Donnerstag, 8. Februar 2018

Vollendete Einheit: Erstmals kein Ostdeutscher unter den Ministern


Zahlen lügen nicht, auch nicht die über den Zustand der deutschen Einheit, ausgedrückt durch die Zahl der gebürtigen Ostdeutschen am Kabinettstisch. Dort saß all die Jahre seit der Wiedervereinigung stets mindestens ein gebürtiger Ostdeutscher im Ministeramt: Lange war das Hans-Dietrich Genscher, später Wolfgang Tiefensee, schließlich Manuela Schwesig. Es galt auch als Symbol,  dass Ostdeutschland wenigstens irgendwie in der Regierung vertreten war - so wie die Parteien stets darauf achteten, dass die einzelnen westdeutschen Landesverbände ja nach Stärke vertreten waren, so galt der Ossi im Regierungsamt als wichtiges Signal in die neuen Länder: Ihr seid vertreten, ihr seid dabei, ihr werdet nicht nur verwaltet, er regiert selbst mit.

Nie reichte die Zahl der Ostdeutschen zwar, ihren Anteil an der Gesamtbevölkerung zu repräsentieren - sowohl bei CDU als auch bei SPD, der FDP und den Grünen waren die Landesverbände in den alten Ländern immer stärker. Aber der neuen Großen Koalition fehlt nun erstmals nicht nur die Kraft für „Visionen“, wie die Linke beklagt. Sondern auch die Kraft, an bisher üblicher Symbolik festzubehalten. Was sich da in Berlin demnächst als neue Regierung zusammenfindet, wird, bleibt es bei der derzeit bekannten Besetzung der Ämter -  die erste bundesdeutsche Regierung ohne jeden ostdeutschen Minister - selbst 1958, 1968, 1978 und 1988 saßen mehr Leute mit einem Geburtsort östlich der Elblinie als Minister im Kabinett als im Jahre 2018.

In dem liegt die Quote bei genau Null. Ein Zustand, der keineswegs normal, sondern Ausdruck einer Entwicklung ist, die bereits seit einigen Jahren anhält. Wo rein rechnerisch zwei bis drei Minister im Osten geboren sein müssten, ist es keiner. Dafür stammen zwei von der Saar und drei aus Bayern.

Das könnte ein Zufall sein. Doch es ist wohl keiner. In der scheidenden Groko werden 57 von 60 Staatssekretärsstellen von gebürtigen Westdeutschen besetzt. Bis zum krankheitsbedingten Wechsel in Schwerin waren drei von sechs ostdeutschen Ministerpräsidenten gebürtige Westdeutsche (inkl. Berlin). In der Landesregierung von Sachsen-Anhalt sitzen derzeit so wenige ostdeutsche Minister wie noch nie seit 1990. Kein Wunder: Nach den Ergebnissen einer Studie der Friedrich-Schiller-Universität Jena besetzen Ostdeutsche bundesweit nur 1,7 Prozent der Führungspositionen.

Wenig für 17 Prozent der Bevölkerung. Natürlich: Die in Hamburg gebürtige Bundeskanzlerin wird gern als Ausgleich bemüht, in dem der Geburtsort zur Nebensache erklärt wird. Wichtig sei nur die Sozialisation Merkels in der DDR, nicht ihre Herkunft. Doch diese Argumentation lenkt eher vom Phänomen ab: Neben Angela Merkel sitzen im Vorstand der CDU ausschließlich gebürtige Westdeutsche. 

Warum ist das so? Warum ist die Vertretung Ostdeutscher in den gesellschaftlichen Institutionen, Parlamenten und in wirtschaftlichen Leitungsfunktionen heute niedriger als sie jemals nach 1990 war?

Statt die Frage zu stellen und nach einer Ursache des rätselhaften Phänomens zu suchen, haben sich die Groko-Verhandler entschlossen, Normalität durch Verzicht auf die Symbolik einer Beteiligung Ostdeutscher an der Leitung von Ministerien zu behaupten.

Wo es nach 28 Jahren, in denen eine ganze Generation, die die DDR nur als Kind und Jugendlicher erlebt hat, Universitäten absolvierte, um heute mit Mitte 40 über eine Ausbildung und einen Erfahrungsschatz zu verfügen, der sich kaum von westdeutschen Altersgenossen unterscheiden dürfte, eigentlich eine Veränderung hin zu mehr ostdeutscher  Repräsentanz geben müsste, wird sie weniger. Schließlich sind die, die da jetzt kommen, keine gelernten DDR-Lehrer mehr, keine sozialistisch sozialisierten Funktionäre und keine durch den Verlust ihrer Arbeitsplätze gleich nach der Vereinigung frustrierten Altkader.

Und trotzdem tauchen sie nicht auf. Sind das fortgesetzte Zufälle? Oder sind Ostdeutsche zu dumm? Unqualifiziert? Haben sie nicht die richtigen Verbindungen? Treten sie falsch auf? Einen Grund muss es geben, aber wo die Frage nicht gestellt wird, wird er im Dunkeln bleiben.

Das wirklich Frappierende dabei ist nicht der Fakt an sich, sondern die Aussage die er trifft: Wie ein kompletter Ostverzicht im Osten ankommen wird, konnte man sich selbst in dem Raumschiff ausmalen, in dem die Groko-Verhandler seit Wochen durch ihren eigenen Kosmos geflogen sind. Sie haben offenbar dennoch vor, darüber hinwegzusehen. Weil die Kraft nicht für soetwas auch noch reicht. Weil dort Westdeutsche mit Westdeutschen über ganz andere Dinge verhandeln. Weil es vielleicht auch schon völlig egal ist.

Man weiß es nicht. Aber mehr muss im Osten auch niemand wissen über die Bedeutung, die Ostdeutschland in den kommenden dreieinhalb Jahren haben wird.

Ostdeutschland: Ein Land ohne eigene Eliten






4 Kommentare:

  1. All das ist gewollt -auch das man in den Medien keinen Ossi gross werden lässt . Selbst gute Leute wie Stolpe, Täve Schur o Heinz Florian Oertel werden "ausgebremst" . Die Hannemann u Regine Hildebrand sind zum Glück schon tot. D-ROLF wird von MZ u MDR gezielt ignoriert - Bildet Banden !

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  2. Das kann so nicht stimmen, ich erinnere mich an mehrere Beiträge über dich, wenigstens einen ganz großen habe ich sogar selbst geschrieben ;-)

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  3. Sie haben einfach Angst vor uns Ossi's !

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  4. Stimmt teilweise -innerhalb von ca. 25 Jahren (einen wirklich guten Artikel durch Dich !!!- sowie einiges im Regionalen) - ansonsten wurden durch Euer Blatt in diesen Rubrik "Scheinthemen " über Trabifahrer u . unbekannte "Weltreisende" usw hochgejubelt.....-siehe auch "Geli"...

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