwartung von Regierungschefs und Staatsoberhäuptern gemacht - die Fédération Internationale de Football Association ist eine Supermacht, die ihr Hauptprodukt Weltmeisterschaft für Milliarden vermarktet.

Alles hat im Hinterhaus der Rue Saint Honoré 229 angefangen, damals, am 21. Mai vor 110 Jahren. Die Franzosen waren natürlich da, auch die Belgier, die Dänen, Schweden, Holländer und Schweizer. Aus Spanien kamen nur die Männer von Real Madrid, die Deutschen schickten am Nachmittag ein Telegramm, in dem sie ihren Beitritt erklärten. Die Fédération Internationale de Football Association, kurz Fifa, war gegründet, ein eingetragener Verein, der als Dachverband der nationalen Fußballorganisationen den internationalen Spielbetrieb koordinieren sollte.

So schlicht die Idee, so mühsam war die Umsetzung. Die Engländer, immerhin Erfinder des Fußballspiels, wollten sich nicht unterordnen. Große Turniere fanden allenfalls im Schatten der Olympischen Spiele statt. Der 1. Weltkrieg unterbrach alles. Erst nach dem Tod des Gründungspräsidenten Daniel Burley Woolfall gelang es dessen Nachfolger Jules Rimet, mit finanzieller Hilfe des uruguayischen Rinderzüchters Enrique Buero, eine erste Weltmeisterschaft auszurichten.

Ein Geschäft war mit dem Treffen der weltbesten Kicker auch in den folgenden Jahrzehnten nicht zu machen. 1974, als die Weltmeisterschaft in Deutschland gastierte, blieben am Ende nicht einmal fünf Millionen Mark Gewinn für den Weltverband hängen.

Eine Summe, die Fifa-Chef Joseph Blatter heute in der Woche einnimmt, ohne dass ein WM-Turnier stattfindet. Denn so bettelarm der Weltverband in seiner Frühzeit war, so vermögend ist er heute. 1990, als Deutschland zum dritten Mal Weltmeister wurde, verzeichnete der im Schweizer Zürich residierende Dachverband von 204 nationalen Verbänden einen Jahresumsatz von rund elf Millionen Dollar. 2009 überschritt der Umsatz erstmals die Milliarden-Dollar-Grenze und der Gewinn kratzte an der Marke von 200 Millionen Dollar.

Rund um die WM in Südafrika ging es weiter rasant nach oben: Allein der Verkauf der Fernsehrechte und der Sponsorenpakete spülten dem Verband 3,2 Milliarden Euro in die Kassen. Aus dem Turnier in Brasilien nun erwartet die Fifa nach Angaben ihres Generalsekretärs Jérôme Valcke eine weitere Steigerung: Einnahmen in Höhe von vier Milliarden US-Dollar stehen im Plan. Nach Schätzungen der Beraterfirma BDO könnte die Fußballweltmeisterschaft der Fifa sogar bis zu fünf Milliarden US-Dollar einbringen - eine satte Steigerung von rund 36 Prozent in vier Jahren seit der letzten Weltmeisterschaft in Südafrika. Und mehr als eine Verdopplung gegenüber den 2,3 Milliarden US-Dollar, die 2006 in Deutschland heraussprangen.

Eine Erfolgsgeschichte, die sich nicht nur der in Zeiten wachsender Freizeit natürlich zunehmenden Popularität des Fußballsports bei immer größeren Bevölkerungsgruppen verdankt, sondern vor allem der konsequenten Vermarktungsstrategie, die die Fifa in eigenem Auftrag betreibt.

