Samstag, 3. Februar 2018

Werkunterricht in der DDR: Das geheimnisvolle Holzstück


Ein Holzstück, eigenartig geformt, glattgeschliffen und von rätselhafter Bedeutung. Das Holz ist weich, Buche vielleicht, es hat ein paar Druckstellen und am Rand ist hier und dort etwas weggesplittert. Ein benutzter Gegenstand, augenscheinlich nicht aus einer Fabrik, sondern aus der Hand eines Laien. Passgenau gefertigt für einen Zweck, der heute ein Rätsel ist: Im Werkunterricht der Polytechnischen Oberschule der DDR war der Holzklotz zumindest in Schulen, deren Einzugsgebiet in Neubaustädten lag, Pflicht.

In den Kellern der Schulen, wo sich die Werkräume mit ihrem Duft aus Holzspänen, Lötkolben, Kanalisation und Kinderschweiß befanden, schnallten sich bereits die Jüngsten aus der 1. Klasse Schürzen um und begannen, an Werkstücken zu feilen, Vogelhäuschen zu zimmern und Löcher in Plastikstücke zu bohren, aus denen Brieföffner wurden, die dann zu Weihnachten stolz verschenkt und von den Eltern glücklich angenommen wurden, wiewohl jeder über zehn wusste, dass sie niemals von irgendjemandem benützt werden würden.

Der Werkunterricht, später erweitert um die fürchterliche Fächer Einführung in die Sozialistische Produktion und Produktive Arbeit, dienten dazu, der nachwachsenden Generation erste handwerkliche Fertigkeiten für das Leben in einem Land zu vermitteln, das ohne das weitverzweigte Netz aus Dienstleistungen auskommen musste, das heutige Gesellschaften auszeichnet. Einen Nagel einschlagen, eine Schraube drehen, Zangen benutzen und Löcher bohren – der DDR-Mensch, der nach den Idealvorstellungen seiner proletarischen Führung ein polytechnisch gebildetes Wesen von hohem Intellekt, großer Bildung, leidenschaftlicher Liebe zur Kultur und fabelhafter handwerklicher Geschicklichkeit sein sollte, begann früh, sich die ersten Überlebenstechniken anzueignen.


Das Holzstück zu formen, aus einem groben Scheit, gehörte dazu. Es musste zugesägt werden, dann angerissen, schließlich mit einer Raspel bearbeitet und dann mit Feile und Sandpapier seidenweich gestriegelt werden. Die seltsame Form verdankte sich der vorgesehenen seltsamen Nutzung: Das Holzstück war dafür gedacht, ins standardisierte Fensterprofil der Neubauwohnungen geschoben zu werden, wo es als Ausgleich für die häufig fehlenden Thermostate für Lüftung sorgte.



5 Kommentare:

  1. Das Holzstück diente nur zum festklemmen des Fenster, wenn man lüftete, damit dass Fenster bei Zugluft nicht zuknallen. das hatte nichts mit fehlenden Thermostaten zu tun. Wer so was schreibt macht eben wieder mal Nu die DDR schlecht.

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  2. Das mag bei Dir so gewesen sein, war aber anderswo anders. Da gab es wirklich keine Heizungsregler. Glaubs mir, ich habe in so einer Wohnung gewohnt.

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    1. Hans-Joachim Keneder7. Februar 2018 um 14:23

      Das stimmt, denn zu DDR-Zeiten gab es nur die sogenannte Einrohrheizung mit Konvektortruhen, die sich nur mit einer seitlichen Klappenregelung bedienen ließen und weil das ungenügend war, mußten die überhitzten Räume mittels Fensterlüftung dauernd oder stoßweise mit frischer Luft versorgt werden.

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    2. Frage : woher ich das Foto mit den Schülern am Schraubstock?
      Ich meine die Schüler zu kennen aus meiner Schulzeit in Dresden Hellerau , . Bin sehr interessiert ob es so ist und wie das Foto. Zu ihnen gelangt ist .

      Vielen Dank

      Thomas Mittag Dresden

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  3. Und trotzdem ist dieser Holzblock nur dazu da das, das Fenster nicht beim lüften zuschlägt! Das Holz gab es lange bevor die Zentralheizung Einzug hielt .

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