Aus dem Hauptsitz des Weltverbandes in Zürich-Hottingen gesehen, an dem derzeit rund 400 Mitarbeiter aus über 40 Ländern beschäftigt sind, ist der Fußball, wie ihn Milliarden Menschen lieben, kein Sport, sondern ein Milliardengeschäft. Und eine Finalrunde der WM ist kein Fußballturnier, sondern ein einzigartiges Produkt, das sich auf tausenderlei Arten vermarkten, lizensieren und monetarisieren lässt. Nichts hier passiert zufällig, nirgendwo sind Lücken und Hintertürchen. Die Fußballweltmeisterschaft ist nicht nur ein riesiges Volksfest, sondern ein Markenprodukt, dessen Nutzung sich die Fifa bezahlen lässt. Der Weltverband ist Inhaber vom Namen „Fifa-World-Cup“, vom offiziellen Emblem, dem offiziellen Maskottchen Fuleco und dem Pokal, selbst der Slogan „All in one rhythm“ genießt Markenschutz. Zudem hat die Fifa-Zentrale sich eine Vielzahl von Einzelbegriffen und Wortkombinationen markenrechtlich schützen lassen, darunter „Football World Cup“, „Fan-Fest“ , „Brazil 2014“ und „WM 2014“.

Wer immer diese Logos und Marken nutzen möchte, benötigt eine Erlaubnis der Fifa. Die es nur gegen Zahlung von Lizenzgebühren gibt. Der Versuch, diese harten Regelungen zu umgehen, kann teuer werden: Einerseits ist es verboten, mit offiziellen Fifa-Artikeln und Logos zu werben. Andererseits ist es ebenso verboten, eigene ähnliche Artikel herzustellen oder zu vertreiben, warnt Svenja Harmann von der Industrie- und Handelskammer in München, die eigens einen WM-Ratgeber erarbeitet hat. Ein Bäcker darf kein „WM-Brot“ backen, eine Modeboutique keine echten Fifa-Fußbälle als Deko ins Schaufenster legen.

Wer Spiele der WM öffentlich zeigen will, muss dem „Fifa-Reglement für Public-Viewing-Veranstaltungen“ zustimmen, selbst wenn er nur ein paar Freunde in seinen Garten geladen hat. Dazu gehört dann zum Beispiel, dass er sich bereiterklärt, darauf zu achten, dass „Werbesendungselemente, die in der Übertragung des Wettbewerbs enthalten sind, in keiner Phase der Übertragung verdeckt werden“.

Eifersüchtig wacht das Imperium der Bälle über sein Premiumprodukt. Die Fifa-Division TV organisiert die Vergabe der Übertragungsrechte. Die Fifa Marketing AG besorgt die „kreative Entwicklung und effiziente Umsetzung innovativer Sponsoring-Formen“. Die Fifa-Tochter Match besorgt den Kartenverkauf für das Turnier, eine Spezialabteilung der Tochter den Weiterverkauf von zurückgegebenen Karten. Das Fifa-Unternehmen Early Warning System überwacht Sportwettenanbieter und die Fifa-Tochterfirma Transfer Matching System registriert weltweit Spielerwechsel und Transferzahlungen.

Der Riesenkonzern, der sich so ein Monopol auf die beliebteste Sportart der Welt aufgebaut hat, wird dabei von keiner Kartellbehörde überwacht, von keinem Wettbewerbshüter verfolgt und von keinem Steuerfahnder beargwöhnt. Auch wenn die Fifa in Brasilien, Deutschland oder Italien Milliarden einnimmt, wird sie in der Schweiz behandelt wie ein Kegelklub mit 15 Mitgliedern: Ihren Reingewinn versteuert die Fifa mit 4,25 Prozent. Die Steuersumme lag in den vergangenen Jahren bei rund 17 Millionen Dollar. Knapp doppelt soviel gab die Fifa für ihre Unternehmungsführung aus.

Kritik aber prallt ab. Das Imperium der Bälle hat sich ein eigenes Recht geschaffen, das hilft, seine Privilegien zu verteidigen. Einfluss auf die Führungsspitze, an der der heute 78-jährige Joseph Blatter seit 1998 unumschränkt regiert, könnten nur die Landesverbände nehmen. Die aber müssen mit Sanktionen des Weltverbandes rechnen, geben sie politischem Druck in ihren Heimatländern nach, um Licht in fragwürdige Vorgänge wie etwa die Vergabe der übernächsten WM an das Scheichtum Katar, Bestechungsvorwürfe und Korruptionsaffären zu bringen. Der schöne Schein überstrahlt alles, die Politik gibt ihren Segen durch Anwesenheit, direkt neben den Potentaten der totalen Vermarktung nehmen sie dann Platz, die Merkel und Hollande, Cameron und Gauck. 

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